Archiv


Protest gegen englische Sprache an französischen Unis

Ein neues Hochschulgesetz sollte französischen Universitäten Vorlesungen in englischer Sprache ermöglichen. Kritiker laufen gegen eine angebliche Marginalisierung der französischen Sprache Sturm.

Von Ursula Welter |
    Frankreichs Staatspräsident hat, wie es sich gehört, eine Eliteschule besucht und viele seines Jahrgangs, der "Promotion Voltaire", in hohe Posten gehoben. Englisch sprechen nur wenige perfekt, auch der Staatspräsident nicht, aber er bemüht sich stets.

    Das Internetportal "rue 89" widmete gerade erst eine dreiteilige Serie der Frage, "warum sprechen wir Franzosen Englisch wie die Anfänger". Und tröstete das heimische Publikum mit der Erklärung, dass es die Nordländer da prinzipiell eben leichter hätten. Andere meinen, die Puristen hätten auch hier Schaden angerichtet, denn die Angst, sich sprachlich zu blamieren, sitze bei französischen Schülern einfach zu tief.

    Die Scheu vor der englischen Sprache spielt also auch mit, wenn jetzt von links bis rechts Front gemacht wird gegen Artikel 2 des geplanten Hochschulgesetzes, das gerade in der Nationalversammlung beraten wird.
    Forschungsministerin Geneviève Fioraso, von Beruf ursprünglich Englischlehrerin, Ministerin Fioraso möchte das Tor, das das gallische Dorf von der Welt trennt, aufstoßen. Auch die Universitäten sollen mehr Kurse in englischer Sprache anbieten. Was die Fachschulen und Eliteschulen könnten, dürfe den Universitäten nicht verwehrt sein: "Égalité" verpflichtet.

    "Ich staune", sagt die Ministerin, "dass ausgerechnet den Schülern aus minderbemittelten Familien, die meist an die Universitäten und nicht an die Elitehochschulen gehen, der Zugang zu anderen Kulturen versagt werden soll."

    Unterrichts- und Prüfungssprache an französischen Hochschulen ist grundsätzlich Französisch. Das legt ein Gesetz von 1994 fest, das den Namen des damaligen Ministers Toubon trägt. Toubon wollte, wie viele vor und nach ihm, die französische Sprache vor der angelsächsischen Invasion schützen, und wurde deshalb gerne auch "Mister Allgood" gerufen.

    Allerdings sieht auch das Gesetz "Toubon" Ausnahmen von der Regel vor. Ist der Studiengang international ausgerichtet oder sollen ausländische Studenten angeworben werden, dürfen die Kurse in englischer Sprache angeboten werden. 800 Kurse sind es landesweit bereits, ohne dass die Frankophonie nachhaltigen Schaden erlitten hätte.

    Nur Frankreichs staatliche Universitäten hinken hinterher. Mehr als die Hälfte der Studierenden wird dort ausgebildet, aber nur gut 180 Kurse gibt es in englischer Sprache, etwa der Genetikkurs an der Universität Paris Diderot von Alain Zider

    "Wissenschaft ist Netzwerkarbeit. Das spielt sich nicht nur in Frankreich ab, da braucht es gemeinsame Kommunikationsmittel. Und das ist das Englische - da haben wir keine andere Wahl."

    Kaum aber, dass Madame la Ministre ihr Hochschulgesetz vorgestellt hatte, das inhaltlich sehr viel mehr bietet als nur eine Regel für englischsprachige Kurse an den Universitäten, mahnte die "Académie Française": Vorsicht, was hier nach technischer Regelung klingt, droht unsere Sprache zu marginalisieren.

    Die Gewerkschaften riefen zum Streik auf, die konservative Opposition fordert, Artikel 2 ganz aus dem Hochschulgesetz zu streichen. Und rund 40 Parteifreunde der sozialistischen Ministerin setzten durch, dass der fragliche Artikel eingezäunt wurde: Wer englischsprachige Kurse anbieten will, muss nun eine Kooperation mit einer ausländischen Universität vorweisen oder Gelder aus Brüssel beziehen.

    Die Kritiker beruhigt das nicht. Mit der "Académie Goncourt" im Rücken rief der Publizist Bernard Pivot, das Französische verkomme zu einer "banalen Sprache", schlimmer noch, zu einer "toten Sprache", zöge das Englische in die Universitäten ein. "Kämpfen wir für unsere Sprache", sekundierten namhafte Linguisten, es gehe um eine "Frage der Identität".

    Gut nur, dass die zuständige nationale Kommission zum Schutz der französischen Sprache auf Linie bleibt. Sie hat vor Kurzem festgelegt, dass selbst in der zwitschernden Internetwelt für Frankreich andere Gesetze gelten: Das Doppelkreuz "Hashtag" heißt seither offiziell "Mot-dièse".
    "What does it mean", twitterte da ein irritierter Student von der anderen Seite des Ärmelkanals.