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Promotionsförderung
"Ich verdiene eigentlich weniger als eine Verkäuferin"

100 Prozent arbeiten und dafür weniger als den Mindestlohn bekommen, das will Albrecht Vorster von der Promovierenden-Initiative nicht mehr hinnehmen. Promotionsstipendien der Begabtenförderwerke seien unrealistisch niedrig dotiert und müssten deutlich länger laufen. "Der Staat betreibt hier einfach Sozialdumping", kritisierte Vorster.

Albrecht Vorster im Gespräch mit Sandra Pfister |
    Ein Wissenschaftler arbeitet in einem Labor.
    Die Finanzierung der Promotion durch ein Stipendium ist mittlerweile die schlechteste Finanzierungsform, kritisiert Albrecht Vorster. (picture alliance/dpa/Jens Büttner)
    Sandra Pfister: Wer für seine Promotion ein Stipendium erhält, der gilt als Elite in der Masse der Nachwuchswissenschaftler. Die Stipendien der Begabtenförderwerke gelten darunter noch mal als besonders begehrt, denn sie sind renommiert, und nur zweieinhalb Prozent aller Promovierenden ergattern so ein Stipendium. Was beschwert ihr euch also, ihr seid doch die Auserwählten! So ungefähr hat Albrecht Vorster das schon öfter zu hören bekommen. Er promoviert in Tübingen im Bereich Neurowissenschaften und engagiert sich in der sogenannten Promovierenden-Initiative. Die will die Promotionsförderung bei Villigst, Friedrich-Ebert-Stiftung und Co. verbessern. Guten Tag, Herr Vorster!
    Albrecht Vorster: Guten Tag!
    Pfister: Herr Vorster, Ihre Initiative wehrt sich, wie Sie sagen, weil ihre Stipendien indirekt gekürzt worden sind. Was wird ihnen denn da weggekürzt?
    Vorster: Ja, die Finanzierung durch ein Stipendium ist mittlerweile die schlechteste Finanzierungsform für ein Stipendium. Während die Ausstattung von Stellen in den letzten Jahren gestiegen ist und auch andere Institutionen nachgezogen haben, sind wir auf dem gleichen Stand geblieben. Also wir kriegen aktuell ein Stipendium von 1.150 Euro, beziehungsweise das ist jetzt gerade was erhöht worden, wir haben 100 Euro mehr bekommen, aber dafür wurden zehn Prozent unserer Stipendiaten gestrichen. Wir haben ja nur schon 2,5 Prozent, die so ein elitäres Stipendium bekommen, und davon ist jetzt wieder zehn Prozent runtergekürzt worden, und das wollen wir nicht hinnehmen.
    Pfister: Wie viel kriegen denn die anderen?
    Vorster: Bei der DFG kann man bis zu 1.375 Euro bekommen, aber so eine Stelle, also wenn man eine Stelle bekommt, dann steht man deutlich besser da. Eine Stelle ist nämlich arbeitslosenversichert, rentenversichert und krankenversichert. Wir müssen uns selbst krankenversichern und zahlen dafür dann 200 Euro extra. Also wir müssen 1.150 Euro minus 200 Euro, dann bleiben mir nur noch 900 Euro, und wenn ich dann eine Wohnung habe mit 500 Euro, dann wird es relativ eng, dann bin ich so relativ beim Hartz-IV-Satz. Ich verdiene eigentlich weniger als eine Verkäuferin, die gerade nach ihrer Lehre angefangen hat zu arbeiten.
    Pfister: Wäre es Ihnen denn am liebsten, so höre ich das raus, wenn die Begabtenförderwerke überhaupt keine Stipendien mehr anbieten würden, sondern dann Stellen wie beispielsweise die DFG?
    Vorster: Wahrscheinlich wäre das die beste Lösung. Wir haben schon vor Jahren dafür gekämpft, dass wir den Promo-Status haben, dass wir also endlich richtig anerkannt werden als arbeitende Menschen. Das hat nicht geklappt. Eine Stelle wäre wahrscheinlich die Möglichkeit, aber da ziehen die Werke nicht mit, darum, will sagen: einfach das Stipendium aufstocken. Der Staat betreibt ja hier einfach Sozialdumping. Der probiert, sich aus der Misere zu ziehen, dass er eben halt nicht Rentenversicherung zahlen muss, nicht Krankenversicherung zahlen muss und nicht Arbeitslosenversicherung nachher zahlen muss. Also wäre es das Beste, wenn der Staat uns einfach mehr Geld bezahlt, dann können wir das ja auch selber finanzieren.
    Pfister: Es ist jetzt natürlich auch so ein bisschen trickreich, wenn Sie sagen, das Stipendium erhöhen, dann bedeutet das, dass insgesamt weniger Geld da ist für Stipendien. Sie haben es ja auch gerade gesagt: Dadurch, dass jetzt Ihr Stipendium um 100 Euro im Monat erhöht wurde, ist in dem Topf, den die Begabtenförderwerke zur Verfügung haben, weniger Geld drin, sodass zehn Prozent weniger Stipendien vergeben worden sind. Das bedeutet, Sie fordern insgesamt mehr Geld, dass der Topf einfach größer wird?
