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Proteste in den USA
Polizeigewalt auch gegen Journalisten

Die Reaktionen auf den Tod des Afroamerikaners George Floyd in den USA werden immer heftiger. Mit großer Härte gehen Polizisten offenbar nicht nur gegen Demonstranten vor. Auch Journalisten werden von Sicherheitskräften brutal angegriffen, verletzt, sogar beschossen. Journalistenverbände sind alarmiert.

Jan Bösche im Gespräch mit Stefan Fries / Text von Nina Magoley |
Mehrere Teilnehmer einer Demonstration stehen in Chicago einer Gruppe von Polizisten gegenüber
An vielen Orten in den USA protestieren Menschen gegen Polizeigewalt (picture alliance / AP Images / Nam Y. Huh)
Die Bilder und Videos erinnern an bürgerkriegsähnliche Szenen: Mit teils brutaler Härte gehen US-amerikanische Polizisten gegen Demonstranten vor, die derzeit an vielen Orten in den USA gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstrieren. Auch Reporter werden dabei von Polizisten geschubst und geschlagen, mit Schusswaffen bedroht oder mit Tränengas attackiert.
Auf Twitter sammeln US-amerikanische Journalistinnen und Journalisten derzeit Videos, die solche Vorfälle belegen. In den Videos, die wir nicht verifizieren konnten, sieht man, wie Pressevertreter drangsaliert werden. Ein Reporter zeigt Würgemale am Hals, eine andere Pressemitarbeiterin Blutergüsse und ihr zugeschwollenes Auge. Ein Fernsehreporter der Deutschen Welle wird von Polizisten vor laufender Kamera mit Gummikugeln beschossen, ein Team der Nachrichtenagentur Reuters Agenturen zufolge durch solche Geschosse verletzt.
Immer wieder sieht man Szenen, in denen Journalisten offenbar von Polizisten gepackt, getreten oder zu Boden gestoßen werden. Mehrfach richten Sicherheitskräfte ihre Schusswaffen auf Kamerateams oder Fotografen. Innerhalb von zwei Tagen wurden alleine auf Twitter mehr als hundert Fälle von Gewalt gegen Journalisten dokumentiert.
Mit Gummikugeln beschossen
Pressevertreter seien "absichtlich mit Gummigeschossen beschossen sowie mit Tränengas und Pfefferspray besprüht" worden, meldete die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation "Reporters Committee for Freedom of the press" RCFP am Sonntag. Auch Reporter des Senders CNN und der "New York Times" hatten über Schwierigkeiten mit Sicherheitskräften berichtet. Einige Journalisten seien verhaftet worden, obwohl sie sich als Mitarbeiter der Presse ausweisen konnten, berichtet die "Washington Post". Auch ein Reporter der "Detroit News" wurde offenbar festgenommen, während er seine Arbeit tat.
Derartige Gewalt gegen Medienvertreter habe es in den USA seit den Bürgerprotesten und Rassenunruhen in den 1960er Jahren nicht mehr gegeben, stellt Ali Velshi, bekannter kanadischer TV-Journalist beim Sender MSNBC, der Washington Post zufolge fest. Er selber haben am vergangenen Wochenende bei den Protesten in Minneapolis einen Schuss in den Oberschenkel erhalten - abgefeuert aus einer Polizewaffe.
Bundesregierung fordert Aufklärung
Die Bundesregierung kündigte an, wegen der Schüsse auf den DW-Reporter Stefan Simons mit den US-Behörden in Kontakt zu treten. Jede Gewaltausübung, "die es in diesem Zusammenhang gibt", müsse "konsequent verfolgt und aufgeklärt werden", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas.
Auch die australische Regierung hat sich mittlerweile eingeschaltet: Nachdem zwei Mitarbeiter des australischen Senders 7News bei einer friedlichen Demonstration vor dem Weißen Haus von Polizisten angegriffen wurden, soll die Botschaft des Landes in Washington den Vorfall nun untersuchen. Vor laufender Kamera sei zu sehen gewesen, wie ein Beamter die Reporterin mit einem Schlagstock angreift und ein anderer dem Kameramann ins Gesicht schlägt, berichtete die Regierung in Canberra. Auch Tränengas und Gummigeschosse seien zum Einsatz gekommen.
Fotografin verlor ein Auge
Journalistenverbände reagieren mit Entsetzen auf solch massive Angriffe auf die Pressefreiheit. Nach Angaben von "Reporter ohne Grenzen" gab es in den vergangenen Tagen mindestens 68 Übergriffe gegen Journalisten. Eine Fotografin verlor demnach ihr linkes Auge, nachdem sie von einem Gummigeschoss getroffen worden war.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) nannte die Gewalt gegen Medienvertreter "besonders perfide". Die Polizei habe für den Schutz der Journalistinnen und Journalisten zu sorgen, "auf keinen Fall dürfen Medienvertreter gezielt beschossen werden", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall.
Trumps "Dämonisierung" der Medien
Beide Organisationen fordern strafrechtliche Konsequenzen für die beteiligten Polizisten. Reporter ohne Grenzen macht unter anderem die feindliche Haltung des US-Präsidenten gegenüber der Presse für die Gewalt verantwortlich. Durch seine "Dämonisierung" der Medien habe Trump ein klares Feindbild aufgebaut, sagte Geschäftsführer Christian Mihr. Die "beispiellose Brutalität", mit der sowohl die Polizei als auch Protestierende in den vergangenen Tagen auf Reporterinnen und Reporter losgegangen waren, seien das Ergebnis dieser feindseligen Rhetorik.
Pulitzer-Jury fordert Untersuchungen
Auch die Jury des renommierten Pulitzer-Preises zeigt sich bereits besorgt: In einer aktuellen Mitteilung mahnte die Organisation an, bei den Protesten die Rechte von Journalistinnen und Journalisten in den USA zu achten. Es sei "von entscheidender Bedeutung, dass Journalisten ihre im Rahmen des Ersten Verfassungszusatzes geschützte kritische Funktion sicher wahrnehmen können, um öffentliche Ereignisse in einer Zeit tiefer Spaltung und öffentlicher Spannungen zu dokumentieren". Vorfälle gegen die Presse müssten untersucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Der 46-jährige Afroamerikaner George Floyd war am 25. Mai 2020 in Minneapolis gestorben, nachdem ein weißer Polizist ihn minutenlang mit dem Knie auf dem Hals zu Boden gedrückt hatte. Eine von zwei Autopsien seiner Leiche hatte bestätigt, dass Floyd erstickt ist. Seitdem protestieren tausende Amerikaner landesweit auf den Straßen gegen Rassismus und Polizeigewalt.