Etwa 50 Menschen haben sich am 15. Oktober um 6 Uhr morgens vor den Toren des Gefängnisses in Okrestina-Staße in Minsk versammelt. Das waren Eltern, Freunde, Kollegen der prominenten Basketballspielerin Yelena Leuchanka, die wegen Teilnahme an einer Protestaktion zu 15 Tagen Haft verurteilt wurde und an diesem Morgen entlassen werden sollte. Ihr guter Freund und Handballtrainer, Konstantin Jakowlew, war auch dabei.
"Die Stimmung war gut. Wir haben Witze gemacht. Wir haben auf Yelena gewartet. Wir wollten sie sehen, umarmen, unterstützen. Wir haben Blumen und Süßigkeiten mitgebracht."
Doch Leuchanka wurde nicht entlassen. Ihren Eltern wurde mitgeteilt, dass sie stattdessen wegen Teilnahme an einer früheren Protestaktion erneut verurteilt und zu einer Gerichtsverhandlung gebracht wurde. Jakowlew: "Das ist offensichtlich eine Gewaltanwendung gegenüber einer Frau, die so viel für das Land gemacht hat. Yelena ist eine große Frau. Die Haftbedingungen sind für sie bestimmt nicht einfach. Die Zelle ist klein. Sie kann sich dort nicht waschen. Die Hofgänge sind sehr selten. Sie schläft ohne Matratze. Das ist eine Quälerei."
850 Athlet*innen unterschreiben offenen Brief
Leuchanka ist nicht die einzige Athletin, die gegen das Regime in Belarus protestiert und deswegen unter Druck gerät. Mehr als 850 belarussische Sportlerinnen und Sportler unterzeichneten einen offenen Brief, in dem Neuwahlen und ein Ende der Polizeigewalt in Belarus gefordert werden. Auch die zweifache Olympia-Silbermedaillengewinnerin der Olympischen Spiele im Schwimmen, Alexandra Herassimenja.
"Wir sind nicht nur Sportler, sondern in erster Linie auch Bürger. Die Willkür und Polizeigewalt in unserem Land können uns nicht gleichgültig lassen. Deswegen zeigen wir unsere Meinung. Doch wenn es so weitergeht, wird Sport in Belarus bald komplett vernichtet. Denn erfolgreiche Sportler, die Medaillen bei den Welt- und Europameisterschaften gewannen, werden momentan unter Druck gesetzt, es wird ihnen gekündigt, sie können nicht weiter trainieren."
Herassimenja selbst sei gezwungen worden, nach Litauen auszureisen. Von Vilnius aus leitet sie nun die Stiftung für Solidarität mit Sportlern in Belarus – und hofft auf mehr internationale Unterstützung. "Einige internationale Organisationen haben auf unseren Appell reagiert. Zum Beispiel sprachen Global Athlete ihre Solidarität aus. Einige Länder sagten Teilnahme an Sportveranstaltungen in Belarus ab. Lettland will die Eishockey-Weltmeisterschaft nicht gemeinsam mit Belarus austragen. Das ist toll."
"Athleten Deutschland" zeigt sich solidarisch
Der Verein "Athleten Deutschland" zeigt sich ebenso solidarisch. Er sieht das IOC in der Pflicht zu handeln, weil es für das Nationale Olympische Komitee in Belarus verantwortlich ist, das von Alexander Lukaschenko geleitet wird. Maximilian Klein, der sich bei "Athleten Deutschland" um die internationale Arbeit kümmert, sagt: "Wir begrüßen es natürlich, dass auch Thomas Bach bereits Untersuchungen angekündigt hat. Gleichzeitig müssen diesen Worten auch Taten folgen. Niemand verlangt vom IOC, Diktaturen in lupenreine Demokratien zu verwandeln. Aber das IOC hat eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht und eine menschenrechtliche Verantwortung in seinem Wirkungskreis. Besonders gegenüber seinen Athletinnen und Athleten. Deswegen muss jetzt gehandelt werden. Das IOC muss sich schützend vor die Athletinnen und Athleten stellen."
Das Team des Handballtrainers Konstantin Jakowlew wurde von der belarussischen Meisterschaft suspendiert, nachdem er sich öffentlich gegen Alexander Lukaschenko stellte. Er hält diese Entscheidung für politisch motiviert. "Wir sind jetzt in der Avantgarde des Kampfes. Mit jedem von uns kann jederzeit etwas passieren. Je länger das IOC und die ganze internationale Community tatenlos bleiben, desto schlimmer wird es für uns hier. Wir spüren den Druck. Ich spreche jetzt mit Ihnen - und in einer Minute, einer Stunde oder einem Tag kann ich hinter Gitter gelangen - wie Yelena Leuchanka."
Bei der erneuten Gerichtverhandlung wurde Leuchanka zu einer Geldstrafe verurteilt und freigelassen. Jedoch wurde sie vom Gericht direkt nach Hause gebracht. So, dass ihre Fans und Freunde, die bis zum Abend vor dem Gefängnis auf sie warteten, sie nicht empfangen konnten.