Der Frust vor dem Bundesbildungsministerium in Berlin ist groß. Knapp zwei Dutzend wissenschaftliche Mitarbeiter, Lehrbeauftragte, Privatdozenten und Studenten haben sich versammelt, um gegen die Zunahme der befristeten Verträge für die wissenschaftlichen Mitarbeiter an den Hochschulen zu demonstrieren. Im Rahmen der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder tagen heute die Staatsekretärinnen und -sekretäre, um über die Mittel aus dem Hochschulpakt und die aus Qualitätspakt für die Lehre zu verhandeln.
In drei Förderperioden fließen seit 2007 mehr als 20 Milliarden Euro, zu denen die Länder ihrerseits nochmal fast die gleiche Summe beitragen. Diese Mittel sollen jetzt verstetigt werden. Bisher seien aber mit dem Geld 80 Prozent der Verträge mit wissenschaftlichen Mitarbeitern der Hochschulen nur befristet geschlossen worden, so Stefanie Sonntag von der GEW:
"Unsere Forderung ist, dass die neuen Hochschulpaktmittel, die jetzt unbefristet vergeben werden sollen, zu 100 Prozent für Dauerstellen eingesetzt werden, um hier endlich eine Trendwende hin zu mehr unbefristeten Stellen an den Hochschulen zu schaffen."
Bezahlung - in der Regel nur über Drittmittel
Denn für die Mitarbeiter der Hochschulen sei die Situation außerordentlich belastend. Peter Ullrich ist Soziologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Berlin. Er ist über 40, seit zwölf Jahren promoviert und hatte seitdem mehr als zehn Arbeitsverträge mit einer Laufzeit zwischen drei Jahren und wenigen Monaten mit unterschiedlichen Umfängen zwischen 40 und 100 Prozent. Die Mittel für die Bezahlung seiner Tätigkeit muss er in der Regel als soggenannte Drittmittel selber einwerben:
"Ich nenne mich immer einen sequentiellen Drittmittel-Scheinselbstständigen. Das heißt, gerade bin ich z.B. selbstständig tätig. Ab nächstem Monat habe ich wieder ein Projekt, was für ein Jahr lang läuft auf einer halben Stelle. Es kann nicht sein, dass die hunderttausenden Beschäftigten in der Wissenschaft nicht wie andere auch so grundlegende Menschenrechte haben wie eine irgendwie planbare Perspektive, die es erlaubt, Sorgebeziehungen einzugehen, ob das zu pflegende Angehörige sind, ob das Kinder sind, was auch immer. Wissenschaftler sind gezwungen, den Jobs hinterher zu reisen in der Situation ihrer prekären Mobilität. Und das finde ich, ist einfach nicht mehr akzeptabel."
Zeitvertäge gefährden auch die Lehre
Gute Lehre sei eine Daueraufgabe der Hochschulen und nur zu gewährleisten, wenn die Hochschulen dabei auch auf dauerhaft beschäftigtes Personal setzen könnten, so Stefanie Sonntag. "Für die Universität ist das in jedem Fall eine Planungssicherheit, dass sie Lehre mit Kontinuität auf Dauerstellen absichern können, insofern ist das für die Hochschulen in jedem Fall ein Vorteil."
Denn die Zahl der Studienanfänger wächst. Über eine halbe Millionen Studienanfänger kommen derzeit pro Jahr neu an die Hochschulen. Als der Hochschulpakt startete, waren es gerade mal 350.000. Unter den kurzen Vertragslaufzeiten der Beschäftigten leiden auch die Studierenden, sagt Isabell Schön vom FZS, dem freien Zusammenschluss der Studentinnenschaften, der die Initiative "Frist ist Frust" unterstützt.
"Wenn man am Ende des Semesters eine Hausarbeit abgeben möchte und die Lehrenden entweder die Frist total kurz setzen oder gar nicht wissen, ob sie sie noch korrigieren werden, weil sie nicht mehr angestellt sein werden. Also wenn man nicht besteht, hat man keine Chance, das bei der gleichen Lehrperson nochmal zu wiederholen."
Begrenzte Lehrverpflichtung, nicht nur für Professoren
Das Bündnis "Frist ist Frust" fordert neben Dauerstellen aus den Mitteln des Hochschulpaktes auch eine Begrenzung der Lehrverpflichtung auf acht Semesterwochenstunden für alle Lehrenden, nicht nur für die Professoren, sagt Stefanie Sonntag: "Das ist ein Lehranteil, in dem ich Forschung und Lehre so kombinieren kann, dass ich auch immer wieder Lehre mit Forschung befruchten kann und deshalb ist unsere Forderung acht Semesterwochenstunden."
Dem Bündnis "Frist ist Frust" geht es um faire Arbeitsbedingungen für die Lehrenden an den Hochschulen und gute Bedingungen für die weiter wachsende Zahl von Studierenden.