    Vorster: Genau, der Topf muss größer werden, wie alle anderen Töpfe vom BMBF auch größer geworden sind. In den letzten Jahren hat das BMBF deutlich mehr Geld zugewiesen bekommen...
    Pfister: Das Bundesministerium, ne?
    Vorster: Genau, das Bundesministerium für Forschung und vor allem die Gelder für die Deutsche Forschungsgemeinschaft und für die Max-Planck-Gesellschaften haben jährlich jedes Jahr über 200 Millionen mehr bekommen. Und bei uns geht es eigentlich bei dieser Erhöhung lediglich um zehn Millionen. Wir wollen einfach fünf Prozent von dem Kuchen abhaben, und der muss auch dafür sein, dass wir Qualität bringen, die uns alle weiterbringt – in Wissenschaft und Wirtschaft.
    "Das machen wir einfach langsam nicht mehr mit"
    Pfister: Haben Sie irgendjemanden an Ihrer Seite, der mit Ihnen Lobbyarbeit betreibt, oder Abgeordnete, die dafür ein offenes Ohr haben?
    Vorster: Ja, bisher ist das nicht so ein wichtiges Thema. Es wird eben halt das Argument vorgebracht: Ja, das ist ja die Elite in Deutschland, die sollen froh sein, überhaupt ein Stipendium zu haben. Aber es kann ja nicht sein, dass wir 100 Prozent arbeiten und dafür weniger als den Mindestlohn bekommen. Das machen wir einfach langsam nicht mehr mit.
    Pfister: Abgesehen von dem monatlichen Stipendienbetrag, der zu niedrig ist, um davon leben und forschen zu können, ist mit den Stipendien alles in Butter?
    Vorster: Auch nicht so wirklich. Wir kriegen ein Stipendium mit einer Grundförderdauer von zwei Jahren, das heißt, wir sollten in einem super Tempo nach zwei Jahren eigentlich unsere Promotion abschließen. De facto ist es so, dass wir vier Jahre lang im Durchschnitt promovieren, wie alle anderen Promovierenden in Deutschland auch. Wir kriegen das letzte Jahr nicht bezahlt, weil es nur maximal eine Verlängerung in besonders begründeten Ausnahmefällen von einem ganzen Jahr gibt. Und wenn man bei uns auf die Zahlen guckt: Alle Promovierenden der BMBF-Förderwerke, also über 90 Prozent, schaffen es nicht in den drei Jahren, ihre Promotion abzuschließen, weil es einfach schier nicht möglich ist. Es ist ein Missstand, der im BMBF und in den Förderwerken bekannt ist, aber wo man denkt, na ja, da müssen wir ja noch mehr Geld zahlen, daran wagen wir uns lieber nicht.
    Pfister: Mal ganz abgesehen davon, dass in den USA zum Beispiel die Doktorandenprogramme in der Regel noch länger laufen, nämlich eher sechs Jahre.
    Vorster: Genau. In den USA braucht es deutlich länger, und im Ausland, in allen anderen Staaten geht es nicht schneller. Man kann nicht Top-Forschung bringen und etwas Neues, Innovatives herausfinden in einer Minizeit, das geht einfach nicht. Bei den Bachelor-Studiengängen hat man auch probiert, viel Wissen in kurze Zeit zu packen, jetzt sehen wir, die Bachelor brauchen sogar länger als früher die anderen Studierenden. Die Rechnung geht nicht auf, man kann nicht einfach ein Promotionsstudium verkürzen.
    Pfister: Haben Sie denn das Gefühl, die Stipendien der Begabtenförderwerke verlieren an Attraktivität, weil es ja inzwischen auch mehr und besser dotierte Alternativen gibt, zum Beispiel in den Graduiertenkollegs?
    Vorster: Das ist auf jeden Fall ein Argument, was richtig ist. Das ist ja auch der Grund, warum die Max-Planck-Gesellschaft Anfang dieses Jahres umgestellt hat komplett auf Stellen. Dort gab es damals die Wahl zwischen Stipendium oder Stelle, und finanziell kam am Ende das Gleiche raus, aber immer mehr Max-Planck-Studierende haben gesagt, nee, wir wollen auf jeden Fall die Stelle haben, da sind wir sozial sichergestellt, wir haben auch eine Rentenversicherung, die uns nachher ausgezahlt wird. Und darum hat die Max-Planck-Gesellschaft gesagt, okay, wir beugen uns dem Druck und beschäftigen die eben halt richtig.
    Pfister: Es ging darum, dass die Promotionsstipendien der Begabtenförderwerke unrealistisch niedrig dotiert sind, und sie müssen deutlich länger laufen. Das kritisiert Albrecht Vorster von der Promovierenden-Initiative. Danke Ihnen!
    Vorster: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.