Türkei
CHP-Politiker Imamoglu als Bürgermeister von Istanbul suspendiert und in Gefängnis gebracht

Der türkische Oppositionspolitiker Imamoglu ist als Istanbuler Bürgermeister abgesetzt worden - "vorübergehend", wie das Innenministerium mitteilte. Zuvor war bereits Haftbefehl gegen den wichtigsten politischen Herausforderer von Präsident Erdogan erlassen worden. Er wurde in ein Gefängnis im Disktrikt Silivri gebracht. Dort muss er bis zu einer Verhandlung bleiben.

    Der türkische Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu bei einer Rede.
    Ekrem Imamoglu spricht im Zusammenhang mit seiner Verhaftung von „Tyrannei“. (picture alliance / Sipa USA / Depo Photos)
    Das entschied ein Gericht mit Verweis auf die Anschuldigungen wegen Korruption.
    Dem CHP-Politiker werden in zwei getrennten Verfahren Vorwürfe im Zusammenhang mit Terrorismus und Korruption gemacht. Konkret gehe es bei den Korruptionsermittlungen um den Verdacht der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, Bestechung, Betrug und Ausschreibungsmanipulation, hieß es. Die Terrorermittlungen betreffen demnach den Vorwurf, Imamoglu habe die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK unterstützt.

    Imamoglu weist Anschuldigungen zurück

    Imamoglu bestreitet die Vorwürfe vehement. "Die gegen mich erhobenen unmoralischen und haltlosen Anschuldigungen, die von erfundenen Berichten bis hin zum Zeitpunkt der Ermittlungen reichen, zielen darauf ab, mein Ansehen und meine Glaubwürdigkeit zu untergraben", ließ Imamoglu über die Stadtverwaltung mitteilen. Er selbst sagte bis in die Nacht vor der Staatsanwaltschaft aus, wie mehrere Medien berichteten.
    Der Bürgermeister der Hauptstadt Ankara, Yavas, bezeichnete die Inhaftierung Imamoglus als eine "Schande für das Justizsystem". Er gehört wie Imamoglu der führenden Oppositionspartei CHP an. Gegenüber der Nachrichtenagentur AFP kündigte einer von Imamoglus Anwälten an, juristisch gegen die Untersuchungshaft vorzugehen. Man werde Haftbeschwerde einlegen, hieß es.
    Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte die Inhaftierung Imamoglus und bezeichnete sie als "schweren Rückschlag für die Demokratie in der Türkei". Politischer Wettbewerb dürfe nicht mit Gerichten und Gefängnissen geführt werden.

    Proteste gegen Regierung halten an - erneut mehr als 300 Festnahmen

    Erneut waren Zehntausende Menschen landesweit auf die Straße gegangen, um gegen Imamoglus Festnahme zu protestieren. Die Demonstrierenden zogen vor das Rathaus in Istanbul und schwenkten Fahnen und hielten Plakate hoch, wie Korrespondenten berichten. Die Lage sei angespannt. In Istanbul versuchten Protestierende, auf den zentralen Taksim-Platz zu gelangen. Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschosse ein. Die Kundgebungen finden trotz eines geltenden Versammlungsverbots statt, das von den türkischen Behörden inzwischen ausgeweitet und bis Mittwoch verlängert wurde.
    Innenminister Yerlikaya erklärte, mehr als 320 Demonstranten seien in Gewahrsam genommen worden. "Keinerlei Versuch, die öffentliche Ordnung zu gefährden, wird geduldet", betonte der Minister. Bereits gestern waren rund 300 Festnahmen gemeldet worden.
    Auch in Berlin versammelten sich laut Schätzungen der Polizei rund 1.300 Demonstranten.

    Medienaufsicht droht Sendern mit Strafen

    Die türkische Medienaufsicht RTÜK drohte den Medien im Land im Falle von "unwahrer Berichterstattung" mit Strafen und Lizenzentzug. "Wir fordern die Medien erneut auf, sich nicht auf parteiische und unwahre Berichterstattung zu stützen, sondern ausschließlich offizielle Informationen und Erklärungen der zuständigen Behörden zu veröffentlichen", schrieb der Chef der Medienaufsicht, Sahin, auf der Online-Plattform X. Andernfalls würden Maßnahmen ergriffen, die "bis hin zu langfristigen Sendeverboten und letztendlich sogar zum Lizenzentzug reichen". Berichten zufolge stellten einige Sender ihre Live-Berichterstattung von Demonstrationen im Land ein. 

    CHP will Imamoglu zum Präsidentschaftskandidaten wählen

    Die oppositionelle CHP wirft Präsident Erdogan vor, er wolle über die Justiz seinen aussichtsreichsten Rivalen aus dem Weg räumen lassen. Der Istanbuler Bürgermeister soll - trotz seiner Festnahme - heute von der CHP zum Präsidentschaftskandidaten nominiert werden.
    In der landesweiten Abstimmung über die Kandidatur Imamoglus sind neben 1,7 Millionen Parteimitgliedern der CHP auch Bürger aufgerufen, symbolisch an 4.000 Wahlboxen im Land abzustimmen. Der Sender Halk TV zeigte am Morgen Bilder von Schlangen vor Wahllokalen in Städten wie Istanbul, Ankara und Izmir. CHP-Chef Özel sagte am Mittag, es nähmen 10- bis 15-mal so viele Menschen wie Mitglieder an der Abstimmung teil.

    Weitere Informationen:

    Türkei: Was die Festnahme des Erdogan-Rivalen Imamoglu bedeutet
    Diese Nachricht wurde am 23.03.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.