Archiv

Proteste in Russland
Die Rolle der Sportler

Die Verhaftung des Oppositionspolitikers Aleksej Nawalny hat in Russland eine neue Protestwelle ausgelöst. Die Zahl der Sportler und Sportlerinnen, die offen gegen das Regime Wladimir Putins Stellung beziehen, bleibt bislang übersichtlich. Aber es gibt sie.

Von Gesine Dornblüth |
Demonstranten stehen auf einer Demonstration gegen die Festnahme von Alexei Nawalny der Polizei gegenüber.
Polizeiaufgebot bei einer Demonstration von Nawalny-Anhängern in Moskau am 23. Januar. (AFP / Natalia Kolesnikova)
Der ehemalige Mannschaftskapitän der russischen Fußballnationalmannschaft Igor Denissow war einer der ersten russischen Sportler, die sich nach der Verhaftung des Oppositionspolitikers Aleksej Nawalny öffentlich für dessen Freilassung aussprachen. Der 36-jährige nahm ein Video auf und schickte es an das russische Online-Portal Sports.ru.
"Ich habe mich nie für Politik interessiert und werde das auch jetzt nicht. Aber jetzt geht es nicht um Politik. Ich will Aleksej Nawalny unterstützen. Ich schätze ihn sehr. Er muss freigelassen werden."
Gleichfalls bei sports.ru äußerte sich Aleksandr Tichonow, vierfacher Olympiasieger im Biathlon und mittlerweile 74 Jahre alt. Nawalnys Enthüllungen über den Palast für Wladimir Putin seien richtig, über so etwas müsse gesprochen werden.

"Mir gefällt die Gesetzlosigkeit nicht"

Aus den USA meldete sich der russische Eishockeystar Artemi Panarin, zur Zeit bei den New York Rangers unter Vertrag. Bei Instagram postete er ein Foto von Nawalnys Familie, versah es mit dem Hashtag "Freiheit für Nawalny" und bekam dafür zahlreiche Likes auch von Sportlern aus Russland. Panarin hatte Putin bereits vor anderthalb Jahren in einem Interview deutlich kritisiert.
"Ich glaube, er versteht nicht mehr, was gut oder schlecht ist. Mir gefällt die Gesetzlosigkeit nicht. Ich will einfach Veränderungen. Mir fehlt ja nichts, ich habe Geld, ich habe alles. Alles, was ich will, ist, dass die Leute in normalen Berufen ein besseres Leben haben."
Doch die Zahl der Sportler, die gegen das Regime Wladimir Putins Stellung beziehen, bleibt übersichtlich. Es sind vor allem Athleten, die materiell unabhängig sind, im Ausland leben oder bereits Rentner sind. Den Sportjournalisten Vasilij Utkin wundert das nicht.
"Außerdem ist ein Sportler in Russland das Gesicht seines Landes und auch der staatlichen Verhältnisse. Das war schon in der Sowjetunion so. Deshalb stehen die meisten Sportler loyal zu den Machthabern."
Der frühere Eiskunstläufer und heutige Trainer Jewgeni Pluschenko mit der Eiskunstläuferin Alexandra Trusova.
Jewgeni Pluschenko: Der frühere Eiskunstläufer und heutige Trainer wurde von Oppositionspolitiker Nawalny scharf kritisiert. (Imago / ITAR-TASS)
Der Oppositionspolitiker Nawalny hat russische Sportler mehrfach dafür kritisiert: Sie ließen sich von der Regierung für materielle Vorteile einspannen. Im vergangenen Sommer nahm sich Nawalny den ehemaligen Eiskunstlaufstar Jewgeni Pluschenko vor. Der hatte vor dem Referendum über eine umstrittene Verfassungsänderung mit Frau und Kind einen Werbeclip veröffentlicht.

Kritik an Pluschenko

Die Verfassungsänderung ermöglicht Wladimir Putin, bis 2036 im Amt zu bleiben – sofern er wiedergewählt wird. Pluschenko müsse so etwas machen, wenn er erfolgreich sein wolle, meint der Sportjournalist Vasilij Utkin.
"Eiskunstlaufen ist ein sehr teurer Sport. Er hat erzählt, dass er als Trainer zwei neue Stadien bauen lässt. Das geht nicht ohne staatliche Unterstützung. Pluschenkos Erfolg als Trainer hängt davon ab, dass ihm etwas zugeteilt wird vom Kuchen. Unser Land funktioniert so. Fast alles ist staatlich, da ist das nur logisch."
Utkin selbst macht aus seinen liberalen Ansichten kein Geheimnis. Die staatlichen und staatsnahen Fernsehkanäle beschäftigen ihn schon länger nicht mehr. Er betreibt mittlerweile einen eigenen Youtube-Kanal. Auch wenn sich nur wenige russische Sportler öffentlich äußern, glaubt er, dass immer mehr Athleten Nawalny insgeheim unterstützen.
"Soweit ich das beurteilen kann, sind die Sportler genauso schockiert wie alle anderen. Vielen hat die Gewalt vom Staat, das unangemessen strenge Vorgehen gegen die Protestierenden die Augen geöffnet. Da sind Sportler nicht anders als andere Menschen."