Die westdeutsche Gesellschaft in den 1960er- und 70er-Jahren war mehrheitlich christlich - ungefähr zur einen Hälfte katholisch und zur anderen evangelisch. Deshalb sticht die folgende Zahl heraus: Fast 70 Prozent der deutschen Linksterroristen stammten aus protestantischen Familien. Einige von ihnen waren die Kinder oder Enkel von evangelischen Pfarrern.
"Alles wird richtig, wenn nur die Überzeugungen richtig sind"
Während es in der Durchschnittsgesellschaft also etwa gleich viele Katholiken wie Protestanten gab, waren überproportional viele Linksterroristen evangelisch sozialisiert. Diese Abweichung ist kein Zufall. Offenbar gibt es so etwas wie ein protestantisches Element im deutschen Linksterrorismus. Einer der ersten, die diesen Zusammenhang von religiöser Prägung und politischer Radikalisierung aufdeckten und beschrieben, war der Soziologe Gerhard Schmidtchen. Anfang der 80er-Jahre untersuchte er im Auftrag des Bundesinnenministeriums die Lebensläufe von Links-Terroristen. In seiner Studie heißt es:
"Die mystische Komponente des deutschen Protestantismus macht sich in der säkularen Erziehung durch die Betonung der Autonomie der eigenen Überzeugungen bemerkbar. Es kommt darauf an, daß man von irgendetwas überzeugt ist."
Der Zwang, sich in Überzeugungen bestätigen zu müssen, mache die Protestanten in ausgeprägtem Maße zu Modernisierern, zu Trendmachern, schreibt Schmidtchen. Die Kehrseite sei eine Verführbarkeit: eine Anfälligkeit für Ideologien.
"Alles wird richtig, wenn nur die Überzeugungen richtig sind; und diese sind richtig, wenn man von ihnen ergriffen ist. Die besondere religiöse Sozialisation oder Desozialisation der deutschen Terroristen öffnete ihr Bewußtsein für neue Inhalte, für die Konstruktion eines absoluten Bewußtseins, das seine Erkenntnisse Wirklichkeit werden lassen muß. Wenn in dieser Lage die Wortmission als unwirksam verworfen werden muß, gibt es nur zwei Wege: entweder die Resignation oder die Mission mit der Waffe."
Mit Brandstiftung gegen die Gleichgültigkeit der Gesellschaft
Wie eine protestantische Sozialisation zum Nährboden für eine terroristische Überzeugung werden kann, wird wohl an keiner Figur so deutlich wie an Gudrun Ensslin, einer Vordenkerin, Mitbegründerin und Terroristin der Roten-Armee-Fraktion. Die RAF war zwischen ihrer Gründung 1970 und ihrer Auflösung 1998 verantwortlich für Sprengstoffattentate, Entführungen und 33 Morde.
Gudrun Ensslin wird 1940 im schwäbischen Bartholomä geboren, als viertes von sieben Kindern; ihr Vater Helmut Ensslin ist evangelischer Pfarrer. Während der NS-Zeit hatte er sich in der oppositionellen Bekennenden Kirche engagiert. Gudruns Elternhaus ist protestantisch-streng, sie selbst ist aktiv in der evangelischen Jugend, verbringt als 19-jährige ein Austauschjahr in einer evangelischen Methodisten-Gemeinde in den USA.
Zurück in Deutschland, nimmt sie ein Lehramts-Studium auf. Sie kommt in Kontakt mit den Ideen der Studentenbewegung, zieht nach Berlin, geht wie Tausende andere Studenten für Reformen an den Hochschulen auf die Straße; sie protestiert gegen Notstandsgesetze und Kapitalismus, und vor allem gegen den Krieg in Vietnam – der für sie und viele in ihrer Generation ein Symbol für Ungerechtigkeit ist, ein Beispiel für die Unterdrückung der Dritten Welt durch den Westen, aber auch für die Gleichgültigkeit der deutschen Gesellschaft.
