Amsterdam hat bis in die Gegenwart eine lange Geschichte als Weltstadt. Und trotz der Modernität hat sie mit ihren backsteingesäumten Grachten eine niederländische Idylle bewahren können. Auch als sich das Land vom strengen Protestantismus verabschiedete, sich betont liberal gab und Amsterdam eines der schönsten Altstadtviertel Bordellen und Pornoläden überließ, was man als Ausweis von Toleranz propagierte.
Nun berichten seit einiger Zeit auch deutsche Zeitungen, dass die Metropole an der Amstel ihr Rotlichtmilieu samt anhängiger Drogen- und Kriminellenszene wieder loswerden möchte. In die aktuelle, auch mentale Umbruchsphase fügt sich Peter Konwitschnys Neuinszenierung der "Salome" bestens ein.
Auch Konwitschny räumt auf und will seine Protagonisten aus Gewalt, Ausbeutung, Porno und Geldgier befreien. Natürlich war zu erwarten, dass er das Werk nicht in der schwül-erotischen Atmosphäre der Jahrhundertwende-Dekadenz belassen würde. Als zeitgenössischer Deuter des Musiktheaters musste er die Sinnlichkeit der Oper als Projektionsfläche für Lüsternheiten des Publikums verweigern. Dabei hat er für seine szenische Interpretation eine Klangschicht verstärkt, die der Komposition durchaus innewohnt, nämlich den Expressionismus.
Was man auf der Bühne sieht, hat weniger mit Franz von Stucks finster-laszivem "Sünde"-Bildnis zu tun als mit den zynischen Visagen in den Gemälden von George Grosz und Otto Dix, wobei es sich bei Konwitschny um Typen von heute handelt. Herodes ist irgendein krimineller Boss im weißen Smoking, der sich mit Heroin vollpumpt, was Gabriel Sadé als Vollblutschauspieler und Buffotenor lebendig darbietet. Königin Herodias ist eine geile Alte, die sich von allen bespringen lässt (mit kupferblinkendem Mezzo: Doris Soffel), die Wächter sind sonnenbebrillte Bodyguards und die Juden schmierige Rechtsanwälte, die nicht die Bibel, sondern das Strafrecht verdrehen. Sie hausen allesamt im Innern eines Bunkers ohne Türen, fressen, saufen, huren an, auf und unter einer weißgedeckten Tafel. Die Männer schänden der Reihe nach den Leichnam des von Herodes erschossenen Narraboth und verspotten Jochanaan.
Der sitzt nicht, wie im Libretto vorgesehen, als gefangener Prophet im Verlies, sondern inmitten der verluderten Gesellschaft am Bankett mit einer Tüte über dem Kopf. Er will von dieser Hölle nichts sehen und nichts hören. Er kann nur mahnen und verfluchen und sich mit seiner rhetorischen Rigorosität selbst schützen.
Jochanaan: "Wo ist er, dessen Sündenbecher voll ist? Wo ist er, der eines Tages im Angesicht alles Volkes in einem Silbermantel sterben wird?"
So gestaltet Andreas Dohmen mit seinem prächtigen Bariton den Jochanaan nicht als verbohrten und kalten Ideologen, sondern als einen Menschen, der mit jeder Faser seiner Existenz versucht, dem libertinären Zeitgeist mit seinem Diktat permanenter Triebabfuhr zu widerstehen. Und die von Annalena Persson nicht ganz so dramatisch stark gesungene Prinzessin Salome will den Jochanaan letztlich nicht verführen und in ihre marode Welt hinunterziehen.
Sondern sie will sich ihm anschließen, um sich zusammen mit ihm aus der Porno-Gesellschaft zu befreien, was am Ende tatsächlich gelingt. Jochanaan wird nicht geköpft. Nur ein blutender Pappmascherumpf schwebt davon. Das gute Ende ist ein kleines Theaterwunder! Das geht stimmig aus der Musik hervor. Aus Salomes klanglich inniger Umarmung des abgehakten Kopfes wird bei Konwitschny eine freundschaftliche Berührung zwischen der lächelnden Prinzessin und dem erleichterten Jochanaan. Stefan Soltesz als Dirigent der Niederländischen Philharmonie macht die Wärme der Partitur hörbar, aber auch die Hardcore-Schärfe der kaputten Zeit. In Amsterdam geht es kräftig zur Sache. Die Oper nimmt es mit der Welt auf.
