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Protest gegen den gemischten Strafvollzug

Die SPD-Ratsmehrheit in Hamburg hat bereits beschlossen, dass 60 Frauen in ein bisher reines Männergefängnis mit 550 Insassen umziehen sollen. 900.000 Euro jährlich sollen dadurch gespart werden. Doch die Opposition und Strafvollzugsexperten kritisieren das Vorhaben.

Von Axel Schröder |
    Moderner Strafvollzug ist funktional, grau und trist. Sechs Meter hoch ist die glatte Betonmauer rings um das Areal der Justizvollzugsanstalt Billwerder am Hamburger Stadtrand. Cornelia Ernst ist stellvertretende Leiterin der JVA. Ein dicker Schlüsselbund in der Hand, den Mantelkragen hochgeschlagen, führt sie über den weiten Hof. Und erklärt, wie 60 Frauen in diesem Knast untergebracht werden sollen, in dem bereits 550 Männer einsitzen:

    "Wir werden auch da einen Sichtschutz ziehen. Damit, falls die Frauen dieses kleine Spielfeld benutzen wollen zum Fußball- oder Handballspielen, das auch machen können. Die bekommen aber hinter dem Gebäude einen Beachvolleyball-Platz. Hier wird es dieses Kleinspielfeld geben, die Sitzgruppe, den Kinderspielbereich."

    Obwohl Strafvollzugsexperten und die Opposition in der Hamburger Bürgerschaft protestieren: Der Frauenknast Hahnöversand soll aufgelöst werden, die weiblichen Häftlinge will Justizsenatorin Jana Schiedek hinter den Betonmauern in Billwerder unterbringen. Ihr Argument: Hier steht eines von drei Hafthäusern leer. 900.000 Euro jährlich will sie durch die Verlegung einsparen. Cornelia Ernst von der JVA Billwerder sieht in einem gemischten Knast, in dem die Geschlechter strikt voneinander getrennt leben, keine Probleme:

    "Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wenn gesagt wird, die Frauen laufen hier Gefahr, ihren Peinigern ausgesetzt zu werden. Hier wird niemand den Peinigern ausgesetzt. Denn wir müssen auch jetzt schon drauf achten, dass zum Beispiel schwache Gefangene nicht von anderen, die ihre Machtstellung ausnutzen, unterdrückt werden. Das ist auch jetzt schon unser täglich Brot."
    Trotzdem kritisieren alle Hamburger Oppositionsparteien die Umzugspläne: Linkspartei und CDU, Grüne und FDP sind sich einig: Die alte Frauenhaftanstalt auf der Elbinsel Hahnöfersand soll erhalten bleiben. Anna von Treuenfels von den Liberalen:

    "Ich bin ja in Hahnöfersand gewesen und habe dort mit den Frauen gesprochen. Und die waren alle beseelt von dem Gedanken, dass sie in Hahnöfersand bleiben wollten, weil das ja auch eine sehr ländliche Gegend ist. Das ist wirklich ein Unikum hier in Hamburg. Das hat einen inselartigen Charakter und das ist für die ein Schutzraum, in dem sie sich sozusagen ihrer Vergangenheit, sowohl ihrer Straftaten wie auch ihrer Vergangenheit – die ja meistens durch Gewalt geprägt ist – auch wirklich widmen können. Und genau das geht in Billwerder mit Sicherheit nicht. Weil das einfach riesengroß ist, weil hohe Mauern drum herum sind. Und weil es eben auch eine Haftanstalt für Männer ist."

    Immer wieder hat die Opposition nachgehakt: Die inhaftierten Frauen selbst sollten befragt, zumindest ihre Briefe in der Bürgerschaft verlesen werden. Die in Hamburg mit absoluter Mehrheit regierende SPD stimmte dagegen, ließ den Inhalt der Briefe aus Hahnöfersand aber protokollieren.

    Hier können sich die Frauen frei bewegen. Wie in ihrer Freizeit, in der sie sich im ganzen Haus frei bewegen können. Und alle Gänge, zum Beispiel Pola-Ausgabe, Ärzte, Gruppenaktivitäten, Pfarrer, externe Hilfsangebote, Gottesdienste, Wäschetausch, Einkäufe und mehr allein bewerkstelligen. Dieses wird so in Billwerder nie funktionieren.

    Eine andere Gefangene befürchtet:

    Ständige sexuelle Belästigungen wären an der Tagesordnung. Das kennen die Frauen schon aus dem Untersuchungsgefängnis.

    Die Befürworter des Umzugs verweisen darauf, dass andere Frauen in Hahnöversand den Umzug positiv sehen - die Verkehrsanbindung sei dort viel besser und die Möglichkeiten der Resozialisierung vielfältiger. Außerdem gebe es in der Bundesrepublik bereits erfolgreiche Beispiele für den gemischten Vollzug.

    Gerhard Rehn allerdings ist skeptisch. In Flächenländern könne das sinnvoll sein, sagt der Hamburger Experte für Strafvollzug.

    "Wenn man aber, so wie in Hamburg, eine selbstständige Teilanstalt für Frauen hat, was unbestritten bei allen Fachleuten die bessere Lösung ist, jedenfalls als Eingangstor, als Zufluchtsstätte am Anfang dieses Frauenvollzuges. Dann besteht gar kein Grund, darauf zu verzichten, nur weil irgendwo in Deutschland eine zweit- oder drittbeste Lösung auch funktioniert."

    Rehn hält es auch gar nicht für erwiesen, dass durch den Umzug der inhaftierten Frauen wirklich Geld gespart wird. Immerhin kosten auch die geplanten Sichtschutzmauern Geld. Die ständige Begleitung der Frauen in Billwerder binde zusätzliches Personal und das Hafthaus für die Frauen würde dort von einer eigenen Anstaltsleitung verwaltet. Senatorin Jana Schiedek aber will ihre Meinung nicht ändern:

    "Ich bleibe dabei: Wir haben ein schlüssiges Gesamtkonzept. Um in Zukunft modernen Justizvollzug zu angemessenen Kosten zu gewährleisten. Und wer sich dem in der Weise verschließt, ohne auch nur den Ansatz einer sinnvollen und finanzierbaren Alternative zu nennen, verweigert sich entweder der Aufgabe und erzählt wirklich Märchen."

    Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz steht hinter seiner Senatorin für Justiz und Gleichstellung. Er hält die Aufregung um die Frauen von Hahnöfersand für übertrieben:

    "Das gibt es auch anderswo. Und wenn es eingerichtet sein wird, wird sich kaum einer daran erinnern, dass jemand sich darüber beschwert hat."

    Am Ende wird Scholz damit wohl Recht behalten. Denn der Umbau in Billwerder wird dauern. Und die meisten Frauen, die heute in Hahnöfersand einsitzen, werden noch vor dem Umzug entlassen.