Doch Gudrun Ensslin will schon bald nicht mehr nur diskutieren und demonstrieren. Sie will nicht länger zusehen, sondern aktiv werden, etwas tun. Ihren Überzeugungen Ausdruck verleihen. Im Frühjahr 1968 legt sie gemeinsam mit dem späteren RAF-Rädelsführer Andreas Baader und zwei weiteren Komplizen Feuer in zwei Frankfurter Kaufhäusern. Die Zeitzünder gehen in der Nacht los, denn Menschen sollen - noch - verschont bleiben. Dennoch ein Gewaltakt. Es sollte ein politischer Akt sein, sagt Gudrun Ensslin damals:
"Womit ich mich niemals abfinden werde, ist, dass ich die Tendenz, in der sich die spätkapitalistische Gesellschaft so ungeheuer deutlich fortbewegt, nämlich hin zum Faschismus - das kann man mit einem Auge sehen, da braucht man gar nicht beide dazu. Und ich sehe nicht ein, warum man das, was man jahrhundertelang getan hat und als falsch erkannt hat, weiter tun sollte. Nämlich so zu tun, als ob man nichts tun könnte.
Ihr Vater, der protestantische Pfarrer, zeigt nach der Kaufhausbrandstiftung in gewissem Rahmen Verständnis für Gudrun Ensslins Motive. Helmut Ensslin spricht wortwörtlich von einer "heiligen Selbstverwirklichung" seiner Tochter:
"Was sie sagen wollte - mit einem Mittel, das wir alle nicht gutheißen – ist doch dies, dass wir, die eine Generation, die erlebt hat, wie im eigenen Namen Völkermord, Judenhass, KZ, und die 1945 mit allen ordentlichen Leuten auch in der Kirche, mit allen wachen Leuten der Meinung waren, dass nun nicht Restauration am Platze ist, sondern Reformation, Neugeburt. Und dass eine Hoffnung nach der anderen zerschlissen worden ist. Und das sind junge Menschen, die nicht gewillt sind, eine Frustration nach der anderen zu schlucken und damit korrumpierte Menschen zu sein."
"Ich werde mich niemals damit abfinden, dass man nichts tut"
Die Kaufhausbrandstiftung ist eine Zäsur für die Studentenbewegung und die Achtundsechziger: Eine kleine Gruppe will es nicht beim friedlichen Protest belassen und erklärt "Gewalt gegen Sachen" zum legitimen Mittel des politischen Protests.
Vor fünfzig Jahren: Im Oktober 1968 müssen sich die Kaufhausbrandstifter vor dem Frankfurter Landgericht verantworten, sie werden zu Freiheitsstrafen verurteilt. Während des Prozesses zeigt sich Gudrun Ensslin als eine Frau, die sich in erster Linie ihrem Gewissen verantwortlich fühlt. So, wie es viele in ihren protestantischen Elternhäusern gelernt haben.
"Und ich werde mich niemals damit abfinden, dass man nichts tut. Ich habe den Richtern gesagt, ich weiß, warum Sie sagen, man kann nichts tun. Weil sie nichts tun können wollen, aber ich will etwas getan haben - dagegen."
Etwas getan haben. Nicht tatenlos zusehen, nicht nur friedlich protestieren, Reden und Handeln in Übereinstimmung bringen: Das "Etwas-tun-Müssen" wird bei Gudrun Ensslin zur Obsession.
"Der Protestantismus und sein anti-hierarchischer Impuls"
"Es war ein religiöser Eifer erkennbar. Gudrun Ensslin hat das nicht aus Gründen der individuellen Selbstverwirklichung getan."
Sagt Tobias Sarx. Der Theologe ist Studienleiter am Predigerseminar der Nordkirche in Ratzeburg. Er beschäftigt sich wissenschaftlich mit der Rolle des Protestantismus in der Studentenbewegung. Vor Kurzem hat er seine Habilitationsschrift veröffentlicht: über das Schlüsseljahr 1968 an theologischen Fakultäten.
"Die Protestanten – das sagt ja schon ihr Name! – sie heißen deswegen Protestanten, weil sie eben protestiert haben auch gegen Ungerechtigkeiten. Der Protestantismus ist eben auch mit einem anti-hierarchischen Impuls versehen."
