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Proteste vor dem Parlament
Umstrittene Gerichtsreform in Polen

In Polen geht die Debatte um die umstrittene Justizreform in die nächste Runde. Präsident Andrzej Duda hatte im Sommer sein Veto gegen zwei zentrale Gesetze eingelegt. Nun berät das Parlament seine Vorschläge. Am Freitag hat der Sejm sie zur weiteren Diskussion in die Ausschüsse verwiesen. In mehreren Städten versammelten sich am Abend Reformgegner.

Von Florian Kellermann |
    Demonstranten halten Kerzen
    Bereits im vergangenen Sommer wurde gegen die Justizreform demonstriert (AP)
    Es sollte der Auftakt zu einer neuen Protestwelle sein. Einige Tausend Menschen kamen vor den Präsidentenpalast in der Warschauer Innenstadt. Denn auch die Vorschläge zur Gerichtsreform, die Präsident Andrzej ins Parlament eingebracht hat, verstoßen gegen die Verfassung, meint Julia Minaszewicz, Philosophiestudentin und eine der Organisatorinnen des Protestes:
    "Es gab auch keine öffentliche Debatte über die Vorschläge des Präsidenten. Und auch sie verstärken den Einfluss der Regierung auf die Gerichte. Sie haben die Menschen enttäuscht, die sich im Juli so gefreut haben über die Vetos von Andrzej Duda."
    Einflussbegrenzung gefordert
    Das wichtigste Gesetz, das dem Parlament vorliegt, betrifft den Landesjustizrat. Ein wichtiges Organ, das unter anderem bei der Ernennung von Richtern eine große Rolle spielt. Die rechtskonservative Regierungspartei PiS möchte, dass die meisten Richter in dem Rat vom Parlament bestimmt werden. In den Präsident Dudas Vorschlag ist zumindest gewährleistet, dass auch die Opposition über einige der Vertreter wird entscheiden können. Er hätte sich vom Präsidenten mehr erwartet - nämlich, dass er den Einfluss der Politik auf den Rat begrenzt, meint Pawel Nawrocki, ein Lehrer:
    "Der Präsident hat in den vergangenen Wochen mit dem PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski verhandelt, wie die Reform aussehen soll. Alles hinter verschlossenen Türen, das ist nicht demokratisch."
    Das zweite Gesetz betrifft den Obersten Gerichtshof. Die PiS wollte, dass alle Richter dort ausgetauscht werden. Das Gesetz, dass Duda einbrachte, lässt die Mehrzahl von ihnen im Amt.
    Protest vor dem Präsidentenpalast
    Ob es den Gegnern der Reform noch einmal so viele Menschen zu mobilisieren wie im Sommer? Der Protest vor dem Präsidentenpalast fiel diesmal um ein Vielfaches kleiner aus als die Demonstrationen vom Sommer.
    "Wir sind erschöpft", sagte eine Rentnerin, die sich an der Demonstration vorbei drängte. Sie werde wohl nicht mehr teilnehmen.
    Auch Pawel Nawrocki, der Lehrer, ist skeptisch: "Viele Menschen machen sich nicht klar, was diese Gesetze bedeuten. Hinzu kommt dass viele froh sind über die Sozialpolitik der PiS, etwa über das neue Kindergeld. Deshalb drücken sie die Augen zu, weil sie fürchten, sie könnten das wieder verlieren, was sie bekommen haben."
    Der beliebteste polnische Politiker
    Hinzu kommt, dass Präsident Duda derzeit der beliebteste polnische Politiker ist, wie Umfragen zeigen. Das verleiht seinen Vorschlägen größere Autorität.
    Polen wartet nun gespannt, ob die PiS sich auf die Gesetzesprojekte des Präsidenten einlässt oder ob die Regierungspartei sie in den Ausschüssen so verändert, dass sie wieder ihren Gesetzen ähneln. Ein Rentner und ehemaliger Physiklehrer:
    "Manche sagen, es gehe Duda vor allem darum, den Verteidigungsminister Macierewicz abzusägen. Er könnte die Gesetze unterschreiben, auch wenn sie im Parlament stark verändert werden. Wenn dafür Macierewicz gehen muss, den er für inkompetent hält. Das sind natürlich Spekulationen."
    In den vergangenen Wochen hatte sich Präsident Duda immer wieder mit mit dem PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski getroffen. Bald werden die Polen erfahren, ob sie dabei tatsächlich zu einem Kompromiss gekommen sind. Für die Demonstranten in Warschau ist das fast gleichgültig, denn sie lehnen die Gesetze des Präsidenten fast ebenso vehement ab wie die Vorstellungen der PiS.