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Proteste bei Agrarministerkonferenz
Bauern befürchten zu viel Insektenschutz

Viele Bauern sehen sich durch das geplante Insektenschutzprogramm der Bundesregierung in ihrer Existenz bedroht. Sie fürchten, künftig auf bestimmte Pestizide verzichten zu müssen. Dementsprechend laut waren ihre Proteste bei der Agrarministerkonferenz in Mainz. Kritik kommt aber auch vom BUND.

Von Anke Petermann |
Mit einem toten Obstbaum auf einer Ladeschaufel protestieren Bauern am Rande des Tagungshotels der Agrarministerkonferenz (AMK).
Mit einem toten Obstbaum auf einer Ladeschaufel protestieren Bauern am Rande der Agrarministerkonferenz in Mainz. (dpa / Frank Rumpenhorst)
Eine gespenstische Protest-Szenerie vor dem Tagungshotel der Minister im Mainzer Obstanbau-Vorort Finthen: Trecker stehen in Reihe auf einem Feld, ihre Schaufeln recken gerodete Obstbäume in die Höhe. Soll heißen: Wenn die Bundesregierung ihr Insektenschutzprogramm in Gesetzesform gießt, werden noch mehr Bauern aufgeben.
"Wenn wir unsere Pflanzen nicht mehr schützen können, dann hat Obst- und Weinbau keine Zukunft, weil wir keine Erträge und Qualität mehr erreichen können", konstatiert Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied und verlangt, dass die Bundesregierung ihr Aktionsprogramm zum Insektenschutz überarbeitet. Das Programm führt laut Rukwied dazu, dass auf mehr als 2,3 Millionen Hektar Fläche nur noch "mit erheblichen Einschränkungen" gewirtschaftet werden kann.
Zum Beispiel auf dem Acker vor dem Tagungshotel der Agrarminister, erläutert Ludwig Schmitt, Obstbauer in Mainz- Finthen: "Der gehört zum Vogelschutzgebiet. Dort sind Einschränkungen im Pflanzenschutz geplant, in erster Linie bei den Insektiziden, aber auch bei Herbiziden."
Wissing beklagt "politischen Aktionismus" in Berlin
In Schutzgebieten planen das Umwelt- und Agrarministerium ab 2021 ein Totalverbot biodiversitätsschädigender Insektizide. Hermann Onko Aeikens, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, musste sich dafür von rund 500 protestierenden Bauern ausbuhen lassen. Doch die Forderung des Bauernverbands nach einem "Reset", also einer Überarbeitung des Insektenschutzprogramms, lehnt der CDU-Politiker mit Verweis auf das Insektensterben ab. "Wir haben ein Aktionsprogramm im Kabinett verabschiedet, damit ist überhaupt noch keine Rechtssetzung erfolgt. Wir sollten keine "Reset"-Diskussion führen, sondern darüber reden, wie wir dieses Aktionsprogramm in einer Weise in Gesetze und Verordnungen überführen, sodass es für die Landwirte machbar und zumutbar ist." Viele Ausnahmen fürchten Umweltschützer.
Bauern demonstrieren gegen das Insektenschutzprogramm der Bundesregierung
Proteste – nicht gegen Insektenschutz, sagen die Bauern und Bäuerinnen sondern gegen das Insektenschutzprogramm. (Deutschlandfunk / Anke Petermann)
Auf die Seite der Bauern schlägt sich dagegen Volker Wissing, Landwirtschaftsminister von Rheinland-Pfalz und Gastgeber seiner Amtskollegen. Unter dem Beifall der Demonstranten kritisierte der Liberale die "Alleingänge des Bundeslandwirtschaftsministeriums". Der politische Aktionismus stelle die Landwirte vor vollendete Tatsachen und nehme ihnen die Planungssicherheit, sagte er. Als Beispiel nannte Wissing auf der Demonstration im strömenden Regen das Verbot, Saatgut mit bienenschädlichen Neonicotinoiden zu behandeln, zu beizen also. "Die Verbote von heute widersprechen zum Teil den eigenen umweltpolitischen Zielsetzungen. Die Saatgut-Beize bei der Zuckerrübe war umweltfreundlicher als der Pestizid-Einsatz am Boden. Und immer mehr bodenmechanische Bearbeitung ist kein Beitrag zur CO2-Reduktion."
BUND: Insektenschutzprogramm zu unkonkret
Das ist als Kritik am geplanten Glyphosat-Verbot ab 2023 zu verstehen. Der Unkrautvernichter macht das Hacken überflüssig. Umwelt- und Naturschützer finden genau diese Verbote richtig, aber zu spät. Sabine Yacoub, Landeschefin des BUND Rheinland-Pfalz, räumt ein: "Wenn ich das bestehende System nehme und so etwas wie bestimmte Pestizide rausnehme, dann funktioniert das System nicht mehr. Das heißt, wir brauchen einen grundsätzlichen Wandel in der Landwirtschaft. Wir müssen mehr darauf setzen, Alternativen zu den Pestiziden zu finden, zum Beispiel zu schauen, welche Pflanzen kann ich auch miteinander anbauen, die sich gegenseitig unterstützen und Schädlinge vertreiben. Wir brauchen wirklich einen Systemwandel." Doch diese notwendige Trendumkehr leite das Insektenschutzprogramm nicht ein. Es sei, was Ziele, Zeitvorgaben und Finanzen betreffe, zu unkonkret, kritisiert Christian Rehmer, Leiter für Agrarpolitik beim BUND.