"Möge das Feuer, so wie das nationale belarussische Symbol - die Farnblüte - unsere Herzen mit dem Licht des Guten erwärmen, und zu edlen Taten inspirieren im Namen des Friedens auf der Welt!"
So sprach der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko bei der Eröffnung der Europaspiele in Minsk im vergangenen Jahr. Damals waren gut 4000 olympische Athleten und Athletinnen zu Gast in seinem Land. Eine Veranstaltung des Europäischen Olympischen Komitees.
Doch mit Frieden ist es seit dieser Woche endgültig vorbei.
"Das passiert hier jeden Tag"
Es erinnert an ein Kriegsgebiet. Brutal gehen Sicherheitskräfte gegen Protestierende vor. Es wird geschossen, Blendgranaten und Tränengas werden eingesetzt. Spezialeinsatzkräfte machen Jagd auf Zivilisten. Dies habe Methode in Belarus unter Alexander Lukaschenko, der seit 1994 an der Macht ist, erklärt Enira Bronitskaya von der belarussischen Menschenrechtsorganisation Human Constanta.
"Ich bin mir sicher, dass all dies, auf klaren Befehl stattfindet. Der lautet: die Proteste irgendwie zu stoppen. Sie wollen die Leute verängstigen, damit sie nicht auf die Straße gehen. Aber es ist nicht so, dass dies hier nur während der Wahlen geschieht. Das passiert hier jeden Tag. Vielleicht wurden die Menschen vor den Wahlen weniger geschlagen. Aber das passiert hier regelmäßig in letzten 26 Jahren."
"Die Regierung muss aufhören, ihr eigenes Volk zu ermorden"
Die aktuellen Proteste in Belarus sind für das Land eine neue Dimension. Die Präsidentschaftswahlen vom 9. August, nach denen Lukaschenko 80 Prozent der Stimmen von der zentralen Wahlkommission zugesprochen wurden, trieben die Leute auf die Straße. Unter ihnen auch Sportler, wie der Fußballer Jewgeni Kostjukewitsch.
Der ehemalige Torwart des belarussischen Fußball-Klubs NFK Krumkachi Minsk konnte die Brutalität gegen die Bevölkerung nicht mehr ertragen. Gegenüber der ARD-Sportschau sagte er: "Man muss sich zusammenschließen und alles unternehmen, damit die Regierung aufhört, ihr eigenes Volk zu ermorden. Wir sind hier ruhige, geduldige Menschen, keiner will Krieg. Wenn man einen Namen und eine Bekanntheit hat, dann ist es umso wichtiger, etwas zu tun. Mein Gewissen erlaubt es mir nicht, zu schweigen. Ich würde mich schämen, wenn ich nichts derartiges tun würde. Vor allem wenn man sieht, dass unschuldige Menschen verprügelt werden."
Auch viele Sportler wurden verhaftet
7000 Menschen wurden in den vergangen Tagen verhaftet, heißt es. Darunter auch Sportler. Etwa der Kickboxer Alexei Kudin oder Fußball-Nationalspieler Anton Saroka von Bate Borissow, dem erfolgreichsten Klub des Landes. Er wurde inzwischen wieder freigelassen, genauso wie Eishockeyspieler Ilja Litwinow.
Der 22-Jährige wurde laut Medienberichten auf dem Rückweg vom Training verhaftet und verprügelt. Wie viele andere, die jetzt wieder auf freiem Fuß sind, zeigte Litwinow in sozialen Netzwerken seine Wunden von Prügel. Immer mehr Berichte von gezielten Misshandlungen, Folter und Erniedrigungen würden bei ihr eingehen, erklärt Menschenrechtsanwältin Enira Bronitskaya:
"In Zellen, in denen eigentlich vier oder sechs Leute Platz haben, waren bis an die 50 Personen eingeschlossen. Es herrschen unzumutbare und unmenschliche Bedingungen. Die, die nun endlich wieder auf freien Fuß sind, berichten schreckliches. Vor allem Männer wurden nahezu jede Nacht aus den Zellen geholt und vorsätzlich zusammengeschlagen. Und die Menschen, die sie schlugen, riefen ihnen dabei zu: Du verlangst Demokratie? Hier bekommst du, was du verlangt hast."
