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Proteste in Hongkong
Demonstration endet mit Gewalt

Eine zunächst friedliche Großdemonstration im Zentrum von Hongkong ist am Ende doch in Gewalt umgeschlagen. Zahlreiche Demonstranten lieferten sich heftige Straßenschlachten mit der Polizei. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, für die Eskalation verantwortlich zu sein.

Von Steffen Wurzel |
    Eskalation in Hongkong: Mit Regenschirmen und Gasmasken versuchen sich die Demonstranten vor dem Tränengas der Polizei zu schützen.
    Eskalation in Hongkong: Mit Regenschirmen und Gasmasken versuchen sich die Demonstranten vor dem Tränengas der Polizei zu schützen. (AFP / Anthony Wallace)
    Im Westteil von Hongkong, im Stadtteil Sheung Wan, liefern sich Polizisten und einige hundert Demonstranten eine Straßenschlacht. Die Polizei setzt Tränengas ein, auch Schlagstöcke und Blend-Scheinwerfer. Nach Angaben der Polizei haben einige Aktivisten auch Brände gelegt. Die Stimmung ist sehr aufgeladen, aggressiv und es sieht nicht danach aus, dass sich die Lage in Hongkong heute Abend schnell wieder normalisiert. Vor dem Verbindungsbüro der chinesischen Staats- und Parteiführung in Hongkong hat die Polizei starke Kräfte zusammengezogen, um das Gebäude vor Angriffen zu schützen oder vor einer Stürmung durch Demonstranten.
    Die zunächst friedliche Demonstration vom Nachmittag ist damit vollends in Gewalt umgeschlagen. Die meisten Passanten, Anwohner und Touristen haben die Straßen im Zentrum Hongkongs inzwischen verlassen, es sind fast keine Autos mehr zu sehen. Aber: Immer noch strömen Tausende Demonstranten in Richtung der Ausschreitungen. So auch der 20-jährige Cyrus, der wie die meisten eine Maske über Nase und Mund trägt, um auf Fotos und Videoaufnahmen nicht erkannt zu werden.
    "Wir versuchen, keine Gewalt auszuüben. Aber wenn wir angegriffen werden, schlagen wir zurück. Wir haben eine ganze Liste von geplanten Aktionen. Wir werden überall auftauchen."
    Große Wut und Misstrauen gegen Polizei
    Es sind vor allem junge Frauen und Männer wie Cyrus, die auf den Straßen im Zentrum Hongkongs unterwegs sind. Fast alle sind in Schwarz gekleidet, neben Masken tragen viele auch kleine Gasmasken und Bauarbeiterhelme, um sich vor dem Tränengas und vor den Gummigeschossen der Hongkonger Polizei zu schützen.
    Spürbar sind große Wut und großes Misstrauen, gegen die Hongkonger Polizei und gegen die von der Führung in Peking eingesetzte Stadtregierung.
    Das ist Douglas, 40 Jahre alt. Er ist Historiker. Er ist allein und zu Fuß unterwegs in Richtung Regierungsviertel. Er will für Demokratie in Hongkong kämpfen, sagt er. Bisher gibt es die in der früheren britischen Kolonie nur teilweise. Die bei vielen verhasste Regierungschefin Carrie Lam etwa wurde von Chinas Staats- und Parteiführung de facto eingesetzt.
    "Die chinesische Regierung hat uns 1997, nach der Übergabe der Stadt von Großbritannien an China, Demokratie versprochen. Stattdessen hat sie alle freien Wahlen bisher verhindert. Vor allem junge Leute glauben deswegen, dass sie hier keine gute Zukunft mehr haben. Deswegen müssen wir alle rausgehen und protestieren."
    Holzlatten und Bambus-Rohre für die "Front"
    An mehreren Orten im Zentrum von Hongkong haben Aktivisten am Abend Straßensperren aufgebaut. Viele schleppen Verpflegung, Holzlatten und Werkzeug mit sich herum. Diese Demonstranten tragen dicke, drei-Meter-lange Bambus-Rohre in Richtung der Krawalle– in Richtung der "Front", wie sie sagen.
    "Keine Ahnung, wofür wir diese Rohre noch brauchen. Aber es wird bestimmt nützlich sein", sagt der Anfang 20-Jährige.
    Es dürfte eine lange Nacht werden in Hongkong.