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Prosa mit Klicklauten

Bücher sind in Südafrika teuer. Auch müssen einige südafrikanische Schriftsteller nun gegen das Aussterben der Xhosa-Literatur - und damit einer ganzen Sprache - kämpfen.

Von Kerstin Poppendieck |
    Wenn Sindiwe Magona eines ihrer Gedichte rezitiert, leuchten ihre Augen. Die schmächtige, 1,60 Meter große Frau füllt jeden Raum mit ihrer Persönlichkeit. Sindiwe Magona ist eine der wichtigsten Schriftstellerinnen Südafrikas. Sie hat Gedichte, Kurzgeschichten und Romane veröffentlicht und hat sich damit auch international einen Namen gemacht. Ihre Muttersprache ist Xhosa, die Sprache mit den vielen verschiedenen Klicklauten. Aber obwohl mehr als jeder fünfte Südafrikaner Xhosa als Muttersprache spricht, findet es in der Literatur kaum statt.

    "Außer in der Schule wird Xhosa-Literatur nicht gelesen. Und das ist erschreckend. Die Menschen, die in unserem Bildungssystem Entscheidungen treffen, wissen entweder nicht viel über Literatur, mögen keine Literatur und interessieren sich nicht dafür. Mit dem Schreiben von Xhosa-Büchern lässt sich definitiv keine Karriere machen. Man schreibt Bücher ausschließlich für den Schulmarkt, denn dort werden Schüler gezwungen, zu lesen. Außerhalb der Schule liest niemand."

    Lesen ist Luxus für die Menschen hier, sagt Sindiwe Magona. Menschen lesen, weil sie die Zeit dafür haben und das Geld, um Bücher zu kaufen. Aber da beginnt der Teufelskreis. Um genügend Geld zu verdienen, haben viele Menschen zwei, drei Jobs, und dadurch keine Zeit, zu lesen. Und wenn sie die Zeit haben, bedeutet das, dass sie arbeitslos sind. Und dann geben sie kein Geld für Bücher aus. Zumal Bücher in Südafrika wesentlich teurer sind als in Deutschland. Ein Taschenbuch kostet durchschnittlich 25 Prozent mehr. Doch selbst, wenn jemand Zeit und Geld hat, wird er im Laden nicht nach Büchern in Xhosa greifen, sondern nach englischen Büchern, sagt Sindiwe Magona.

    "Wir machen den Fehler, Sprache mit Wissen zu assoziieren. Wer Englisch lesen und sprechen kann, der gilt als intelligenter. Deshalb schicken selbst Eltern, die gar nicht oder nur kaum lesen können, ihre Kinder zu Schulen, in denen sie nicht in ihrer Muttersprache, sondern in Englisch unterrichtet werden. Diese Eltern sagen: "Ich will nicht, dass meine Kinder auf Xhosa unterrichtet werden, dann finden sie doch nie Arbeit. Sie müssen englisch lernen." Aber das ist nicht wahr. Man kann doch Xhosa und Englisch gleichzeitig lernen. Das Eine schließt das Andere doch nicht aus."

    Dabei gab es auch gute und produktive Zeiten für Xhosa-Literatur, während der Apartheid-Zeit zum Beispiel. Schriftsteller konnten damals Texte auf Xhosa veröffentlichen, die auf Englisch niemals von der Regierung gebilligt worden wären. Aber kaum ein Weißer hat Xhosa gesprochen. Und so war es Schriftstellern möglich, regierungsfeindliche Botschaften in ihren Geschichten zu verstecken. Heute allerdings kann kein Schriftsteller, der in afrikanischen Sprachen schreibt, davon leben. Einzig Bücher in Afrikaans, die Sprache, die fast 60 Prozent der weißen Südafrikaner sprechen, verkaufen sich gut.

    "Afrikaans-Sprechenden Menschen sagen nicht einfach nur, sie sind stolz auf ihre Kultur. Sie unterstützen ihre Künstler tatsächlich. Schriftsteller, Tänzer, Musiker – ganz egal. Sie geben wirklich Geld für Kunst und Kultur aus. Das sind stolze Afrikaner, die ihre Kultur bewahren wollen und deshalb sie ihre Künstler unterstützen. In unsere Kultur passiert das nicht. Wir Xhosa-Menschen sagen zwar, dass unsere Kultur nicht aussterben darf, aber wir kaufen trotzdem keine Xhosa-Bücher."

    Wenn sie Ministerin für Kunst und Kultur wäre, sagt Sindiwe Magona würde sie jede Mutter mit einem Stapel Bücher ausstatten. Und Eltern würden von ihr keine finanzielle staatliche Unterstützung bekommen, wenn sie nicht nachweisen, dass sie ihren Kindern vorlesen. Ihrer Meinung nach muss jetzt damit angefangen werden, eine Lesekultur unter Kindern und Jugendlichen zu initiieren, sodass die mit Büchern groß werden. Nur so lässt sich eine Lesegesellschaft entwickeln, sagt sie. Und wenn das passieren würde, gäbe es eine gute Chance, dass irgendwann Schriftsteller nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene schreiben können. Erwachsene, die Zeit und Geld investieren, um in Xhosa zu lesen. Bis das allerdings passiert, macht sich Sindiwe Magona weiterhin große Sorgen, dass Xhosa-Literatur nicht mehr lange überleben wird.

    "Wenn die jungen und gebildeten Menschen in diesem Land nicht in ihrer Muttersprache lesen können, dann werden auch ihre Kinder nicht in ihrer Muttersprache lesen. Dadurch ist unsere Sprache in Gefahr. Nicht nur unsere Literatur, sondern unsere Sprache allgemein. Wenn wir jetzt nichts dagegen unternehmen, wird Xhosa als Muttersprache in zwei bis drei Generationen aussterben."