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Prostitution in Indonesien
Keine Alternative

"Dolly" heißt das Rotlichtviertel in der indonesischen Stadt Surabaya. 15.000 Menschen arbeiten dort, nur ein Teil davon als Prostituierte. Jugendschützer und konservative Muslime fordern schon länger, das Viertel zu räumen - nun bietet die Bürgermeisterin Aussteigerinnen Geld und Fortbildungen. Doch so leicht lässt sich das Rotlicht nicht ausknipsen.

Von Udo Schmidt |
    Indonesische Prostituierte sitzen in einem Hotel und verstecken ihre Köpfe hinter Zeitungen.
    Prostituierte im Rotlichtviertel "Dolly" in der indonesischen Stadt Surabaya wehren sich gegen die Schließung ihres Viertels. (picture alliance / dpa / Fully Handoko)
    Vor dem kleinen Verwaltungsgebäude in einer ruhigen Seitenstraße Surabayas herrscht Aufregung. Mehrere Dutzend Frauen warten in einer Reihe unter einem Sonnenschutz, einige sitzen drinnen im Büro an einem Tisch Uniformierten gegenüber. Alle Frauen sind maskiert, manche mit Tüchern, andere mit bunt bemalten Masken, die in Asien so häufig gegen die allgegenwärtige Luftverschmutzung getragen werden: Die Frauen sind Prostituierte des Rotlichtviertels Dolly, sie wollen nicht erkannt werden, sie sind angetreten, um fünf Millionen indonesische Rupien, rund 300 Euro Übergangsgeld in Empfang zu nehmen. Deddy Sosialisto organisiert die Geldausgabe:
    "Die Auszahlung folgt jetzt auf die Ankündigung, dass Dolly geschlossen wird. Mit dem Geld können die Prostituierten und die Zuhälter einen Neubeginn finanzieren. Alle bekommen auch einen medizinischen Check angeboten, auch einen HIV-Test."
    Surabayas umtriebige und beliebte Bürgermeisterin Tri Rismaharini, kurz Bu Risma genannt, will das Rotlichtviertel Dolly mitten in Surabaya schließen, eines der größten Südostasiens. Deswegen lässt sie jetzt Geld ausgeben – um die Schließung, die bereits angeordnet, aber noch nicht vollzogen ist, sozial abzufedern.
    Unzufrieden trotz Zukunftsplänen
    Yanti sitzt draußen unter dem Sonnenschutz. Sieben Jahre habe sie bereits als Prostituierte gearbeitet, erzählt die 30-Jährige:
    "Ich möchte in mein Dorf zurückkehren und ein kleines Geschäft eröffnen."
    Dort lebt ihre kleine Tochter bei ihren Eltern. Yantis ist damit eine der Prostituierten, die das Angebot der Bürgermeisterin annehmen: fünf Millionen Rupien, drei Tage Umschulung. Sie hat sich dazu entschieden, weil sie - wie sie sagt - ohnehin aufhören wollte, allerdings noch nicht jetzt:
    "Ich bin nicht wirklich glücklich über die Schließung von Dolly, schließlich lebe ich dort und habe mein Geld verdient. Aber was soll ich tun? Ich beantrage jetzt das Geld."
    Rund 300 Prostituierte haben sich bisher gemeldet, um sich die Entschädigung auszahlen zu lassen, 300 von rund 1.500, die im Rotlichtviertel Dolly ihre Dienste anbieten. Problemlos und ohne Konflikte ist die Schließung des Altstadtbezirks, der seit Jahrzehnten von der Prostitution lebt, nicht durchzusetzen. Das weiß auch Deddy Sosialisto, der städtische Angestellte:
    "Die meisten werden die Entschädigung annehmen und aufhören. Aber es gibt auch viele, die sie daran hindern wollen. Viele Frauen sind deshalb unter Druck und trauen sich nicht, hierherzukommen."
    Geld für die Zuhälterinnen
    Kamilia und Nining Yudha Asmara sind Mutter und Tochter, die Mutter Ende 30, die Tochter 20 Jahre alt. Beide sitzen auf einer kleinen Bank auf einem Hinterhof im Dolly-Viertel. Sie haben sich die Entschädigung bereits abgeholt, aber jetzt wollen sie das Geld wieder zurückgegeben. Es sei weniger als erwartet, beschweren sich die beiden Frauen, die beide als Zuhälterinnen und nicht als Prostituierte arbeiten.