Salome: "Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan!"
Nun berichten seit einiger Zeit auch deutsche Zeitungen, dass die Metropole an der Amstel ihr Rotlichtmilieu samt anhängiger Drogen- und Kriminellenszene wieder loswerden möchte. In die aktuelle, auch mentale Umbruchsphase fügt sich Peter Konwitschnys Neuinszenierung der "Salome" bestens ein.
Auch Konwitschny räumt auf und will seine Protagonisten aus Gewalt, Ausbeutung, Porno und Geldgier befreien. Natürlich war zu erwarten, dass er das Werk nicht in der schwül-erotischen Atmosphäre der Jahrhundertwende-Dekadenz belassen würde. Als zeitgenössischer Deuter des Musiktheaters musste er die Sinnlichkeit der Oper als Projektionsfläche für Lüsternheiten des Publikums verweigern. Dabei hat er für seine szenische Interpretation eine Klangschicht verstärkt, die der Komposition durchaus innewohnt, nämlich den Expressionismus.
Was man auf der Bühne sieht, hat weniger mit Franz von Stucks finster-laszivem "Sünde"-Bildnis zu tun als mit den zynischen Visagen in den Gemälden von George Grosz und Otto Dix, wobei es sich bei Konwitschny um Typen von heute handelt. Herodes ist irgendein krimineller Boss im weißen Smoking, der sich mit Heroin vollpumpt, was Gabriel Sadé als Vollblutschauspieler und Buffotenor lebendig darbietet. Königin Herodias ist eine geile Alte, die sich von allen bespringen lässt (mit kupferblinkendem Mezzo: Doris Soffel), die Wächter sind sonnenbebrillte Bodyguards und die Juden schmierige Rechtsanwälte, die nicht die Bibel, sondern das Strafrecht verdrehen. Sie hausen allesamt im Innern eines Bunkers ohne Türen, fressen, saufen, huren an, auf und unter einer weißgedeckten Tafel. Die Männer schänden der Reihe nach den Leichnam des von Herodes erschossenen Narraboth und verspotten Jochanaan.
Der sitzt nicht, wie im Libretto vorgesehen, als gefangener Prophet im Verlies, sondern inmitten der verluderten Gesellschaft am Bankett mit einer Tüte über dem Kopf. Er will von dieser Hölle nichts sehen und nichts hören. Er kann nur mahnen und verfluchen und sich mit seiner rhetorischen Rigorosität selbst schützen.
Jochanaan: "Wo ist er, dessen Sündenbecher voll ist? Wo ist er, der eines Tages im Angesicht alles Volkes in einem Silbermantel sterben wird?"
So gestaltet Andreas Dohmen mit seinem prächtigen Bariton den Jochanaan nicht als verbohrten und kalten Ideologen, sondern als einen Menschen, der mit jeder Faser seiner Existenz versucht, dem libertinären Zeitgeist mit seinem Diktat permanenter Triebabfuhr zu widerstehen. Und die von Annalena Persson nicht ganz so dramatisch stark gesungene Prinzessin Salome will den Jochanaan letztlich nicht verführen und in ihre marode Welt hinunterziehen.
Sondern sie will sich ihm anschließen, um sich zusammen mit ihm aus der Porno-Gesellschaft zu befreien, was am Ende tatsächlich gelingt. Jochanaan wird nicht geköpft. Nur ein blutender Pappmascherumpf schwebt davon. Das gute Ende ist ein kleines Theaterwunder! Das geht stimmig aus der Musik hervor. Aus Salomes klanglich inniger Umarmung des abgehakten Kopfes wird bei Konwitschny eine freundschaftliche Berührung zwischen der lächelnden Prinzessin und dem erleichterten Jochanaan. Stefan Soltesz als Dirigent der Niederländischen Philharmonie macht die Wärme der Partitur hörbar, aber auch die Hardcore-Schärfe der kaputten Zeit. In Amsterdam geht es kräftig zur Sache. Die Oper nimmt es mit der Welt auf.
Salome: "Ich will deinen Mund küssen, Jochanaan!"