Archiv

Proteste in Hongkong
Regierungschef lehnt Rücktritt ab

Das Ultimatum ist abgelaufen: Hongkongs Regierungschef lehnt seinen von der Demokratiebewegung geforderten Rücktritt ab. Für diesen Fall hatten die Demonstranten die Besetzung von Regierungsgebäuden angekündigt. Nach einer Woche droht der friedliche Protest in Gewalt umzuschlagen.

    Ein Demonstrant mit Guy Fawkes Maske vor den Barrikaden der Demokratiebewegung in Hongkong.
    Ein Demonstrant mit Guy Fawkes Maske vor den Barrikaden der Demokratiebewegung in Hongkong. (AFP / ALEX OGLE)
    Am Donnerstag lief ein Ultimatum der Studenten an den Regierungschef ab, die den sofortigen Rücktritt von Leung Chun-ying fordern. Kurz vor Fristende um Mitternacht Ortszeit (18.00 Uhr deutscher Zeit) sagte Leung: "Ich werde nicht zurücktreten."
    Die Studentenvereinigung hat für diesen Fall mit einer Besetzung wichtiger Regierungsgebäude in Chinas Sonderverwaltungsregion gedroht. Die Polizei warnte sie vor "ernsten Konsequenzen" und kündigte ein Durchgreifen an, falls Aktivisten amtliche Stellen stürmen, besetzten oder umzingeln sollten. Am Abend bereitete sich die Polizei mit Tränengas, Gummigeschossen und spezieller Ausrüstung gegen Unruhen auf eine mögliche Eskalation vor. Zugleich wies der Regierungschef seine Verwaltungschefin Carrie Lam an, mit der Studentenvereinigung in einen Dialog zu treten.
    Regierungssitz blockiert
    Hunderte Aktivisten der Demokratiebewegung hatten am Morgen Zugänge zum Sitz des Regierungschefs blockiert. Dieser liegt direkt neben den Baracken der chinesischen Volksbefreiungsarmee in Hongkong und ist nur fünf Minuten entfernt vom Hauptschauplatz der Proteste. In der Nacht harrten die Demonstranten trotz der Regengüsse aus. Ihre obligatorischen Regenschirme kamen aber auch schon gegen Tränengas und Pfefferspray der Polizeikräfte zum Einsatz. Wegen der Schirme nennt die Demokratiebewegung die Proteste auch "Regenschirm-Revolution" - und will damit nach außen betonen, wie friedlich sie ist.
    Die Demonstranten besetzten auch weitere wichtige Straßen im Zentrum der Wirtschaftsmetropole. Die Polizei war auf Abstand zu den überwiegend jungen Menschen geblieben. "Ich glaube nicht, dass wir das länger als zwei Wochen durchhalten können", sagte ein 26 Jahre alter Teilnehmer im Einkaufsviertel Causeway Bay. Daher werde nun diskutiert, welche anderen Maßnahmen möglich seien.
    Die seit sieben Tagen anhaltenden Proteste hatten sich an Beschlüssen des Pekinger Volkskongresses entzündet. Demnach dürfen die Hongkonger 2017 zwar erstmals ihren Regierungschef direkt wählen, aber welcher Kandidat sich zur Wahl stellen darf - das bestimmt Peking. Doch es gibt auch andere Gründe für den Unmut: die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, steigende Immobilienpreise und die Sorge über die Kontrolle durch die repressive Pekinger Führung.
    App späht Demonstranten aus
    Die Hongkonger dürften kaum überrascht sein über die Sicherheitswarnung einer US-Internetfirma. Demnach späht die chinesische Regierung die prodemokratischen Demonstranten mit Hilfe einer Smartphone-App aus. Die Aktivisten bekämen einen Link zu dem Anwendungsprogramm zugeschickt, der vorgebe, von einer Protestgruppe zu sein, berichtete das Unternehmen Lacoon Mobile Security. Sobald die App heruntergeladen werde, ermögliche die Software möglichen Überwachern Zugang zum Adressbuch des Handys, zu Anrufprotokollen sowie weiteren Informationen. Lacoon stellte fest, dass die technischen Details der Software Anzeichen dafür gäben, "dass die chinesische Regierung hinter der Attacke steckt".
    Smartphone-Besitzer machen Fotos von den Protesten vor den Regierungsgebäuden in Hongkong.
    Smartphone-Besitzer machen Fotos von den Protesten vor den Regierungsgebäuden in Hongkong. (dpa / picture-alliance / Dennis M Sabangan)
    Die Regierung in Peking befürchtet ein Übergreifen der Demonstrationen auf das Festland. Die Proteste haben für Unruhe an den Märkten gesorgt. Die Börsen in Hongkong und China sind heute wegen eines Feiertags geschlossen.
    (tön/sdö/cc/ach)