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Promotion und dann?

Nicht viele vom akademischen Nachwuchs blicken hoffnungsvoll in die Zukunft. Doktoranden, die in der Wissenschaft Karriere machen wollen, werden entweder Professor oder müssen die Universität verlassen. Die Folge sind schlecht bezahlte, befristete Verträge.

Von Philip Banse |
    Andrea Hoffkamp ist 40 Jahre alt und hat gerade am Institut für Mathematik der TU Berlin promoviert, mit Auszeichnung. Hoffkamps Fach: Mathematikdidaktik. Sie erforscht, wie Mathe-Lehrer am Gymnasium das Fach Mathematik besser lehren können. Ihre Karriereaussichten sind glänzend:

    "Derzeit sieht es gerade in der Mathematik und insbesondere im pädagogischen Bereich sehr, sehr gut aus. Ich glaube, dass durch den ganzen Pisa-Schock und die ganzen Studien, die da liefen, dass da jetzt gerade Geld rein gesteckt wird in diesen Bildungsbereich, insbesondere in diese so genannten Mint-Fächer, Naturwissenschaft, Mathematik, Informatik. Und die Auswirkungen spüre ich gerade. Es gibt gerade sehr, sehr viele Stellen, sehr viele Möglichkeiten. Und ich habe das Glück, dass ich rein Interessen bedingt jetzt wählen kann."

    Die 40-jährige Dr. Andrea Hoffkamp rechnet sich bei vier Stellen gute Chancen aus, eine Juniorprofessur und drei Qualifizierungsstellen, in denen sie habilitieren könnte. Doch so hoffnungsvoll blicken nicht viele akademische Nachwuchskräfte in die Zukunft. Das wurde auf der vom Forschungsministerium geförderten Kisswin-Tagung in Berlin deutlich. Das größte Problem für Doktoranden, die in der Wissenschaft Karriere machen wollen, beschrieb Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, so:

    "Entweder man wird Professor oder Professorin oder man verlässt die Universität, geht in die Praxis. Einen dritten Weg gibt es aber nicht. Man kann also nicht erwachsen werden, um den Begriff Nachwuchs aufzugreifen, und dennoch im System Hochschule bleiben."

    Die Folge seien schlecht bezahlte, befristete Verträge. An deutschen Hochschulen seien von neun Stellen acht befristet, sagte der Gewerkschafter Keller. Und über die Hälfte dieser Zeitverträge laufe kürzer als ein Jahr. Unter den schlechten Arbeitsbedingungen des Nachwuchses leide auch die Lehre. Keller regte als neues Beschäftigungsmodell den Tenure Track an, ein angloamerikanisches Modell zur Brücke zwischen Juniorprofessor und Professor. Anke Burkhard vom Institut für Hochschulforschung an der Uni Halle Wittenberg ist skptisch:

    "Der Tenure Track ist deshalb etwas kompliziert, weil es die Hochschulen langfristig binden würde in ihrer fachlichen Profilierung, dass man sagt, ich kann jetzt nicht sechs Jahre vorab versprechen, wenn Du nach sechs Jahren gut evaluiert bist, bekommst du die Professur, weil in der Zwischenzeit vielleicht ein anderes Fachgebiet wichtiger geworden ist. Die Alterstruktur stimmt ja auch nicht immer überein, dass gerade jemand emeritiert wird, wenn der Nachwuchswissenschaftler da ist. Deshalb müssten auch Positionen unterhalb der Professur zur Verfügung stehen, die auch attraktiv sind, also Angestelltenstellen, unbefristet, für den guten wissenschaftlichen Nachwuchs."

    Wenn der Staat kein Geld habe, könnten solche Stellen auch durch Drittmittel finanziert werden, etwa von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, schlug Andreas Keller vor von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Diese Idee ist Teil eines Codex für gute Personalpolitik, den die Hochschulen sich zueigen machten sollten. Besonders wichtig sei eine aktive Personalpolitik:

    "Unter aktiver Personalpolitik verstehe ich, dass die Hochschulen in Zukunft nicht darauf vertrauen, dass sich schon irgendwie naturwüchsig Karrierewege entwickeln. So ist es ja häufig heute, dass eine Hochschule es dem Zufall überlässt, ob es dann gerade eine weitere Perspektive gibt. Nein, ich finde, die Hochschulen müssen sich aktiv darüber Gedanken machen wie sich Personalpolitik gestaltet."

    Außerdem sollten die Hochschulen Überbrückungsfonds einrichten, mit denen mehrjährige Verträge zwischen Doktorarbeit und Anstellung bezahlt werden könnten. Zudem müssten Qualifizierungsstellen auch wirklich der Qualifikation dienen. Weil auch Gewerkschafter Keller weiß, dass befristete Stellen nicht verschwinden werden, forderte er Mindeststandards für Zeitverträge:

    "Wenn zum Beispiel eine Doktorandin oder ein Doktorand voraussichtlich drei Jahre für die Promotion braucht, dann sollte auch ein Arbeitsvertrag über diese drei Jahre gehen und nicht drei Mal ein Jahr oder sechs Mal ein halbes Jahr."

    Befristete Projektstellen? Die begehrte Mathematik-Didaktikern Andrea Hoffkamp sieht das nicht an sich als Problem:

    "Aber ich sehe andere, die haben schon mehr Panik. Die wollen sofort eine Lebenszeitstelle sich absichern. Ich weiß nicht, woran das liegt. Danach strebe ich noch gar nicht so unbedingt."