Umbrella Square - Regenschirm-Platz - so haben die Demonstranten ihre zentrale Protestzone vor dem Hongkonger Regierungsgebäude getauft. Der Regenschirm ist das Symbol dieser Demokratiebewegung. Auf dem Umbrella Square hat sich mittlerweile so etwas wie ein Alltag entwickelt. Studenten haben Schreibtische aufgebaut und lernen für die Uni. Ein paar Meter weiter hält jemand einen Vortrag zum Thema Bürgerbeteiligung. Daneben läuft ein Film im improvisierten Open-Air-Kino.
Der Umbrella Square, eigentlich eine achtspurige Verkehrsachse, steht voller Zelte. Jede Nacht campieren hier Hunderte. Die meisten sind Studenten Anfang 20. Sie haben sich eingerichtet. Tagsüber gehen viele zur Uni, abends kommen sie zurück. Sie sind die Kerngruppe dieser Proteste, die jetzt schon in ihre vierte Woche gehen.
Peking nennt diese Menschen Radikale. Radikal wirkt hier kaum jemand, wild entschlossen durchaus. Es geht um mehr als nur Hongkongs Wahlsystem, sagen sie. Es geht darum, ihre Heimatstadt und deren Bürgerfreiheiten vor Pekings Zugriff zu retten. Der Entscheidungskampf habe begonnen.
"Das ist die letzte Chance für Hongkong", sagt Eva, eine Kunststudentin. "Wenn wir scheitern oder jetzt umkehren, war es das. Deshalb dürfen wir keine Kompromisse eingehen. Sonst verlieren wir unsere Werte für immer. Die Regierung wird uns unterdrücken. Und Hongkong wird zu einer ganz normalen chinesischen Stadt."
Proteste spalten Familien
Es gebe keine Alternative zu den Besetzungen, sagt Eva. Alles hätten sie schon versucht: Großdemos, Kunstaktionen, ein inoffizielles Referendum - umsonst. Die Straße sei das einzig verbliebene Druckmittel. Aufhören ist keine Option.
"Wenn wir jetzt nicht weiter protestieren, kann es zu spät sein, sagt Leona, eine Politikstudentin. Ich befürchte: Wenn die Hongkonger sehen, dass selbst ein solch großer Protest nichts bringt, werden sie endgültig aufgeben. Deshalb bleibe ich hier."
Ganz wohl ist Leona nicht bei dem, was sie da tut. Sie fürchtet die Polizei.
"Ich habe wirklich Angst. Die wenden jetzt Gewalt an. Und außerdem unterstützt mich meine Familie nicht. Die Beziehung mit meinen Eltern könnte zerbrechen. Zu Hause vermeide ich das Thema komplett. Aber meine Mutter greift mich an. Ihr blockiert die Straßen, sagt sie, ihr seid Störenfriede und so weiter."
Die Proteste spalten viele Familien. Und die Gesellschaft. Die Studenten stoßen auf immer mehr Gegenwehr. Vor allem wegen solcher Szenen.
"Das ist ein politisches Erwachen"
Fast jede Nacht kommt es mittlerweile zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Die Studenten wehren sich gegen Räumungen. Schlagstöcke, Pfefferspray kommen zum Einsatz, die Polizei schlägt immer härter zu. Einige Demonstranten geben den passiven Widerstand auf und fangen an zu kämpfen. Andere versuchen, in Form von Flashmobs neue Straßen zu besetzen, was unweigerlich zu neuen Polizeiaktionen führt. Viele Demonstranten halten das für falsch. Die Bewegung hat keine wirklichen Anführer, sie droht sich zu spalten. Die Proteste könnten sich noch wochenlang hinziehen und gewalttätiger werden. Am Ende wird Peking wohl trotzdem nicht nachgeben. War dann alles umsonst? Nein, sagt der Politologe Willy Lam:
"Selbst wenn die Bewegung nichts Konkretes erreicht in Sachen Wahlrecht, so hat sie doch die Hongkonger Politik verändert. Zum ersten Mal in der Geschichte haben Hongkonger Bürger die Initiative ergriffen und fordern Mitsprache und demokratische Rechte. Das ist ein politisches Erwachen. Und das ist eine große Errungenschaft der Occupy-Central-Bewegung."