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Protest wegen Rentenkürzungen

Voraussichtlich werden Tausende Schulen geschlossen bleiben, an den Flughäfen wird es zu langen Wartezeiten kommen. Der Grund: Beschäftigte des öffentlichen Dienstes wenden sich gegen die Rentenpläne der Regierung.

Von Jochen Spengler | 30.11.2011
    Zum dritten Mal in diesem Jahr werden britische Bürger gegen die Sparpolitik der konservativ-liberalen Regierung demonstrieren. Ian, Gefängniswärter aus Liverpool, war im März einer von vielen auf Londons Straßen:

    "To show the government that we are not sitting back."

    Im Juni protestierte Rachel, eine junge Ärztin aus Brighton, gegen das exzessive Ausmaß der Kürzungen:

    "I am demonstrating because the cuts the government are proposing are really excessive."

    Waren es im März und im Juni Hunderttausende, so sollen sich heute zwischen zwei und drei Millionen am nationalen Streiktag beteiligen. 33 Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes haben zum größten Ausstand seit einer Generation aufgerufen. Brendan Barber, Chef des Gewerkschaftsdachverbandes TUC:

    "Die große Mehrheit wird in der Vergangenheit wahrscheinlich noch nie an einem Streik teilgenommen haben. Auch die meisten der engagierten Gewerkschaften haben seit Jahrzehnten keine Urabstimmungen organisiert. Die Regierung hat das Vertrauen ihrer öffentlichen Bediensteten verloren. Sie muss zeigen, dass sie es zurückgewinnen will."

    Doch die Fronten sind verhärtet und so dürfte es heute zu erheblichen Behinderungen des öffentlichen Lebens kommen. Zwei Drittel der Schulen dicht, nur das Nötigste wird in Krankenhäusern und Gefängnissen verrichtet. Das größte Chaos wird auf den Flughäfen erwartet: Allein Heathrow rechnet mit Verspätungen von bis zu zwölf Stunden. Finanzstaatssekretär Danny Alexander:

    "Natürlich haben wir als Regierung Notfallpläne in der Schublade und prüfen, inwieweit wir zusätzliches Personal an die Grenzkontrollstellen beordern, um die Dienste aufrecht zu erhalten. Aber um realistisch zu sein. Wenn alle Gewerkschaftsmitglieder streiken, dann wird das große Folgen für unsere Wirtschaft haben. Im schlechtesten Fall kostet das Land dies eine halbe Milliarde Pfund."

    Regierungschef David Cameron weiß, wem er in dieser ohnehin schwierigen Wirtschaftslage den Schwarzen Peter zuspielen wird:

    "Jedem sollte klar sein, dass es zu großen Störungen kommen wird und die Verantwortung dafür liegt eindeutig bei den Gewerkschaftsführern, die sich für einen Streik entschieden haben, obwohl die Verhandlungen noch im Gange sind. Das ist unverantwortlich, es ist falsch und die Menschen sollten wissen, wer die Schuld trägt."

    Doch einer BBC-Umfrage zufolge hält eine Mehrheit von über 60 Prozent der Briten die Streiks für gerechtfertigt. Konkreter Anlass ist die von der Regierung geplante Rentenreform für den öffentlichen Dienst, über die seit einem Jahr verhandelt wird. Die Pensionen belasten die öffentlichen Haushalte mit derzeit 38 Milliarden Euro – Tendenz steigend. Deswegen sollen die öffentlich Bediensteten künftig für dieselbe Pension statt sechs Prozent vom Brutto neun Prozent in die Rentenkasse zahlen und bis 67 arbeiten. Gewerkschaftschef Mark Serwotka hält das für unfair:

    "Kein einziger Penny, der verlangt wird, geht in irgendeinen Pensionsfonds. Er fließt direkt in den allgemeinen Haushalt. Es geht nicht um faire Renten, sondern um eine Steuer für Niedrigverdiener im öffentlichen Dienst."

    Doch die Regierung weist diese Argumente zurück. Niedrigverdiener müssten gar keine höheren Rentenbeiträge zahlen, sagt Schul-Staatssekretär Nick Gibb und ergänzt:

    "Niemand, der zehn Jahre vor der Rente steht, wird zusätzlich zur Kasse gebeten. Ich glaube wir haben ein für den Steuerzahler und den Staatsbediensteten faires Angebot auf dem Tisch."

    Zudem die staatliche Rente eines in der Privatwirtschaft Beschäftigten deutlich niedriger liege als im öffentlichen Dienst.

    Doch auch dort ist die monatliche Durchschnittsrente von rund 750 Euro nicht gerade üppig. Zum Vergleich: Die Direktoren der 100 wichtigsten britischen Unternehmen erwartet eine monatliche Privatrente von 23.000 Euro.