Archiv

Protestbewegung Maria 2.0
"Vielen katholischen Frauen platzt jetzt der Kragen"

Die Frauen in der katholischen Kirche würden es nicht mehr akzeptieren, aus Leitungsfunktionen weitestgehend ausgeschlossen zu sein, sagte Maria Flachsbarth (CDU) vom Katholischen Deutschen Frauenbund im Dlf. Es gebe eine breite Bewegung für Gleichstellung und Zugang zu allen kirchlichen Ämtern.

Maria Flachsbarth im Gespräch mit Sandra Schulz |
Zwei Frauen der Initiative Maria 2.0 der Katholische Frauengemeinschaft in der Erzdiözese Freiburg halten vor dem Freiburger Münster ein Banner mit der Aufschrift "Weiheämter auch für Frauen" in die Höhe.
CDU-Politikerin Weiß zur Aktion Maria 2.0: "Da bewegt sich jetzt etwas" (Patrick Seeger / dpa)
Sandra Schulz: Ein interessanter Streit, ein wirklich sehr interessantes Selbstgespräch, das da gerade in der katholischen Kirche läuft. Bundesweit ist katholischen Frauen jetzt der Kragen geplatzt. Bundesweit treten sie in Streik, wollen in dieser Woche keinen Fuß in ihre Kirche setzen, ihre Pflichten ruhen lassen. Ihre Aktion nennt sich "Maria 2.0". Die Frauen treten für Veränderungen in der Katholischen Kirche ein, einen entschiedeneren Kampf gegen sexuellen Missbrauch und für ein Ende der jahrhundertelangen Ungleichbehandlung. Sie fordern, dass die wichtigen Kirchenämter nicht länger den Männern vorbehalten bleiben. Zurückhaltend die Reaktion aus dem Vatikan: Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz dort kündigt einen Dialog an, nennt einen Streik nicht das richtige Mittel. Wir können darüber in den kommenden Minuten sprechen. Am Telefon ist Maria Flachsbarth, Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes und auch CDU-Bundestagsabgeordnete. Schönen guten Morgen!
Maria Flachsbarth: Guten Morgen, Frau Schulz.
Schulz: Hatten die Frauen zu lange Geduld?
Flachsbarth: Ja, wir haben schon sehr lange Geduld. Auf der anderen Seite: Das was jetzt angemahnt wird, ein besserer, ein geschwisterlicher Umgang von Frauen und Männern, von Priestern und Laien in der Katholischen Kirche ist etwas, was mein Verband, der Katholische Frauenbund schon lange, lange auf der Agenda hat. Wir haben einen sogenannten "Tag der Diakonin" ausgerufen schon vor über 20 Jahren und haben genau diesen Sachverhalt an diesem Tag der Diakonin immer wieder und wieder angemahnt, auch gemeinsam mit dem anderen großen Frauenverband in Deutschland, der KFD, gemeinsam mit einem Netzwerk Diakonat, gemeinsam mit dem ZDK. Aber jetzt scheint sich, dieser Ruf tatsächlich über ganz Deutschland zu verteilen und eine Macht zu bekommen und eine Dimension, die jetzt aufhorchen lässt, was wir sehr begrüßen.
Schulz: Wem tut diese Aktion weh?
Flachsbarth: Einer Kirche, die in ihren Strukturen manchmal überkommen und verknöchert erscheint. Einer Kirche, die an sich selbst leidet. Sehen Sie, wir haben die Missbrauchsstudie ja alle noch im Ohr von September 2018. Wir haben vor wenigen Tagen Hochrechnungen gehört, dass bis 2060 beide großen Kirchen in Deutschland die Hälfte ihrer Mitglieder verlieren werden. Das alles sind doch dramatische Zeichen der Zeit, auf die Antworten gegeben werden müssen.
