"Menschen, leben, tanzen, Welt" – ein Lied, mit dem Jan Böhmermann sich in diesem Jahr mit einem Teil des deutschen Musikgeschäfts auseinandersetzte. Unter anderem mit der Frage: Wer schreibt eigentlich die Lieder mancher Stars?
"Seine Musik ist eben keine Stangenware von 08/15-Songwritern. Aber einer macht noch mit hier, genau." Im Neo Magazin Royale spricht Böhmermann den Sänger Max Giesinger an und fragt, ob der tatsächlich alleine für sein Songwriting verantwortlich ist. "Das ist ja alles nicht so schlimm. Wichtig ist ja vor allem, dass das alles gute Songwriter-Kumpels von Max sind, die exklusiv nur für Max tätig sind. Oder für wen schreiben die sonst noch so?"
Die Antwort: offenbar noch für viele andere Sängerinnen und Sänger. Jede Menge Gesichter bekannter deutscher Interpreten werden gezeigt, darunter auch das von Mark Forster.
Forster verweigert und schweigt
Der 33-Jährige ist seit Jahren einer der kommerziell erfolgreichsten Sänger in Deutschland, aktuell entscheidet er als Juror mit darüber, wer die nächste "Voice of Germany" wird im gleichnamigen TV-Format. Und ihn interviewte Jakob Buhre vor Kurzem für sein Online-Portal "Planet Interview". Eingeladen zu dem Gespräch hatte Forsters Plattenfirma.
Eine gute Stunde sprachen der Journalist und der Sänger miteinander. Auch über das Thema Urheberschaft. Forster reklamiert ebenfalls für sich, seine Lieder selbst zu schreiben - in den Credits des Albums "Tape" sind aber auch noch 15 weitere Textdichter und Komponisten vermerkt.*
"Man weiß aber nie genau, wie groß sind deren Anteile an den Songs", sagt Jakob Buhre - doch öffentlich macht er am Ende nur die Fragen des Gesprächs, nicht die Antworten. Forster verweigert die Autorisierung. Warum, teilt er Jakob Buhre nicht mit. Auch gegenüber @mediasres will sich das Management des Künstlers nicht äußern.
Nicht zur Autorisierung verpflichtet
Der Journalist entscheidet sich deshalb, das Gespräch nicht zu veröffentlichen – und stattdessen die Geschichte und ihre Hintergründe in einem ausführlichen Artikel zu thematisieren. In den Kommentaren darunter wird der Text kontrovers diskutiert. Die einen applaudieren, andere kritisieren, niemand zwinge Journalisten, ihre Texte vor Veröffentlichung den Interviewpartnern vorzulegen.
Das Presserecht sieht die Absprache einer Autorisierung tatsächlich nicht vor, grundsätzlich gilt das gesprochene Wort. Doch viele Prominente verlangen sie, so auch Mark Forster. Für Jakob Buhre bedeutet das: "Würde ich nun dennoch veröffentlichen, was er nicht freigegeben hat, ja dann würde ich diesen Autorisierungsvertrag verletzen. Und dann hängt mein Schicksal womöglich von gut bezahlten Juristen ab."
Die Praxis der Autorisierungen ist weit verbreitet. Der Deutsche Journalistenverband sprach bereits vor Jahren von einem "Autorisierungswahn". Ganz darauf zu verzichten, sei für ein Portal wie "Planet Interview" aber nicht machbar, findet Buhre. "Stimmt man dem nicht zu, dann gibt es erst keinen Interviewtermin."
In den meisten Fällen gebe es zudem keine Probleme. Der Journalist erinnert sich an Gespräche mit anderen Prominenten, die er trotz kritischer Fragen veröffentlichen konnte, wie sie auch geführt wurden.
Entscheidend ist die Auswahl der Gesprächspartner
Für André Boße, früher Chefredakteur und heute Autor der Interview-Zeitschrift "Galore", ist weniger die Frage der Autorisierung das Problem. Auch seine Redaktion arbeite damit und mache überwiegend positive Erfahrungen. Ändern müsse man im Nachhinein meist vor allem Sprachliches. "Aber wirklich ganze Passage raustreichen oder Fragen rausnehmen oder ändern, das kommt für uns nicht in Frage."
Entscheidend ist für ihn der Anspruch der Redaktion und die entsprechende Auswahl von Gesprächspartnern: "Wer Galore liest, hat Lust auf Interviews mit wirklich mündigen Persönlichkeiten, sprich Leuten, die authentisch sind und ihre eigene Meinung vertreten und eben nicht vom Management ferngesteuert sind. Es gibt immer mal Leute, von denen denkt man, sie seien auch so locker, flocker und lustig, sind aber dann doch Marionetten des Managements."
Mit seiner Entscheidung habe sich Mark Forster keinen Gefallen getan, findet Boße: Hätte er das Interview freigegeben, würde man wohl jetzt nicht über seinen Fall sprechen.
* In einer ersten Fassung dieses Textes (und weiterhin im Audio) fehlte versehentlich der Hinweis auf die anderen Autoren; diesen haben wir ergänzt.