Gerade kommt die junge Frau etwas abgehetzt auf der Straße der Revolution im Zentrum Teherans an. Als erstes zückt sie ihr Handy: "Salam liebe Massih, die ganze Strecke bin ich heute ohne Kopftuch gelaufen. Das tue ich fast jeden Tag. Die Leute schauen mich mit großen Augen an. Das macht mir aber nichts aus. Ich gehöre zu der Kampagne gegen Kopftuchzwang und zu den Mädchen aus der Straße der Revolution. Mit der Hoffnung auf Freiheit", sagt sie.
Wenn der Revolutionsführer auf Verhüllung besteht
Empfängerin der Sprachnachricht ist Massih Alinejad. Die Journalistin lebt in den USA, wird aber von vielen Iranerinnen als Vorkämpferin der Anti-Kopftuchbewegung respektiert. Der religiösen Führung des Landes ist sie ein Dorn im Auge.
Ziviler Ungehorsam ist längst nicht mehr nur eine Sache junger Frauen im Iran. Auch diese ältere Frau hat den Mut zum Widerstand in sich entdeckt. "Ich laufe jetzt zum zweiten Mal ohne Kopftuch um diesen Platz. Ich demonstriere dadurch allen mein Recht auf zivilen Ungehorsam", sagt sie.
Ein Recht, das der Staat nicht anerkennt. Schließlich müsste aus der Sicht von Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei das Tragen des Hijab genannten Kopftuchs sogar ganz im Sinne der Frauen sein. "Der Hijab steht für Würde und Anstand und eine höhere Wertstellung den Frauen gegenüber. Er verleiht ihnen mehr Respekt und wir müssen dem Islam dankbar sein für den Hijab. Er ist ein Gottesgeschenk", sagte er.
Als Mann verkleidet ins Stadion
Wer diese Meinung nicht teilt und dagegen verstößt kann mit zwei Monaten Gefängnis, Geldstrafe oder Peitschenhieben betraft werden. Etwa 35 Frauen wurden seit Jahresbeginn festgenommen, weil sie kein Kopftuch trugen. Die meisten sind wieder frei, zumindest bis zu ihrem Prozess.
Den iranischen Frauen geht es aber nicht nur um die strengen Kleidervorschriften, sondern um mehr. Etwa auch um die die Frage, warum sie keine Sportveranstaltungen der Männer besuchen dürfen. Eine junge Frau erklärt in einem Videoclip, der im Internet kursiert, wie sie es dennoch geschafft hat, sich das Hauptstadt-Derby Esteghlal gegen Persepolis Teheran vor zwei Wochen live anzuschauen.
"Schon Tage vor dem Spiel habe ich mich vorbereitet, habe Männerkleidung besorgt, einen künstlichen Bart und Klebstoff gekauft. Dann habe ich meine Haare so kurz schneiden lassen, wie möglich. Ich habe die Mütze tief über meinen Kopf gezogen", sagt sie.
Reformer stoßen auf Widerstand
Beim Kauf der Eintrittskarte sei sie nervös geworden. Die Frage, für welchen Platz auf welcher Seite, habe sie überfordert. Als sie den Rasen erblickte, seien ihr die Tränen gekommen. Als das erste Tor für ihre Mannschaft Persepolis fiel, musste sie sich zurückhalten. "Ich konnte nicht sehr laut jubeln. Einmal, wegen meiner Stimme und zum zweiten, weil die Zurufe nicht gerade sehr anständig waren", sagt sie.
Karim Bagheri, Ex-Profi bei Arminia Bielefeld und Persepolis lobte sie im Internet für ihre Leidenschaft für FC-Persepolis, bat sie aber, den heimlichen Stadionbesuch nicht zu wiederholen. Da sei einfach zu gefährlich. Jetzt, sagt die junge Frau, bekomme sie jedes Mal, wenn FC-Persepolis spiele, einen Anruf, um sicherzustellen, dass sie Zuhause sei und nicht wieder heimlich im Stadion.
Frauen in Sportstadien - wie heiß dieses Eisen ist, zeigte sich, als die Regierung unter dem Reformer Hassan Ruhani Frauen kürzlich erlaubte, ein Basketballspiel der Männer anzusehen, die Polizei die Zuschauerinnen jedoch nicht in Stadion ließ.