    Sie wollen das Geschäft weiter betreiben. Ihr seien nicht die zugesagten fünf Millionen ausgezahlt worden, klagt die Tochter Nining, außerdem sei das Geld auf einem Sparbuch und nicht in bar übergeben worden. Sie hätten sich deshalb entschlossen, das Familienunternehmen Bordell in der dritten Generation nicht aufzugeben, fügt die Mutter hinzu:
    "Mein Vater hat schon ein Bordell betrieben, wir führen das Geschäft weiter, ich übergebe jetzt immer mehr Verantwortung an meine Tochter."
    Und so wird im Rotlichtbezirk Dolly mitten in Surabaya, der zweitgrößten Stadt Indonesiens, der Aufstand gegen die von der Bürgermeisterin Bu Risma verordnete Schließung geprobt.
    Protest der Prostituierten
    An einer kleinen, aber zentralen Straßenkreuzung in der Mitte des Altstadtbezirks wird nahezu militärisch geprobt. Mehrere hundert Prostituierte sind maskiert und kampfeslustig erschienen. Die Zuhälter brüllen Befehle, die Frauen stehen in langen Reihen, militärisch geordnet, die geballten Fäuste nach vorne gestreckt. Das alles ist nicht unbedingt sinnvoll und wird wenig helfen, sollten Polizei und Militär die Schließung des Rotlichtbezirks gewaltsam durchsetzen, aber es tut sichtlich gut.
    Leidenschaftlich und vielstimmig wird schließlich die indonesische Nationalhymne gesungen: Sie seien schließlich auch Indonesier, soll das ausdrücken.
    Saputro, Spitzname Pokemon, hat die Proteste in den vergangenen Wochen mitorgansiert. Er hat nichts direkt mit der Prostitution zu tun, aber er lebt trotzdem von ihr. Pokemon betreibt einen kleinen Coffeeshop - und verkauft schwarze T-Shirts mit den weiß gezeichneten Umrissen einer nackten Frau auf der Brust. Die T-Shirts verkauften sich gut, meint Pokemon. Aber natürlich nur, solange im Rotlicht-Viertel Betrieb ist.
    "Dolly ist wirklich eine historische Stätte. Sie muss erhalten werden: Es gibt das Viertel seit 50 Jahren. Wenn Dolly geschlossen wird, ohne dass die Bewohner gefragt und tausende Existenzen vernichtet werden, werden wir kämpfen."
    15.000 Betroffene
    Eine Vereinigung der Straßenhändler hat sich bereits gebildet mit 300 Mitgliedern. Apeng leitet die Gruppe:
    Demonstrantinnen gegen die Schließung des Rotlicht-Viertels in der Altstadt von Surabaya, der zweitgrößten Stadt Indonesiens. Sie verbergen sich hinter Mundschutz und rosa Mappen. 
    Demonstrantinnen gegen die Schließung des Rotlicht-Viertels in der Altstadt von Surabaya verbergen sich hinter einem Mundschutz und rosa Mappen. (Udo Schmidt)
    "Von der Schließung sind hier etwa 15.000 Menschen betroffen, ganz viele Familien, die von der Prostitution leben."
    Apeng besitzt einen kleinen Laden mit Haar-Accessoires - Spangen und Spray -, die Prostituierten sind seine Kundinnen:
    "Man kann das Geschäft Prostitution nicht von unserem Geschäft trennen. Wir sind hier voneinander abhängig, das übersieht die Regierung, das übersieht die Bürgermeisterin völlig."
    Es gehe ums Überleben, das sagen alle hier im Rotlichtviertel. Also haben sich hunderte Prostituierte im Herzen von Dolly versammelt und protestieren. Sie wollen sich nicht vertreiben lassen, sie fürchten um ihre Existenz – deshalb tragen sie eine eigene Unabhängigkeitserklärung vor, angelehnt an die Indonesiens.
    Heißes Eisen "Dolly"
    Marwa ist 29, sie lebt und arbeitet in einem der kleinen, heruntergekommenen Bordelle. Ein hellblaues Plüschecksofa ziert den Raum, in dem die Frauen ihre Dienste anbieten, ein Sofa, dem man ansieht, dass es schon sehr, sehr lange dort steht. Marwa arbeitet seit fünf Jahren als Prostituierte:
    "Das ist sicher nicht mein Traum-Job, aber ich brauche das Geld, um meine Familie zu versorgen, und wenn das hier jetzt geschlossen wird, dann werde ich kämpfen."
