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Proteste gegen Korruption

Der Premierminister Viktor Orbán war vor gut zwei Jahren mit dem Versprechen angetreten, die Korruption in Ungarn auszumerzen. Doch einige seiner alten Freunde profitieren schon lange vom Wirtschafts-Imperium der ungarischen Regierungspartei Fidesz. Kritiker sprechen sogar schon von ungarischen Oligarchen, wie man sie sonst aus Russland und der Ukraine kennt.

Von Stephan Ozsváth |
    Eine Sitzblockade der ungarischen Grünen vor der Zentrale der Budapester Baufirma Közgép – im Sommer dieses Jahres. Sie protestieren mit Transparenten gegen die wundersame Geldvermehrung der Firma, die zwei intimen Jugend-Freunden des ungarischen Regierungschefs gehört. Der Grünen-Abgeordnete Gergely Karácsony dazu.

    "Wenn wir uns umschauen, wer über EU-Fördermittel und öffentliche Gelder entscheidet, sehen wir, dass überall ehemalige Mitarbeiter von Lajos Simicska und Zsolt Nyerges aktiv sind. Sie sind Besitzer und Direktor der Firma Közgép."

    Und sie haben in diesem Jahr Staatsaufträge im Wert von 1,1 Milliarden Euro erhalten. Im letzten Jahr wurde an Lajos Simicska 1,1 Millionen Euro Dividende ausgezahlt. Außerdem gehört den beiden die Werbefirma Publimont, die seit der Fidesz-Machtübernahme 2010 überproportional von Staatsaufträgen profitiert. So hat sich der Gewinn in nur einem Jahr vervierfacht – auf gut eine Million Euro. 2009 machte Publimont noch Verluste. Zufall? Die beiden Fidesz-Unternehmer haben einen mächtigen Fürsprecher: Den Regierungs-Chef Viktor Orbán.

    "Wir brauchen vermögende, erfolgreiche ungarische Unternehmer, sonst nehmen uns Ausländer alles weg."

    Stattdessen nimmt die Regierung Orbán den Ausländern weg: Mit einem neuen Bodengesetz will sie österreichische Bauern, die Land in Ungarn bewirtschaften, quasi enteignen. Ebenso drängt sie kommunale Müllentsorger aus Deutschland und Österreich aus dem Markt. Attila Mesterházy von den Sozialisten sagt:

    "Es gibt auch welche, denen es gut geht. Um die Regierung herum gibt es einen Wirtschaftskreis, der über Milliarden Forint entscheidet. Dieses Firmenimperium und ihre Verwandten arbeiten auf eigene Rechnung, mit Billigung der Regierung. Sie haben die Korruption institutionalisiert. Ihre Hand reicht überall hin. Ihr Appetit ist unstillbar, ihr Einfluss unermesslich.

    Sie sitzen in Ministerien um Fördertöpfe herum. Und dort, wo öffentliche Gelder vergeben werden. In staatliche Firmen setzen sie ihre Leute ein, in ihren Zeitungen und Radiostationen landen die staatlichen Werbemittel, und ständig gewinnen sie die großen Ausschreibungen. Sogar solche, die nie ausgeschrieben wurden."

    Die beiden Fidesz-Unternehmer Simicska und Nyerges gehören schon lange zum Wirtschafts-Imperium der ungarischen Regierungspartei Fidesz. Nyerges bekam vor 12 Jahren laut dem ungarischen Wikileaks-Portal átlátszó.hu seine erste Million über einen Staatskredit. Er betrieb damals eine Mühle, verkaufte an ein anderes Unternehmen, ebenfalls mit Fidesz-Stallgeruch, und wurde Partner von Lajos Simicska, dem damals schon die Baufirma Közgép gehörte. Viktor Orbán, der offiziell der Korruption den Kampf angesagt hat, behauptet:

    "In unserem System der nationalen Zusammenarbeit gibt es keine Oligarchen und wird es keine geben. Oligarchen sind die Multimillionäre, die neben ihrem wirtschaftlichen Gewicht auch politische Macht anstreben. Sagen wir: indem sie sich zum Parteichef wählen lassen, oder zum Ministerpräsidenten – und vom Parlament unterstützt – die Millionen und die politische Macht in eine Hand geraten. Aber das will Fidesz nicht."

    Doch Gözgép-Chef Lajos Simicska ist eng mit der Regierungspartei verbunden: Mit Viktor Orbán teilte er die Studentenbude, kontrollierte eine Zeitlang die Finanzen der Regierungspartei und war in der ersten Regierungszeit Orbáns 1998 bis 2002 Chef der Steuerbehörde. Der Korruptionsermittler der nationalkonservativen Regierung hat vorzugsweise die sozialliberalen Vorgänger im Visier. Bei der Firma Közgép waren es denn auch die europäischen Korruptionsermittler von OLAF, die vorstellig wurden. Es geht um den Vorwurf, ob bei der Sanierung des Zentrums der Stadt Keszthely EU-Gelder in Privattaschen gewandert sind.