Gleichstellungsfrage seit 1975 auf dem Stapel
Schulz: Aber, Frau Flachsbarth, was macht Sie so sicher, dass das dieser Katholischen Kirche weh tut? Sie haben ja die Reaktion aus dem Vatikan auch gehört. Da will man nun überhaupt nichts überstürzen.
Flachsbarth: Ich glaube, Überstürzen kann nun wirklich keine Frage sein. Ehrlich gesagt, haben sich die deutschen Bischöfe 1975 im Rahmen ihrer Würzburger Synode dazu entschlossen, diese Frage, wie man Frauen stärker einbeziehen kann in das kirchliche Leben, wie Frauen auch im Rahmen des Diakonats ein Weiheamt bekommen könnten, in dieser Frage hat man sich schon '75 an den Vatikan gewandt - und seitdem liegt diese Petition irgendwo auf irgendeinem Stapel, ob nun drunter oder ganz oben, weiß ich nicht wirklich zu sagen. Von Überstürzen kann man überhaupt nicht sprechen.
Schulz: Da gab es ja auch überhaupt die Klarstellung erst des Papstes, dass es wirklich überhaupt nicht in Frage kommt, Frauen zu weihen.
Flachsbarth: Der Papst hat klargestellt, dass es keine Priesterinnen geben könne. Ich glaube, dass man auch da noch mal weiter überlegen muss. Aber Papst Franziskus hat eine Kommission eingesetzt, die überprüfen sollte, wie das denn nun sei mit den weiblichen Diakoninnen. Diese Kommission hat, wie man hört, ihre Arbeit abgeschlossen und sei aber zu keinen eindeutigen Ergebnissen gekommen. Es habe historisch Diakoninnen gegeben, aber was das nun für die Zukunft bedeute, darüber sei man sich noch nicht im Klaren. Damit ist die Frauenfrage in diesem Bereich, ein Weiheamt für Frauen weiter offen.
"Viele Gemeinden könnten schlicht zumachen"
Schulz: Und ist das für Sie so tragbar? Seit 1975, das ist ja nun wirklich schon ein kleiner Moment her, mehr als vier Jahrzehnte.
Flachsbarth: Es ist schon ziemlich lange. Ja, das stimmt. Deshalb platzt vielen Frauen, vielen katholischen Frauen in Deutschland jetzt der Kragen. Das kann man jetzt besichtigen. Frauen tragen das Leben in der Kirche. Viele Gemeinden könnten einfach schlicht zumachen, wenn Frauen sich nicht so engagieren würden, wie sich Frauen engagieren. Ob das der Besuchsdienst ist für Arme, für Kranke, ob das in der Obdachlosenarbeit ist, ob das die Frage der Flüchtlingsarbeit ist, ob das die Frage der Katechese ist für Firmjugendliche oder für Kommunionkinder - all das wäre doch nicht mehr möglich, wenn Frauen sich nicht immer wieder in die Pflicht nehmen ließen, wenn Frauen nicht aus Treue und aus Anhänglichkeit und aus Überzeugung zu ihrem Glauben genau das tun würden. Aber aus den Leitungsfunktionen sind Frauen weitestgehend ausgeschlossen, und das ist eine Situation, die wir nicht mehr akzeptieren.
Schulz: Frau Flachsbarth, ich glaube nicht, dass es da ein Erkenntnisproblem gibt. Ich glaube, so wie Sie das Problem, wie Sie das Thema beschreiben, darüber sind sich alle einig. Aber was spricht denn dafür, dass diese Aktion, dieser "Weiberaufstand", wie man auch sagen könnte, jetzt irgendeine Konsequenz haben wird?