Das Streben nach dem höheren Wert der Gerechtigkeit sei in der Studentenbewegung und der Außerparlamentarischen Opposition auch die Antwort auf die Verbrechen der Nationalsozialisten gewesen. Psychologisch interpretiert gab es ein Bedürfnis, nachzuholen, was die meisten Eltern versäumt hatten - nämlich aktiven Widerstand zu leisten. Die Vorstellung, für eine höhere, gerechte Sache Gesetze brechen zu dürfen, sei jedenfalls auch bei Gudrun Ensslin dominant gewesen, sagt der Theologe Tobias Sarx:
"Es ging nicht darum, dass sie groß rauskommen wollte. Sondern ihr ging es darum, Ungerechtigkeiten anzuprangern und die Öffentlichkeit aufzurütteln. Und zu sagen: Leute, wacht doch mal auf! Es gibt einfach hier viele Menschen, die unterdrückt werden, und die herrschende Klasse, wie sie damals gesagt haben, nutzt eben ihre Autorität aus, um die Unterdrückten eben still zu halten. Und dieses Streben nach Gerechtigkeit, das ist eben etwas genuin Christliches und auch Protestantisches."
"Kompromisslosigkeit, Unbedingtheit, Entschlossenheit"
Manche seien mit dieser Überzeugung allerdings weit über das Ziel hinausgeschossen.
"Der Protestantismus hat eine gewisse Kultur hervorgebracht, mit gewissen Wert- und Moralvorstellungen. Und wenn es dann eben nicht mehr um die klassischen, christlichen Inhalte geht, dann sucht man sich halt neue Inhalte. Und sie haben dann eben dieses Gefäß benutzt, um neue Inhalte dort hinein zu legen, den Klassenkampf-Gedanken, den Gedanken der unterdrückten Klasse und so weiter. Und dann haben sie eben mit diesen protestantischen Methoden für eine Revolution gekämpft. Da sind neue Inhalte in dieses protestantische Gefäß eingefüllt worden."
Es gibt nur wenige Theologen, die sich mit dem Zusammenhang von Linksprotestantismus und Linksterrorismus wissenschaftlich beschäftigt haben. Tobias Sarx ist einer von ihnen. Die meisten Veröffentlichungen über die Bedeutung der protestantischen Sozialisation in der Studentenbewegung sowie im Linksterrorismus stammen von Wolfgang Kraushaar: Er ist kein Theologe, sondern Politikwissenschaftler und Zeithistoriker. Und er gilt als einer der kundigsten Chronisten von 1968, Studentenbewegung und Roter-Armee-Fraktion. In seinem Buch "Die blinden Flecken der RAF" schreibt Kraushaar:
Es gibt nur wenige Theologen, die sich mit dem Zusammenhang von Linksprotestantismus und Linksterrorismus wissenschaftlich beschäftigt haben. Tobias Sarx ist einer von ihnen. Die meisten Veröffentlichungen über die Bedeutung der protestantischen Sozialisation in der Studentenbewegung sowie im Linksterrorismus stammen von Wolfgang Kraushaar: Er ist kein Theologe, sondern Politikwissenschaftler und Zeithistoriker. Und er gilt als einer der kundigsten Chronisten von 1968, Studentenbewegung und Roter-Armee-Fraktion. In seinem Buch "Die blinden Flecken der RAF" schreibt Kraushaar:
"Als religiös grundiert stechen in der Gründergeneration der RAF die folgenden Merkmale hervor: ihre absolut gesetzte Autonomie, ihr existentiell aufgeladener Dualismus, ihr alles beherrschender Dezisionismus – letztendlich aber ein bedingungsloser Anti-Institutionalismus. Kompromisslosigkeit, Unbedingtheit und Entschlossenheit lauteten die wichtigsten ihrer Losungen."
Kraushaar zufolge spricht viel dafür, dass sich hinter diesen "Varianten des Absoluten" christliche Glaubensgewissheiten verbergen - religiös entkernt und mit revolutionären Pathosformeln gefüttert:
"An die Stelle des Glaubens an Gott ist der Glaube an die Revolution getreten. Die heilige Sache ist nun eine andere geworden, ihre Form freilich die gleiche geblieben. Es ist eine Form der Sakralität."
