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Proteste gegen Kardinal Woelki in Düsseldorf
Der Bischof soll nicht firmen

Der Druck auf den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki wächst. Dechanten seines Erzbistums fordern "persönliche Konsequenzen". Auch an der Basis rumort es: In Düsseldorf war Woelki zu einem Gespräch über Missbrauchsfälle in der Gemeinde eingeladen. Einige Gemeindemitglieder protestierten gegen ihren Kardinal.

Von Vivien Leue |
Kardinal Rainer Maria Woelki (l), Erzbischof von Köln, und Pfarrer Oliver Boss gehen durch einen Spalier aus Gemeindemitgliedern, die ihm vor der Kirche St. Maria vom Frieden die Rote Karte zeigen. Woelki besucht die Gemeinde zu einem Krisengespräch. Mehr als 140 Gemeindemitglieder hatten ihn in einem Offenen Brief aufgefordert, auf die von ihm geplante Firmung von 17 Jugendlichen am 9. Juni zu verzichten.
Viele Gemeindemitglieder von St. Margareta in Düsseldorf sind unzufrieden mit Kardinal Woelki (Picture Alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
Gestern Abend vor der Kirche St. Maria vom Frieden in Düsseldorf-Gerresheim: Knapp 100 Mitglieder der Gemeinde St. Margareta halten rote Plakate hoch – sie warten auf Kardinal Rainer Maria Woelki.
"Wir wollen dem Bischof symbolisch die rote Karte zeigen und ich denke, es wird Zeit, dass er von seinem Amt im Erzbistum Köln zurücktritt." / "Ich finde es unfassbar, dass jemand sich zwei Jahre nicht kümmert um so eine Gemeinde. Und dass es dann auch noch eine Aufforderung von uns braucht, um irgendwo mal Stellung zu beziehen."

"Dass der Kardinal kommt, ist ein gutes Zeichen"

In der Gemeinde gab es vor vielen Jahren Missbrauchsfälle, einige sind erst jüngst bekannt geworden. Deshalb hat der Pfarrgemeinderat Kardinal Woelki zum Gespräch eingeladen. Es dauerte Monate, bis die Zusage kam - aber dass der Kardinal nun überhaupt kommt, sei ein gutes Zeichen, findet Teresa Jacobi, Mitglied des Kirchenvorstands.
"Ich kann jetzt nicht für alle sprechen, aber ich fühle mich nicht verlassen. Und ich glaube, dass es ein guter Weg ist, wenn er es aufklärt. Wenn er alle Fälle aufklärt. Und wenn jemand Neues reinkommt, finde ich jetzt nicht so gut."
"Er hat zwei Gutachten aufgearbeitet, er hat Präventionsmaßnahmen eingeleitet und wenn man viele andere Institutionen, im Sport, in der Gesellschaft, sich anguckt, die haben eben noch nichts", sagt dieser junge Familienvater. Und auch Gregor Müller, ebenfalls aus dem Kirchenvorstand, möchte Woelki die Chance geben, sich zu erklären:
"Weil ich es sehr gut finde, dass wir ins Gespräch kommen, dass der Kardinal auch hierher kommt, dass er sich auch gesprächsbereit zeigt."
Ein ausgewählter Kreis von etwa 40 Gemeindemitgliedern darf am Gespräch mit dem Kardinal teilnehmen. Man wolle lieber in Ruhe – ohne Proteste und vor allem ohne mediale Berichterstattung über das Thema reden.

Die Protestierenden fordern Woelkis Rücktritt

Die Männer und Frauen mit den roten Karten in der Hand hätten sich ein offenes Gespräch in größerer Runde gewünscht.
"Ich bin sehr enttäuscht." / "Ich finde das von oben herab alles, also er müsste eigentlich mehr auf seine Gemeinde hören."
Viele hier machen Woelki persönlich verantwortlich für die schleppende Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Köln. In der Gemeinde St. Margareta sind in 70er-Jahren und später um die Jahrtausendwende zwei Pfarrer tätig gewesen, denen der Missbrauch von Kindern und Jugendlichen vorgeworfen wird. In beiden Fällen soll Woelki – so die Kritiker – zu lange seine schützende Hand über die Priester gehalten haben. Ein Gutachten hatte Woelki im März jedoch von Pflichtverletzungen freigesprochen.
Der Priester, der Kardinal und die Kinder
Ein Pfarrer, so der Verdacht, soll sich mehrfach schwer an Kindern vergangen haben – zum ersten Mal 1986. Sollte der Vorwurf zutreffen, war die Bestrafung milde: Er war weiter als Seelsorger tätig, hielt Vorträge, schrieb Bücher.
Dennoch breitet sich die Vertrauenskrise im Erzbistum Köln offenbar aus. Zuletzt war Woelki auch von Stadt- und Kreisdechanten aufgefordert worden, "persönliche Konsequenzen" zu ziehen. Auch die Protestierenden in Düsseldorf-Gerresheim wünschen sich einen personellen Neuanfang.

