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Protestanten in der Ukraine
Ideologische Grabenkämpfe in der evangelischen Kirche

Viele Millionen Euro hat die Evangelische Kirche in Deutschland in den vergangenen Jahren in die Ukraine gesteckt, genauer: in die Deutsche Evangelische Kirche der Ukraine. So sollten Gemeinden nach der Zeit des Kommunismus wieder aufgebaut werden. Doch jetzt tobt ein erbitterter Streit. Es geht um Korruptionsvorwürfe, Vertrauensverlust und einen Todesfall.

Von Florian Kellermann |
    Lutheranische Kirche in Kiew, Außenansicht
    Die Lutheranische Kirche St. Katharinen in Kiew (imago/Sergienko)
    In der evangelischen Kirche in Kiew geht es hoch her: Das historische Gebäude ist so voll wie sonst bei keinem Gottesdienst. Die Versammelten beschließen, aus dem deutsch-lutherischen Kirchenverband in der Ukraine, kurz DELKU, auszutreten.
    Deren Bischof und seine Getreuen hätten den Kiewer Pfarrer drangsaliert und so in den Tod getrieben, meint die 77-jährige Tatjana Terjoschina. Der aus Deutschland entsandte Geistliche starb vor wenigen Wochen an einem Herzinfarkt:
    "Sie sind schuld. Er war sportlich, er war Wanderer, seine Gesundheit war in Ordnung, das wollte ich sagen."
    Die in der Kiewer Kirche Versammelten stehen auf der Seite der EKD, der Evangelischen Kirche in Deutschland, die früher eng mit der DELKU verbunden war. Pfarrer aus der Bayerischen Landeskirche wurden regelmäßig in die Ukraine entsandt, sie amtierten als Bischöfe der DELKU in Odessa. Doch mit dem neuen, 2013 gewählten Bischof wurde alles anders. Sergej Maschewski ist in Kasachstan geboren. Er warf der EKD vor, korrupte Strukturen in der ukrainischen Kirche zu decken.
    "Der ehemalige Vorsitzende der Synode und der ehemalige Leiter der Bischofskanzlei haben sich bereichert. Ich weiß nicht, warum die Bayerische Landeskirche sie so stark verteidigt hat."
    "Deutsche lutherische Tradition weiter treiben"
    Die EKD weist diese Vorwürfe von sich. Es kam zum Zerwürfnis zwischen den beiden Kirchen. Auch viele aus der Gemeinde in Kiew sehen es genau umgekehrt. Vielmehr verfolge Bischof Maschewski sein persönliches Interesse, heißt es dort. Er wolle die volle Kontrolle über alle Gemeinden und die DELKU an andere Glaubenstraditionen heranführen. Vor allem an die Missouri-Synode, eine ultrakonservative evangelische Kirche aus den USA, die die Frauenordination ablehnt und nicht dem Lutherischen Weltbund angehört, sagt Tatjana Terjoschina:
    "Wir sind Lutheraner, mein Vater war Lutheraner. Ich will die deutsche lutherische Tradition weiter treiben. Ich will keine amerikanische Missouri-Synode hier haben."
    Die Missouri-Synode ist tatsächlich auf dem Vormarsch - auch in anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion. In Russland ist sie seit 24 Jahren aktiv, zuletzt schloss sich ihr die lutherische Kirche in Sibirien an.
    Exklusive Lage
    Attraktiv an der lutherischen Kirche in der Ukraine sind aber weniger die Gemeinden, die insgesamt wenige Tausend Mitglieder haben, als vielmehr die Immobilien. In Odessa, wo der Bischof residiert, ist die einst ausgebrannte St. Pauls-Kirche wieder aufgebaut worden. In das Gebäude sind Büro- und Konferenzräume integriert, die vermietet werden. Bischof Maschewski, so der Vorwurf, wolle nun auch über die Kirche in der Luther-Straße im Zentrum Kiews verfügen - eine exklusive Lage.
    Maschewski, der bei der Missouri-Synode in den USA studiert hat, räumt ein, dass er die DELKU für andere christliche Traditionen öffnen will. Von unterordnen könne aber keine Rede sein, sagt er. Vielmehr verstehe er die evangelische Kirche in der Ukraine als Brücke zwischen verschiedenen Kulturen.
    Tatsache bleibt, dass die EKD ihren Einfluss auf ihre ehemalige Partnerkirche und ihre Investitionen in der Ukraine verloren hat. In der EKD heißt es, zurzeit werde geprüft, ob die deutsche Kirche wenigstens noch der rebellischen Kiewer Gemeinde beiseite stehen könne.