Dies werfe die Frage auf, wo die Grenze sei, sagte der Journalist im Deutschlandfunk. Immerhin hätten trotz aller Beschränkungen Journalisten noch frei über die Ereignisse berichten können. Allerdings würden momentan die öffentlichen Medien unter Kontrolle gestellt, die Rundfunksender zu Propagandamaschinen gemacht.
Das Parlament solle nach dem Willen der Regierung fast von der Berichterstattung ausgeschlossen werden, erklärte Wielinski. "Wenn man die Presse aus dem Parlament entfernen will, gibt es wirklich etwas zu verbergen." Das sei angesichts der Historie des Landes bedenklich. Im Kommunismus hätten die Medien gelogen. "Die Geschichte lehrt uns, dass die freie Presse ein wichtiges Fundament ist."
Das Interview in voller Länge:
Sarah Zerback: Und darüber sprechen wir jetzt mit Bartosz Wielinski. Er ist Redakteur der "Gazeta Wyborcza", der zweitgrößten Tageszeitung des Landes, und wir erreichen ihn in Warschau. Guten Tag, Herr Wielinski!
Bartosz Wielinski: Ja, guten Tag!
"Ein neues Kapital Polens wurde gestern in der Nacht geschrieben"
Zerback: Herr Wielinski, Sie haben eine lange Nacht hinter sich. Wie haben Sie denn die Blockade des Parlaments erlebt?
Welinski: Ja, also ich habe das teilweise am Ort gesehen, dann aus meinem Haus, aus meiner Wohnung, im Fernsehen. Es war live berichtet vom Fernsehen. Das war ganz gutes Aufgebot der Journalisten, auch in den Sozialen Medien gab es eine Menge von Informationen. Da sieht man sofort, dass trotz aller Beschränkungen in den öffentlichen Medien, die in Polen stattgefunden haben seit letztem Jahr, konnten die Journalisten noch frei und unbeschränkt berichten über solche Ereignisse. Aber eines muss gesagt werden: Ein neues Kapital Polens wurde gestern in der Nacht geschrieben, dass etwas geändert ist, würde ich sagen, drastisch geändert ist. Also die Gewalt, die eingesetzt wurde gestern gegen die Demonstranten, dieser Einsatz der Polizei, gibt es Berichte über Tränengas sogar, das weckt, würde ich sagen, große Befürchtungen, in welche Richtung Polen in den kommenden Monaten gehen wird. Der polnische Streit ist eskaliert, hat eine neue Stufe erreicht, und die Auseinandersetzung zwischen der Partei von Herrn Kaczynski und der Opposition wird noch schärfer. Die Frage ist, wo liegt die Grenze, was wird gemacht.
Zerback: Auslöser für dieses neue Kapitel, wie Sie es beschreiben, das nun aufgeschlagen wurde, das sind ja die Einschränkungen, die nun geplant sind in Richtung Mediengesetz. Welche Konsequenzen befürchten Sie denn da für Ihre künftige Arbeit?
Welinski: Also momentan wurden noch die öffentlichen Medien ja beschränkt, also unter Kontrolle der Regierung gebracht. Das öffentliche Fernsehen, der Rundfunk wurden zu Propagandamaschinen der Regierung, sie wiederholen nur das, was von der Regierung befohlen wurde, meistens Lügen. Also man konnte gestern sehen, es gab große Streits im Parlament, eine Blockade der Tribüne von der Opposition, die öffentlichen Medien hatten eine Live-Transmission von einer Messe im katholischen Oberschlesien. Also sie hatten sogar beschränkt die Berichterstattung, die es gab in Warschau. Das ist das eine. Zweite Sache ist, dass das Parlament nach der (unverständliches Wort; Anmerkung der Redaktion) wird fast ausgeschlossen von der Berichterstattung. Das heißt, die Journalisten werden nicht erlaubt, freilich das, was im Parlament passiert, freilich zu berichten. Das wird sehr, sehr beschränkt. Man sollte in einem Pressezentrum sitzen, keine Kamerateams auf Pressetribüne, Fotografieverbot und so weiter und so fort. Das ist zweite Stufe, und jetzt hat man ja Angst – es wurde schon angekündigt –, dass die Medien, die zum ausländischen Pressekonzern gehören werden, kolonisiert. Das heißt, zum Beispiel Axel Springer oder "Passauer Neue Presse", die in Polen auch Anteile im Pressemarkt haben, werden ja irgendwie gezwungen, seine Anteile zu verkaufen, und es wurde schrankemäßig gemacht. Weiß keiner, aber es gibt lauter Appelle von PiS-Abgeordneten, den Deutschen polnische Presse abzunehmen, polnische Presse wieder polnisch zu machen.
