Sollten die Wahlvorschläge des Volkskongresses für die ersten direkten Wahlen nicht angenommen werden, bliebe es beim alten Verfahren, nach dem ein zu Peking loyales Wahlkomitee den Regierungschef bestimmt. "Hongkong untersteht direkt der Zentralregierung, ist eine lokal verwaltete Region und nicht ein Land oder eine unabhängige politische Einheit", schrieb nun das Parteiblatt. Einigen Leuten fehle das richtige Verständnis dafür. Die Proteste bezeichnete der Kommentar weiter als "illegale Versammlungen", die die soziale Ordnung unterminierten.
An der Frage des Wahlrechts hatten sich vor rund einer Woche die Proteste entzündet: Sie richten sich gegen den Beschluss des Volkskongresses, 2017 zwar erstmals eine direkte Wahl des Regierungschefs zu erlauben, die Kandidaten aber durch die chinesische Führung auswählen zu lassen. Weitere Gründe für die Demonstrationen sind die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, steigende Immobilienpreise und die Sorge über die Kontrolle durch die repressive Pekinger Führung.
Entgegen vieler Befürchtungen kam es in der Nacht auf Freitag nicht zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Demonstranten und der Polizei. Die Studenten mühten sich, eine Konfrontation zu vermeiden. Um Mitternacht Ortszeit (18 Uhr deutscher Zeit) war ein Ultimatum der Protestgruppen an den Regierungschef abgelaufen, dass den sofortigen Rücktritt von Leung Chun-ying gefordert hatte, dieser hatte jedoch abgelehnt. Die Studentenvereinigung hatte für diesen Fall mit einer Besetzung wichtiger Regierungsgebäude in Chinas Sonderverwaltungsregion gedroht, die Polizei vor "ernsten Konsequenzen" gewarnt. Gleichzeitig hatte der Regierungschef seine Verwaltungschefin Carrie Lam angewiesen, mit der Studentenvereinigung das Gespräch zu suchen.
Hoffnung auf "offenen Dialog"
Die Demonstranten äußerten nun ihre Hoffnung auf einen "offenen Dialog", bekräftigten aber ihre Forderung nach dem Rücktritt Leungs. Über Nacht hatte es innerhalb ihres Lagers heftige Diskussionen gegeben, ob auch eine wichtige Verkehrsader mit dem Tunnel zwischen der Insel Hongkong und der Halbinsel Kowloon blockiert werden soll. Einige Studenten sperrten schließlich zwei Spuren, doch die Polizei leitete den Verkehr über die anderen Spuren - die Auswirkungen blieben also gering. Bislang sind die Zugänge zum Sitz des Regierungschef und und einige wichtige Straßen im Zentrum der Wirtschaftsmetropole blockiert.
An den Protesten beteiligen sich Zehntausende Hongkonger, die sich schon
gegen Tränengas und Pfefferspray der Polizeikräfte
ausgesetzt sahen. Dagegen schützen sich die Demonstranten mit Regenschirmen, weshalb sich die Protestbewegung auch "Regenschirm-Revolution" nennt - was den friedlichen Charakter der Proteste betonen soll.