    Die Bürgermeisterin von Surabaya, Bu Risma, von den Einwohnern der Stadt wegen ihrer handfesten Art geliebt, hat sich nach einigem Zögern an das heiße Eisen gewagt, das Rotlichtviertel, das seit Jahrzehnten das Leben in der Altstadt Surabayas prägt, zu schließen:
    "Das ist eine lange Geschichte. Anfangs habe ich es für keine gute Lösung gehalten, Dolly zu schließen. In meinem ersten Jahr als Bürgermeisterin kamen 20 muslimische (...) Führer zu mir und baten um Schließung. Ich habe damals abgelehnt, weil ich für die Frauen, die Prostituierten, keine Jobs hatte."
    Also organisiert die Stadt jetzt kurze Fortbildungen und bietet Geld an – und Bu Risma macht Dolly dicht. Sie habe sich aber nicht den muslimischen Autoritäten gebeugt, sagt die Bürgermeisterin, die Kopftuch trägt, sie wolle vor allem die Kinder im Viertel schützen und den Kindern der Prostituierten eine Perspektive bieten.
    "Ich bin meinem Herzen gefolgt und habe vor allem an das Schicksal der Kinder gedacht. Meiner Meinung nach dürfen Kinder nichts mit einer Welt wie in Dolly zu tun haben. Also habe ich mich an die Familien gewandt, an die Schule. Dort habe ich auch mehrere Male unterrichtet und festgestellt, dass bestimmte Kinder Probleme haben."
    Kinder aus schlechtem Umfeld
    Dass es Schwierigkeiten mit den Kindern der Prostituierten gibt und auch mit denen, die mit dem Milieu in Berührung kommen, bestätigt Siti Furqonuayah, Direktorin der Putat Jayah V.-Grundschule am Rande Dollys.
    "Es ist schon eine wirkliche Herausforderung: Die Kinder aus dem Viertel, vor allem die Kinder der Prostituierten, sind schwer zu bändigen. Sie sind nicht diszipliniert, es gibt einfach zu viel Einfluss aus dem Dolly-Umfeld, sie kommen morgens nicht zum Unterricht, sie machen keine Hausaufgaben, sie brechen sogar die Schule ab."
    Also bietet die Direktorin den Schülern der kleinen Elementarschule mehr Sport und Spaß an, als es der offizielle Lehrplan vorsieht. Hauptsache, die Dolly-Kinder bleiben dabei und kommen am nächsten Tag wieder:
    "Die Kinder brauchen einfach mehr Fürsorge und Aufmerksamkeit, also machen wir mit ihnen alles, was sie davon abhält, auf der Straße herumzuhängen."
    Die Direktorin möchte noch auf etwas hinweisen. Die Eltern der meisten Kinder seien nicht unbedingt Prostituierte oder Zuhälter, sondern im Viertel, im Umfeld der Prostitution, beschäftigt. Sie verkaufen Essen, betreiben Wäschereien und bieten Fahrdienste an. Aber für die Kinder sei das zu nah am Rotlicht-Milieu.
    Unterstützung von außerhalb
    Die Bürgermeisterin und die Schuldirektorin erhalten viel Unterstützung in der Bevölkerung außerhalb des Rotlichtmilieus. Ninik ist ebenfalls Lehrerin, allerdings in einer Schule weit vom Dolly-Bezirk entfernt:
    "Ich stimme 100 Prozent mit der Bürgermeisterin überein. Wir müssen verhindern, dass Kinder Zugang zu Rotlicht-Bezirken bekommen, wir müssen verhindern, dass sie dort Erfahrungen machen, die ihnen schaden."
    13 Millionen Rupien, umgerechnet knapp 800 Euro, verdienen die Frauen in guten Monaten im Rotlichtviertel – mit fünf Millionen Rupien, rund 300 Euro, als Grundstock sollen sie sich nun eine neue Existenz aufbauen, so das Angebot der Stadt. Nicht genug für die meisten, um wirklich auszusteigen.
    Die meisten Frauen, sagt die Ärztin Esthy Yuliana, zu der die Prostituierten regelmäßig kommen, hätten nichts gelernt, seien kaum zur Schule gegangen – man könne sie nicht in nur drei Tagen auf ein neues Leben vorbereiten:
    "Als Frau und Indonesierin bin ich für die Schließung des Viertels, als Ärztin bin ich dagegen. Die Frauen sind ungebildet, die meisten können nicht einmal ihren Namen schreiben, sie leben unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen. Wenn man ihnen fünf Millionen Rupien gibt und sonst nicht viel bietet, dann machen sie irgendwo anders weiter, in ihren Dörfern, im Verborgenen, und wir können nichts mehr für sie tun, es gibt keine Kontrolle mehr."