Viele Sportler äußern sich derzeit in sozialen Netzwerken kritisch über Lukaschenko. Der Fußballer Ilja Schkurin, der in der russischen Liga bei ZSKA Moskau unter Vertrag steht, kündigte an, unter einem Präsidenten Lukaschenko nicht für die Nationalmannschaft zu spielen.
Selbst die "Heldin von Belarus" fordert Gewaltverzicht
Ein besonderer Fokus liegt aber auf der sogenannten "Heldin von Belarus". Darja Domratschewa, erfolgreiche Biathletin und viermalige Olympiasiegerin. Auf Instagram forderte sie die Sicherheitskräfte zum Gewaltverzicht auf. Doch viele Belarussen kritisieren sie wegen ihrer Nähe zum langjährigen Staatspräsidenten.
Der sonnt sich gern im Licht des Sports. Und Sport ist in Belarus Staatsangelegenheit. Seit 1997 ist Lukaschenko auch Präsident des Nationalen Olympischen Komitees.Vom Europäischen Olympischen Komitee erhielt er schon vor Jahren eine Auszeichnung für seinen "herausragenden Beitrag zur olympischen Bewegung".
Und das Internationale Olympische Komitee? Auf die Frage des Deutschlandfunks, wie das IOC das Vorgehen Alexander Lukaschenkos gegen die Proteste sowie seine Doppelrolle als NOK-Präsident bewerte, teilte es mit: "Das IOC hat weder das Mandat noch die Fähigkeit, die Gesetze oder das politische System eines souveränen Landes zu ändern, und wird sich daher nicht zu den politischen Entwicklungen in einem Land äußern."
"Der Sport macht sich auch mitschuldig"
Kein kritisches Wort vom IOC und seinem Präsidenten Thomas Bach,der Lukaschenko bei den Europaspielen vergangenes Jahr noch für die exzellente Organisation und die gute Atmosphäre gratulierte.
Der Sport und seine Dachverbände machen sich so mitverantwortlich, kritisiert Viola von Cramon, Abgeordnete der Grünen im Europaparlament.
"Ich finde, es ist absolut unverantwortlich, wie passiv der Sport ist, wie hier weggeguckt wird. Wie mit keiner Silbe erwähnt wird, was in Belarus vorgeht. Keine Stellungnahme von keinem Sportverband, keine Aufforderung des Rücktritts. Ich finde das absolut unverantwortlich, und damit macht sich der Sport nicht nur angreifbar, sondern auch mitschuldig."
Verbände gehen auf Tauchstation
Auch die Internationale Eishockey-Föderation geht auf Tauchstation. Im nächsten Jahr soll in Minsk ein Teil der Weltmeisterschaft gespielt werden. Auf Deutschlandfunk-Anfrage, ob der Verband weiter daran festhalte, gab es keine Antwort. Und auch der Europäische Fußball-Verband plant nächstes Jahr mit der belarussischen Hauptstadt. Im März soll dort der UEFA-Kongress stattfinden. Auch unter einem Präsidenten Lukaschenko? Die UEFA teilt dem Deutschlandfunk mit, dass der Verband den Kongress organisiere und nicht die belarussische Regierung.
Derweil fordern sie in Belarus aus Sicht von Enira Bronitskaya von Human Constanta nur das Mindeste.
"Die Sportfunktionäre, die hierher kommen, sollten ihre Unterstützung gegenüber der Bevölkerung zeigen. Es ist schwierig in diesem Land für einen Boykott einer Sportveranstaltung zu sein. Aber ich denke, der Sport sollte mindestens Solidarität mit den Leuten zeigen, die hier gerade leiden. Jetzt."