Bangladesch
Proteste mit Vorgeschichte

In Bangladesch halten die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Regierungsgegnern und Sicherheitskräften an. Welchen Hintergrund haben die Proteste in dem südasiatischen Land - und wie geht die politische Führung dagegen vor?

    Demonstranten in Dhaka stehen auf einem Denkmal und schwenken die Flagge Bangladeschs.
    Allein am Sonntag sind rund 100 Menschen bei Protesten in Bangladesch getötet worden - hier Demonstranten in der Hauptstadt Dhaka. (picture alliance / abaca / Suvra Kanti Das / ABACA)

    Weshalb wird demonstriert?

    Die Regierung hatte versucht, eine bis 2018 geltende Quotenregelung für gut bezahlte Jobs im Öffentlichen Dienst wiedereinzuführen. Ursprünglich sollten 30 Prozent der Stellen für bestimmte Gruppen reserviert werden. Nach einem Urteil des Obersten Gerichts senkte die Regierung diesen Anteil auf lediglich sieben Prozent. 93 Prozent der Jobs sollen nach Leistung vergeben werden - also nach dem Kriterium, das viele Studenten gefordert hatten.
    Angehörige der Protestbewegung kritisierten, dass die zuvor geplante Verteilung vor allem Anhänger der regierenden Awami-Liga begünstigt hätte. Das muslimisch geprägte Land mit über 170 Millionen Einwohnern erlebte in den vergangenen Jahren einen wirtschaftlichen Aufschwung. Inzwischen macht die hohe Inflation der Bevölkerung aber zu schaffen; viele Menschen sind arbeitslos. Zuletzt forderten die Demonstranten den Rücktritt von Premierministerin Hasina. Sie gab nun ihr Amt auf und floh ins benachbarte Indien.

    Warum steht Hasina in der Kritik?

    Hasina war im Januar für eine fünfte Amtszeit bestätigt worden. Allerdings hatte ein Teil der Opposition die Wahl boykottiert, aus der die Awami-Liga der 76-Jährigen als offizielle Siegerin hervorging. Im Vorfeld der Abstimmung waren Tausende Regierungsgegner inhaftiert worden. Nach Aussage der größten Oppositionspartei, der Bangladesh Nationalist Party (BNP), deren Führungsspitze ebenfalls festgenommen wurde, kamen mehr als 25.000 Politiker in Gewahrsam. Die Regierung sprach im Januar von 11.000 festgenommenen Oppositionellen.

    Wer unterstützt die Proteste?

    Der ursprünglich studentischen Protestbewegung haben sich mittlerweile Menschen aus allen Bevölkerungsschichten angeschlossen, ebenso Filmstars, bekannte Musiker und auch ehemalige Generäle. Mehr als 40 Unternehmen der für Bangladesch wichtigen Textilbranche haben sich gleichfalls mit den Demonstranten solidarisiert.

    Wie viele Tote wurden bisher gezählt?

    Allein am Sonntag wurden örtlichen Medien zufolge fast 100 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten getötet. Das war die höchste Zahl an Opfern, die seit Beginn der Proteste an einem einzigen Tag registriert wurde. Die Nachrichtenagentur AFP gibt die Gesamtzahl der Getöteten im Rahmen einer eigenen Zählung mit mindestens 300 an.

    Wie versuchte die Regierung die Proteste zu unterdrücken?

    Für die Hauptstadt Dhaka und weitere Gebiete war am Sonntag eine Ausgangssperre verhängt worden. Ab diesem Montag gilt zudem ein dreitägiger Urlaub für alle Bürger. Die Polizei geht vor allem unter Einsatz von Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor. Das Internet wurde wiederholt blockiert, so dass Facebook und Messaging-Dienste wie Whatsapp nicht erreichbar waren. Der Staatssekretär für Information und Medien, Arafat, erklärte, mit dem Schritt solle die Gewalt eingedämmt werden.
    Vor wenigen Tagen hatten die Behörden eine radikal-islamische Partei und deren Studentenflügel wegen der angeblichen Beteiligung an Ausschreitungen verboten. Die Regierung warf der Jamaat-e-Islami - die einst gemeinsam mit der damaligen Premierministerin Zia regiert hatte - vor, zu Gewalt und terroristischen Aktivitäten anzustacheln. Die Partei darf schon seit Jahren nicht mehr an Wahlen teilnehmen. Allerdings hatte sie bis zuletzt noch die Möglichkeit, sich anderweitig politisch zu betätigen.
    Diese Nachricht wurde am 05.08.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.