    Mit der Schließung des Rotlichtviertels, sollte sie wirklich durchgesetzt werden, wird die Diskussion um Prostitution in Indonesien nicht beendet sein.
    "Sünde" Prostitution im Islam
    Die führenden Köpfe der muslimischen Ulama-Gemeinschaft von Ost-Java geben sich moderat, beim Thema Prostitution hört ihr Verständnis allerdings auf. Kyai Abdusshomad Buchori leitet die Ulama East-Java. Er sitzt an einem großen, schwarzlackierten Schreibtisch, dessen ästhetische Klarheit durch keine Computer, nicht einmal durch einen Aktendeckel gestört wird.
    "Prostitution verletzt die elementaren Regeln des Zusammenlebens der Indonesier, bei denen der Islam eine große Rolle spielt. Prostitution ist kein Beruf, keine Arbeit, sie ist moralisch verwerflich, eine Sünde, und sie ist illegal. Wir begrüßen natürlich die Schließung, vor allem auch, um die junge Generation davor zu bewahren, mit Prostitution in Berührung zu kommen."
    Pokemon, der Kaffee- und T-Shirt-Verkäufer sieht das selbstverständlich anders. Keine Frau wolle sich prostituieren, es gebe immer ökonomische Gründe, aber so sei es nun einmal, sagt er:
    "Natürlich ist Prostitution ein Teil der Gesellschaft, deshalb wollen wir auch ein Teil der Gemeinschaft in Surabaya sein. Wir sind keine schlechten Menschen, wir fordern Gleichheit mit allen anderen."
    Nicht weit vom Rotlicht-Viertel Dolly entfernt steht ein kleines Haus, in dem Lilik Sulistiowaty, kurz Bu Vera, mit ihrer Abdi Asih-Stiftung Trainingsprogramme für Prostituierte anbietet, die aussteigen wollen. Bu Vera kümmert sich seit 30 Jahren um die Frauen, von denen die meisten aus Not in einem der Bordelle landen:
    "Als vor langer Zeit mein Mann starb, musste ich plötzlich um meine Existenz kämpfen. Mir war klar, dass Prostitution nicht die Lösung ist. Dann habe ich dann begonnen, Trainingsprogramme für die Frauen anzubieten."
    Mal eben fünf Millionen Rupien und einen Drei-Tage-Crash-Kurs, wie die Stadt es jetzt plant, reiche nicht, um die Frauen, von denen viele Kinder versorgen müssten, auf ein anderes Leben vorzubereiten, meint auch Bu Vera:
    "Mein Schicksal wenden"
    Parmi ist eine der Frauen, die bereits den Absprung geschafft haben und ausgestiegen sind. Sie sitzt an einem wackligen Holztisch im Büro von Bu Vera und breitet ihr Leben aus. Mit 35, erzählt sie, sei sie Prostituierte geworden, es gab keine andere Möglichkeit, Geld zu verdienen - und von einer Freundin hatte sie von Dolly gehört:
    Im indonesischen Surabaya protestieren Prostituierte für den Erhalt ihres Rotlicht-Viertels. Sie stehen in Reih und Glied, viele von ihnen verstecken ihr Gesicht hinter Atemmasken, Sonnenbrillen und unter Mützen. 
    Im indonesischen Surabaya protestieren Prostituierte für den Erhalt ihres Rotlicht-Viertels. (Udo Schmidt)
    "Ich wollte damals mein Schicksal wenden, mehr Glück haben, im Dorf gab es keine Möglichkeit, Geld zu verdienen."
    Parmi hatte vier Kinder und zwei Geschwister durchzubringen. Jeden Monat schickte sie Geld nach Hause, sie war in all den Dolly-Jahren nie wieder in ihrem Heimatdorf.
    Inzwischen sind ihre Kinder erwachsen, zwei bereits verheiratet. Darüber wie sie ihr Geld verdient hat, wie sie es schaffte, die Schulzeit der Kinder zu finanzieren, sei in der Familie nie gesprochen worden, sagt Parmi nachdenklich:
    "Wahrscheinlich wissen meine Kinder inzwischen, womit ich mein Geld verdient habe, aber ich habe mich damals entschieden, nie darüber zu sprechen."
    Parmi ist gläubige Muslimin, sie hält sich an die Regeln, die ihr Glaube verlangt, trägt ein streng gebundenes Kopftuch und betet täglich. Als Prostituierte, erzählt Parmi, habe sie natürlich Kompromisse eingehen müssen:
    "Ich bin mit religiösen Werten aufgewachsen. Ich wusste immer, dass Prostitution Sünde ist, das war auch ein Motiv aufzuhören. Die Frauen in Dolly sind auch religiös, aber sie haben vielleicht noch nicht die richtige Erkenntnis erlangt."