"Die freie Presse ist das Fundament eines freien Staats"
Zerback: In dem Bericht haben wir es gerade gehört, das hat ein Journalistenkollege von Ihnen so ausgedrückt, dass die Regierung da wahrscheinlich etwas zu verbergen hat. Was könnte das denn sein, wovor hat sie Angst?
Welinski: Na ja, eigentlich gesagt, also wenn man die Presse aus dem Parlament entfernen wird, das heißt, es gibt wirklich was zu verstecken. Also Kampf mit der freien Presse weckt die schlimmsten Erinnerungen aus unserer Geschichte. Wir hatten im Kommunismus dran gelitten, dass die Medien damals von den Kommunisten kontrolliert werden, ständig lügten, und na ja, die Geschichte lehrt uns, dass die freie Presse das Fundament eines freien Staats ist. Deswegen, glaube ich, hatten die Journalisten protestiert. Also gestern war es eine ganz lustige Sache, weil nach Verkündigung dieser Veränderung im Presseverkehr im Parlament, hatten die meisten Redaktionen in Polen entschieden, einen Tag ohne Politik zu veranstalten. Also den ganzen Tag sollten wir gar nix über Politik berichten. Dann ist dieser Streit im Parlament gekommen, diese Blockade der Tribüne, Auseinandersetzung, Demo vor dem Parlament, und leider mussten wir ständig über diese politischen Ereignisse berichten, aber …
"Zutritt einem Parlamentarier zu verweigern, das ist ein Verbrechen"
Zerback: Das ist ja schon eine ziemlich harsche Anweisung, den Medien also zu sagen, sie sollen nicht berichten. Jetzt haben wir gestern – das haben wir auch gerade gehört –, haben wir erlebt, dass ein Abgeordneter der Opposition des Saales verwiesen wurde. Da fand eine Abstimmung ohne die Opposition statt, ohne die Presse auch.
Welinski: Ja, mehrere Abgeordnete wurden nicht zugelassen. Also einflussreiche Leute im Parlament hatten den Eintritt verhindert. Das ist ein klarer Verfassungsbruch, und ich hoffe, dass die Schuldigen, also der Präsident, wird zur Rechenschaft gezogen dafür. Also hat man öffentlich, schamlos die Verfassung gebrochen. Also Zutritt einem Parlamentarier zu verweigern, das ist ein Verbrechen.
Zerback: Und da hat die Opposition ja bereits juristische Konsequenzen angedroht, aber wie bewerten Sie denn unter diesen Umständen, die wir aktuell erleben in Polen, wie bewerten Sie da die Aussichten auf Erfolg?
Welinski: Na gut, die oberste Instanz bei uns ist das Verfassungsgericht, das wurde lahmgelegt von Kaczynski, war das erste Opfer dieses Regierungswechsels. Schon im letzten Jahr wurde das Gericht ja teilweise lahmgelegt. Jetzt wird das noch verschärft. Man hat eine dritte Novellierung des Gesetzes über das Verfassungsgericht schon verabschiedet. Sie wird bestimmt vom Präsidenten, von Andrzej Duda unterzeichnet, und ab dem neuen Jahr werden wir keine funktionierendes, kein unabhängiges Verfassungsgericht haben. Das heißt, jedes Gesetz wird in kraft treten, und die Regierung wird außer jede Kontrolle funktionieren können, also die check and balance in Polen wird völlig ausgeschaltet. Selbstverständlich …
"Die Demokratie muss verteidigt werden von dem Volk"
Zerback: Und die Demokratie?
Welinski: Die Demokratie muss verteidigt werden von dem Volk. Also leider wird die Straße in Polen eine neue Rolle spielen, und das Volk muss sich sammeln und gemeinsam pro Demokratie und gegen Verfassungsbruch agieren. Das Problem ist, ob die Polen Lust dazu haben werden, aber wenn ich die Ereignisse von gestern gesehen habe, dass innerhalb von ein paar Stunden dank Sozialer Medien hat man eine so große Menge von Leuten versammelt vor dem Gebäude des polnischen Parlaments, das bringt Hoffnung. Selbstverständlich, das ist nur Warschau. Warschau ist Warschau. Die Provinz in Polen könnte anders agieren, aber es gab auch die Information, dass die Proteste … ja, auch kleinere Proteste, aber doch die Proteste wurden in anderen Städten auch veranstaltet.
Zerback: Da müssen wir sicherlich abwarten, was der Tag heute bringt. Ich danke Ihnen erst mal für den Moment für Ihre Einschätzungen. Bartosz Wielinski war das, der Redakteur der "Gazeta Wyborcza". Besten Dank heute nach Warschau!
Welinski: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.