"Nichts kam aus Köln, gar nichts"

Als stattdessen im April bekannt wurde, dass Kardinal Woelki Anfang Juni in der Gemeinde Firmungen vornehmen möchte, brachte es das Fass zum Überlaufen.
"Es geht gar nicht, dass der Kardinal unter diesen Umständen jetzt hier diese Firmung durchführt, weil er für uns aktuell nicht glaubwürdig ist", sagt Peter Barzel, Gemeindemitglied und Verfasser eines Offenen Briefes an den Kardinal. Darin schreibt er gemeinsam mit mehr als 140 Unterzeichnern: Das Vertrauen in Woelki als Bischof sei verloren, ein wirklicher Neuanfang könne mit ihm nicht mehr gelingen. Er solle nicht zu der Firmungsfeier erscheinen und stattdessen bitte einen Vertreter schicken.
Initiator Peter Barzel wartet vor der Kirche St. Maria vom Frieden auf die Ankunft von Kardinal Woelki. Woelki besucht die Gemeinde zu einem Krisengespräch. Mehr als 140 Gemeindemitglieder hatten ihn in einem Offenen Brief aufgefordert, auf die von ihm geplante Firmung von 17 Jugendlichen am 9. Juni zu verzichten.
Peter Barzel hat das Vertrauen in Kardinal Woelki verloren (Picture Alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
Auch Angelika Fröhling hat den Brief unterzeichnet: "Was uns auch alle fassungslos gemacht hat, dass er auch unseren Pfarrer in diesen Fällen völlig hat im Regen stehen lassen. Er hatte gebeten darum, auch mal eine Stellungnahme aus Köln zu hören oder ein Statement oder Argumentationshilfe. Irgendwelche Fakten. Nichts kam aus Köln, gar nichts. Und in der Situation dann die Nachricht zu bekommen, Kardinal Woelki kommt hierher, um zu firmen, war einfach so, dass ich auch gesagt habe: Das geht nicht."

"Vor Meinungsverschiedenheiten nicht gefeit"

Mittlerweile ist der Kardinal zum Gespräch in Düsseldorf eingetroffen – und ohne viele Worte an den Protestierenden vorbei in die Kirche gegangen. Angelika Fröhling ist wütend: "Ich bin sprachlos, wie er jetzt an uns vorbei gezogen ist… es war auch wenig zugewandt, den Leuten, ne? Ich glaube, er versteht auch einfach nicht, was in der Gemeinde hier los ist."
Rücktritt Woelkis wäre "ein notwendiges Zeichen der Reinigung"
Kardinal Woelki steht im Verdacht, einen Fall sexuellen Missbrauchs vertuscht zu haben: Woelki habe den Täter aus persönlichen Gründen geschützt. Ludwig Ring-Eifel, Chef der KNA, hält Woelkis Milde für menschlich verständlich.
"Es ist ja ein Teil der Gemeinde, es ist nicht die gesamte Gemeinde", sagt dagegen Vera von Finckenstein: "Man muss ihm die Chance geben. Das finde ich schon.
Im Vorfeld hatte Kardinal Woelki als Antwort auf den Offenen Brief ein Statement veröffentlicht. Darin heißt es:
"Als Christen sind wir vor Meinungsverschiedenheiten nicht gefeit. Bei allen Konflikten sollten wir aber daran denken, dass wir einen gemeinsamen Grund haben, Christus."

Die Gemeinde will sich nicht entzweien lassen

In Düsseldorf-Gerresheim hoffen Protestierende wie Woelki-Anhänger, dass der Konflikt um die schleppende Missbrauchs-Aufarbeitung und die anstehende Firmung ihre Gemeinde nicht entzweit, sondern sie bald wieder zueinander finden. In einem sind sie sich immerhin einig:
"Also es ist ja ein großes Problem, ein strukturelles Problem der gesamten Kirche", sagt Gregor Müller aus dem Kirchenvorstand. Und der Mit-Verfasser des Offenen Briefs, Peter Barzel, fügt an: "Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass dieses Gespräch ein Anfang für Verständigung sein kann."
Nach gut zwei Stunden verlässt Kardinal Woelki am späten Abend die Gemeinde, die danach – so heißt es – noch lebhaft weiter diskutiert. Ob der Kardinal Anfang Juni zur Firmung wieder in die Gemeinde nach Düsseldorf kommt, blieb allerdings weiter offen.