    Nähen und Backen
    Jetzt näht Parmi und backt kleine Kuchen, die sie an einem Straßenstand verkauft. Sie könne davon gut leben, sagt die 50-jährige, aber auch nur, weil sie die Kinder nicht mehr unterstützen müsse.
    "Ich habe jetzt viel mehr Freiheit, kann selber entscheiden, niemand macht mehr Druck."
    Parmi schwärmt von der Ausbildung, die sie durch Bu Veras Stiftung erhalten hat, sie ist froh, mit Dolly nichts mehr zu tun zu haben, trotzdem ist gegen die Pläne von Bürgermeisterin Bu Risma, weil die Prostituierten keine Alternative haben.
    Zum Ulama-Gelehrten Kyai Abdusshomad Buchori jedenfalls können die Frauen nur gehen, wenn sie der Prostitution abgeschworen haben. Dann, meint der Mann mit der freundlichen, aber donnernden Stimme, könnten sie Hilfe erwarten, aber nur dann:
    "Prostitution ist eine Sünde, in jeder Religion, Ehebruch ist ungesetzlich, das können wir nicht akzeptieren. Ehebruch ist natürlich meistens eine ganz private Sache, aber im Dolly-Rotlicht-Viertel findet das alles öffentlich, unter den Augen aller, statt, es wirkt dann so, als wäre es ganz legal. Und dann meinen viele, dass es wohl schon in Ordnung ist, zu Prostituierten zu gehen und Ehebruch zu begehen. Ost-Java mit seiner großen muslimischen Gemeinde ist vor allem bekannt für seine Rotlicht-Viertel, das ist peinlich für uns alle. Wir müssen unsere Nation auf einer moralisch sauberen Basis aufbauen."
    Die dunkle Seite jeder Stadt
    Iva Sadili betreibt ein kleines Restaurant, weit weg vom Rotlicht-Bezirk. Die 45-jährige möchte, dass Surabaya eine moderne Stadt wird – und deshalb ist sie ganz anderer Meinung als der Ulama-Gelehrte. Dolly sei die dunkle Seite von Surabaya, jede Stadt habe eine solche dunkle Seite, das könne und müsse man nicht ändern, sagt Iva:
    "Es gibt das Rotlicht-Viertel seit mehr als 40 Jahren, die Infrastruktur dort ist gut, die Gesundheitskontrolle funktioniert, die AIDS-Rate ist gering. Man sollte es so lassen. Surabaya ist eine Durchgangsstadt mit einem großen Hafen. Es wird hier immer Prostitution geben. Wenn man Dolly schließt, dann eben heimlich in Hotels, was viel gefährlicher ist. Ich habe selber Kinder und glaube nicht, dass Dolly moralisch so bedrohlich ist. Die Jugendlichen heute wissen so viel über Sex, sie haben eigene Erfahrungen auch ohne Dolly."
    Marwa, der 29-jährigen Prostituierten, die auf dem schmutzigen Plüschsofa in einem der vielen Bordelle im Dolly-Bezirk sitzt, geht es nur um eines; weiter machen zu können, um ihre zwei Kinder, die bei ihren Eltern leben, durch die Schulzeit zu bringen:
    "Ich habe schon einmal versucht, als Maid, als Hausangestellte, zu arbeiten, aber das Geld hat nie gereicht, das ich dort verdient habe. Hier bin ich jetzt wirklich zufrieden."
    Sagt Marwa, steht auf und steigt eine schmale Treppe hinauf, entlang an einer unverputzten Wand. Dort oben, in ihrem kleinen Zimmer, empfängt sie in manchen Nächten zehn Freier, muslimische Männer, deren Bedürfnis, über die Sünde Prostitution zu reden, nicht groß ist.
    "Prostitution gibt es überall auf der Welt, ob nun Dolly in Surabaya geschlossen wird oder nicht."
    Sagt Parmi, die ehemalige Prostituierte.
    "Ich unterstütze die Schließung des Rotlicht-Bezirks hundertprozentig, damit sich das Image Surabayas bessert, damit es sauberer wird und nicht immer mit Prostitution in Verbindung gebracht wird."
    Meint der 19-jährige Design-Student Akbar, der auf der Einfassung eines Brunnens in Surabayas Bungkul-Park sitzt und zeichnet. Der 19-jährige ist Teil der Generation, die das Rotlicht-Viertel, so zumindest die Sorge von Bürgermeisterin Bu Risma, in Versuchung zu führen droht.