Der Mensch als "Herr über Leben und Tod"
Wolfgang Kraushaar verweist in seinem Buch auf ein Dokument, das lange Zeit übersehen worden sei. Verfasst hat es die "Subversive Aktion", eine kleine konsum- und gesellschaftskritische Gruppe, die in den 60er-Jahren mit Flugblättern und provokanten Happenings auf sich aufmerksam machte und teilweise identisch war mit den Bewohnern der "Kommune 1", einer politisch motivierten Wohngemeinschaft in West-Berlin. Zu den führenden Köpfen der "Subversiven Aktion" gehörten Dieter Kunzelmann, Bernd Rabehl und der Studentenführer Rudi Dutschke.
Die Subversive Aktion jedenfalls veröffentlichte 1962 das sogenannte "Eschatologische Programm". Darin heißt es, der Mensch müsse sich als "Schöpfer und Zerstörer der Projektion 'GOTT'" verstehen, als "Herr über Leben und Tod", als "Lenker seines Denkens und Wollens". Und weiter wörtlich:
"Ein neuer Daseinsmodus wird sich entwickeln, der dem menschlichen Sein in der eschatologischen Phase neue Grundlagen schafft: Nie war der Einzelne und die Gemeinschaft der Erfüllung so nahe, nie war Da-Sein so gegenwärtig: Lust nie befreiender, Klarheit nie erlösender und Glück nie beglückender!"
Wolfgang Kraushaar, der RAF-Chronist, schreibt dazu:
"Die Absolutheitsvorstellung, die mit dem Gottesbegriff einhergeht, wird in aller Entschiedenheit auf das Individuum übertragen. Ziel ist eine folgenreiche Selbstermächtigung. An die Stelle von Autorität, Ordnung und Vermittlung tritt die absolut gesetzte Freiheit des Einzelnen."
Der Zwang, Reden und Handeln in Übereinstimmung zu bringen
Selbstermächtigung und absolut gesetzte Freiheit des Einzelnen: Diese Beschreibung dürfte auch auf Ulrike Meinhof zutreffen. Eine weitere Führungsfigur der RAF, die ebenfalls aus einer protestantischen Familie stammte - ihr Großvater war Pfarrer, sie selbst Stipendiatin des Evangelischen Studienwerkes. Eine praktizierende Protestantin: Noch als Studentin in Marburg soll sie vor dem Essen in der Mensa gebetet haben. Ihre Überzeugung als Pazifistin begründete sie religiös - zum Beispiel in einem Flugblatt gegen die atomare Aufrüstung in den 50er-Jahren:
"Wir wollen uns nicht noch einmal wegen 'Verbrechen gegen die Menschlichkeit' vor Gott und den Menschen schuldig bekennen müssen."
Wie konnte aus der Pazifistin eine Terroristin werden, die in der RAF die Auffassung vertrat: "Die Bullen sind Schweine, und natürlich kann geschossen werden"?
Offenbar wurde aus der religiösen Prägung eine Hypermoral. Ein Zwang, Reden und Handeln in Übereinstimmung zu bringen. Verbunden mit der Vorstellung, Tyrannenmorde begehen zu müssen, um Unschuldige zu retten. Eine höhere Aufgabe zu haben, um die Menschheit vom Bösen zu erlösen. Und das Böse - das war der Kapitalismus, der Westen, das System, der Krieg in Vietnam. Sich selbst sah man als Opfer des Systems, als Märtyrer. Wolfgang Kraushaar schreibt:
"Die Transzendenz wurde nicht mehr außerhalb der Welt gesucht, sondern in sie hineingetragen. Das galt auch und insbesondere für die Gründergeneration der RAF. Der Schritt in den Untergrund öffnete zugleich die Pforten zu einer protestantisch akzentuierten Zeiterfahrung. Es gab keine Unterscheidung mehr zwischen politischer Praxis und Freizeit. Die Zeit in der RAF war eine durch und durch existentiell aufgeladene Zeit. Sie ähnelte in ihrer Intensität der eines Widerstandskämpfers oder eines Missionars."