Flachsbarth: Ich glaube, dass man in den Führungsstrukturen der Katholischen Kirche jetzt endlich, will ich sagen, erkennt, dass unsere Aktionen, zum Beispiel Tag der Diakonin, nicht eine Aktion von wenigen verrückten Aktivistinnen sind, die sich irgendwie selbst verwirklichen wollen. Das hat man uns zum Beispiel im Verband lange vorgeworfen, dass es doch eigentlich nur die Vorstände seien, die hinter diesen Aktionen stehen würden, dass es keine breite Bewegung sei, dass die normalen Frauen ganz zufrieden seien mit dem, so wie es denn ist, dass wir keinen Widerhall finden würden. Ich glaube, da bewegt sich jetzt etwas, und es gibt ja auch einzelne Bischöfe, die sich sehr bewusst an unsere Seite stellen. Ich will den Bischof von Osnabrück, Bode, nennen; ich will aber auch den Hildesheimer Bischof nennen.
ZDK: Keine Zeit für Beschwichtigungsformeln
Schulz: Wenn es Fortschritte geben sollte, wie müsste das konkret laufen? Das nächste, was passieren müsste, wäre doch ein Bischof, der eine Frau in Deutschland zur Priesterin weiht und es auf diesen Streit mit dem Vatikan ankommen lässt, wenn das wirklich in irgendeiner Form ernst gemeint sein sollte.
Flachsbarth: Ja. Dann würde der Bischof ganz klar gegen Kirchenrecht verstoßen und wir würden einen Prozess haben wie um Bischof Lefebvre, nur in die andere Richtung. Ich glaube nicht, dass das der Weg wäre, sondern ich glaube, dass der Weg, der ja jetzt eingeschlagen worden ist, dieser synodale Weg, den die Bischofskonferenz selber vorgeschlagen hat, den das ZDK am letzten Wochenende noch mal bekräftigt hat, dass der jetzt wirklich konsequent gegangen werden muss. Das ZDK, das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken hat ganz klar gesagt, dass jetzt keine Beschwichtigungsformeln oder irgendwas an der Zeit seien, sondern dass man wirklich schauen muss, Frauen und Männer in der Kirche gleichzustellen und Frauen Zugang zu allen kirchlichen Ämtern zu geben, in Verantwortung und in Entscheidungskompetenz. Darauf kommt es jetzt an, diesen Weg gemeinsam zu gehen, eine Beschlussfassung der Deutschen Bischofskonferenz zu haben und damit tatsächlich noch mal nach Rom zu gehen.
Schulz: In welchem Jahrhundert?
Flachsbarth: Sehr, sehr bald! In diesem Jahrhundert, in diesem Jahrzehnt.
Junge Frauen wenden sich von der Kirche ab
Schulz: Wenn in fünf Jahren nichts passiert ist, sind Sie dann noch Katholikin?
Flachsbarth: Ich fürchte, ich persönlich ja, weil ich tatsächlich sehr anhänglich bin, weil ich diesen Jesus Christus, an den ich glaube, in meiner Kirche suche und mit meiner Kirche versuche zu finden. Sehen Sie, das Ganze ist nicht nur ein Spielchen um Macht und Einfluss und Strukturen. Es ist ein bisschen anders - ich bin auch Parteipolitikerin -, als es in einer Partei zum Beispiel wäre. Die Zugehörigkeit zu einer Kirche heißt die Zugehörigkeit zu Jesus Christus. Das hat eine andere, eine ganz andere Dimension, und deshalb sind viele Frauen meines Alters, mittelalterliche und ältere Frauen, tatsächlich in großer Treue zu dieser Kirche verbunden. Bei den jungen Frauen ist das was anderes. Die gehen dann, die suchen sich andere Wege für ihre Spiritualität - und auch das ist eine große Sorge von uns Frauen, von uns Müttern, die wir sehen, dass unsere Kinder, Töchter wie Söhne, dieser Kirche selbstverständlich nicht mehr angehören, sondern dass wir überzeugend sein müssen, dass das, was verkündet wird im Rahmen der Lehre, auch in dem Leben, wie wir in der Kirche miteinander umgehen, sich widerspiegeln muss, und da gibt es eine eklatante Differenz. Auch darauf wollen wir aufmerksam machen und auch das wollen wir überwinden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.