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Proteste gegen neues Pressegesetz in Südafrika

Südafrikas Regierung hat ein umstrittenes Mediengesetz verabschiedet: Wer als vertrauliche klassifizierte Informationen weitergibt, dem drohen bis zu 25 Jahre Haft. Damit wird es für Journalisten fast unmöglich, Fälle von Korruption und Veruntreuung aufzudecken.

Von Kerstin Poppendieck |
    "Ich habe ein Protestbild angefertigt mit dem Titel "Schwarzer Dienstag". Das Bild ist komplett schwarz bis auf einige Ausschnitte aus unserem Grundgesetz, wo es um die freie Meinungsäußerung geht. Darüber habe ich ein großes "Einfahrt verboten"-Schild gemalt."

    Der Maler Yiull Damaso ist entsetzt. Für ihn ist das neue Mediengesetz der größte Eingriff in die Demokratie Südafrikas seit dem Ende der Apartheid. Unter den Gegnern heißt das neue Mediengesetz "Secrecy Bill", Geheimhaltungsgesetz. Der offizielle Name lautet: "Gesetz zum Schutz von Staatsinformationen". Als geheim eingestufte staatliche Dokumente zu veröffentlichen oder vor Gericht als Quelle zu zitieren, ist demnach illegal. Selbst wenn es darum geht, im Interesse der Öffentlichkeit Korruption oder Rechtsbruch offenzulegen. Wer sich dem widersetzt, dem droht eine Gefängnisstrafe von bis zu 25 Jahren. Yiull Damaso, der als Kind mit seinen Eltern aus Simbabwe nach Südafrika ausgewandert ist, fühlt sich dabei an sein Heimatland erinnert.

    "Ich befürchte, dass wir uns in die gleiche Richtung entwickeln wie Simbabwe. Man darf nichts sagen oder tun gegen die regierende Partei. Es ist eine Diktatur. Und obwohl wir es in Südafrika noch Demokratie nennen, wird es keine Demokratie mehr geben."

    Auch Jonathan Shapiro hat gegen das neue Mediengesetz protestiert. Er ist einer der bekanntesten und umstrittensten politischen Comiczeichner Südafrikas. Bereits mehrfach wurde er wegen seiner Zeichnungen vom südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma verklagt. Das fand er bisher nie besorgniserregend. Was jetzt allerdings mit diesem neuen Gesetz auf Südafrika zukommt, beunruhigt Jonathan Shapiro sehr.

    "Ironischerweise habe ich nach dem Ende der Apartheidzeit das Gefühl gehabt, dass mich die Regierung sehr schätzt und mir Aufmerksamkeit schenkt. Damals hab ich mich wirklich als Teil des neuen Südafrikas gefühlt. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre allerdings gab es immer mehr Menschen, die mich eher als Feind sehen, was mich sehr traurig macht. Denn das zeigt doch, wie vergiftet unsere Gesellschaft ist, wie verbittert. Kritiker, Kommentatoren und Cartoonisten, die auf Missstände aufmerksam machen, werden nicht mehr als Patrioten angesehen, sondern als Staatsfeinde."

    Obwohl in den vergangenen Wochen Tausende Menschen in Kapstadt, Johannesburg und Durban auf die Straßen gegangen sind, um gegen das Mediengesetz zu protestieren, gibt es nicht wenige Südafrikaner, die das Gesetz als ein Luxusproblem der weißen Mittelklasse bezeichnen. Sie sehen einfach nicht das große Ganze, weil sie andere Probleme haben, sagt die Schriftstellerin Meg Van Der Merwe und erzählt stellvertretend von einer Xhosa-Freundin, deren tägliche Sorge darin besteht, genug Essen zu besorgen, regelmäßig ihre antiretroviralen Medikamente gegen Aids zu nehmen, sicher zur Arbeit zu kommen. Wenn Meg Van Der Merwe ihr Land heute mit dem Südafrika zu Apartheidzeiten vergleicht, fühlt sie sich mehr und mehr an George Orwells Roman "Farm der Tiere" erinnert.

    "Man stellt mit Schrecken fest, dass die Anfangseuphorie der Tiere, nachdem sie sich von der Unterdrückung der Menschen befreit haben, verfliegt, und sich die Schweine, die die Elite unter den Tieren repräsentieren, immer mehr in die neuen Unterdrücker verwandeln. Bei diesem neuen Mediengesetz hatte ich genau diese Angst in Bezug auf Südafrika. Wir laufen gerade Gefahr, die momentane ANC-Regierung und die Regierung zu Apartheidzeiten kaum noch unterscheiden zu können ... Oder einfach: Wenn wir uns die momentane ANC-Regierung und die Regierung zu Apartheidzeiten ansehen, fällt es immer schwerer, die beiden voneinander zu unterscheiden."

    Für Künstler wie Jonathan Shapiro und Yiull Damaso ist es ganz klar, was die Regierung mit diesem Gesetz bezweckt. Korruption, Misswirtschaft und Fehler sollen vertuscht werden, der regierende ANC will entscheiden, was die südafrikanische Bevölkerung wissen darf und was nicht. Auch Nelson Mandela und Desmond Tutu sind unter den Gegnern des Mediengesetzes. Meg Van Der Merwe prophezeit in den kommenden Jahren eine weitreichende Bewegung innerhalb der Kunstszene Südafrikas.

    "Ich glaube, dass manche Schriftsteller und Künstler noch lauter ihre Meinung äußern werden, so wie ja auch zu Apartheidzeiten, und dass sie sehr geschickt ihre Meinung sagen werden. Und andere werden das Land verlassen und außerhalb des Landes protestieren. Aber ich hoffe, dass die meisten von uns bleiben und wir weniger selbstgefällig sind, sondern noch stärker für einen Wandel kämpfen. Wir müssen realisieren, wie wichtig es ist, klare Worte zu finden. Deutliche Worte gegen die Mächtigen."

    Noch bleibt den Kritikern eine kleine Hoffnung: Das Gesetz ist noch nicht in Kraft. Erst muss die zweite Kammer des südafrikanischen Parlaments zustimmen. Das allerdings gilt gemeinhin als sicher. Als am Dienstag Südafrikaner aufgerufen waren, sich schwarz zu kleiden um ihren Protest gegen das neue Mediengesetz zu zeigen, trug auch die Schriftstellerin Meg Van Der Merwe schwarz. Aber ihre anfängliche Fassungslosigkeit hat sich mittlerweile in Kampfgeist gewandelt.

    "Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass der Traum Südafrika auf der Kippe steht. Nachdem das Gesetz beschlossen wurde, war mein erster Gedanke, dass ich das Land verlassen will. Aber dann hab ich mir gesagt: nein! Wenn man eine Gesellschaft zum Positiven verändern will, muss man oftmals gegen Habgier und Egoismus kämpfen. Das sind offensichtlich fundamentale Charaktereigenschaften von Menschen. Dieser Kampf ist niemals leicht. Ich hab das Gefühl, dass wir den Kampf unserer großen Freiheitskämpfer fortsetzen müssen."