"In den Grundfragen sind Christen und Marxisten einig"
Als eine Art Widerstandskämpfer und Missionar wird sich auch Rudi Dutschke verstanden haben, einer der Wortführer des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes SDS. Er wurde nie zum Terroristen, gehörte aber in den 60er- Jahren zu den wichtigsten Vordenkern der Studentenbewegung und der Außerparlamentarischen Opposition. Er war aktiv in der Gruppe "Subversive Aktion" und stellte auch immer wieder die Gewaltfrage. Die Frage also, ob Gewalt gegen Sachen oder Menschen ein legitimes Mittel des politischen Protests sei. In mehreren Debatten schlug er den Aufbau einer Stadtguerilla vor.
Rudi Dutschke stammt ebenfalls aus einer evangelischen Familie, die Mutter galt als ausgesprochen fromm und prägte wesentlich die Erziehung der vier Söhne, während der Vater im Krieg und in Gefangenschaft war. Für den Studentenführer Rudi Dutschke war vor allem Jesus ein wichtiges Vorbild. Er sah in ihm einen Sozialrevolutionär. Gelebtes Christentum bedeutete für Dutschke, die Revolution fortzuführen, politisch zu handeln, die Gesellschaft zu verändern. Am Karfreitag 1963 schreibt er in sein Tagebuch:
"In diesen Stunden verschied keuchend im Morgenlande der Welt größter Revolutionär - Jesus Christus. Die nichtwissende Konterrevolution schlug ihn ans Kreuz. Christus zeigt allen Menschen einen Weg zum Selbst. Diese Gewinnung der inneren Freiheit ist für mich allerdings nicht zu trennen von der Gewinnung eines Höchstmaßes an äußerer Freiheit, die gleichermaßen und vielleicht noch mehr erkämpft werden will."
Christentum und Marxismus: Das passte für Rudi Dutschke zusammen, sagte er 1967 in einem langen Fernseh-Interview dem Journalisten Günter Gaus:
"Heute sind Christen und Marxisten in den entscheidenden Grundfragen, in den emanzipatorischen Grundfragen - Friede! - und es gibt noch andere, da sind wir uns einig. Wir kämpfen für gemeinsame Ziele."
Jesus als Revolutionär
Der Pater in Kolumbien, der an der Spitze der Guerilleros steht und mit der Waffe in der Hand kämpft, sei ebenso ein Christ wie anderswo ein revolutionärer Marxist, sagt Dutschke in diesem Interview. Und er beruft sich auf sein Vorbild Jesus Christus:
"Für mich war die Gottesfrage nie eine Frage. Für mich war immer die entscheidende, realgeschichtliche Frage, was hatte Jesus Christus da eigentlich getrieben. Wie wollte er seine Gesellschaft verändern und welche Mittel benutzte er. Das war für mich immer die entscheidende Frage."
"Der Akt historischer Befreiung erscheint ihm als immanente Notwendigkeit seines Glaubens. In seinen Augen hat Jesus ihm den Weg gewiesen."
Schreibt der Zeithistoriker Wolfgang Kraushaar über Rudi Dutschke.
Dutschke starb an Heiligabend 1979 an den Spätfolgen eines Attentats, das ein rechtsextremer Hilfsarbeiter 1968 auf ihn verübt hatte. Ulrike Meinhof, die Mitbegründerin der RAF, erhängte sich 1976 im Gefängnis. Gudrun Ensslin, die Kaufhausbrandstifterin und RAF-Terroristin, nahm sich 1977, in der sogenannten Todesnacht von Stammheim, gemeinsam mit ihren Komplizen Andreas Baader und Jan-Carl Raspe im Gefängnis das Leben. Sie erhängte sich mit einem Lautsprecherkabel.
Rudi Dutschke, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof - so unterschiedlich ihre Biografien auch sein mögen: Die religiöse Sozialisation war relevant für ihre Überzeugungen, ihre Entscheidungen und ihre Lebenswege. Das Schlüsseljahr 1968, die Studentenbewegung, aber auch der Linksterrorismus - all das wäre nicht zu verstehen ohne die Sozialisation ihrer Protagonisten im Protestantismus.