Rund 360 Kilometer sind die Stahlarbeiter aus dem Saarland in den vergangenen Tagen gelaufen - mit wechselnden Teams im Staffellauf – bis nach Brüssel vor das Gebäude der Europäische Kommission.
Sie fordern von der EU Sicherheit für die Arbeitsplätze in der Stahlindustrie und Unterstützung bei der Umstellung auf eine klimaneutrale Produktion. Konkret: Geld für Forschung zu alternativen Technologien, den Ausbau der Energieinfrastruktur und, wie IG Metaller Heiko Reese sagt:
"Das dritte sind handelspolitische Maßnahmen. Wir wollen eine Grenzausgleichabgabe für CO2 an den Außengrenzen der EU, um die Wettbewerbsfähigkeit der Stahlindustrie wiederherzustellen."
Eigentlich sollten mehrere hundert Stahlarbeiter aus ganz Deutschland zu einer großen Endkundgebung kommen. Doch wegen des Sturmtiefs, das seit Sonntag über Belgien und Deutschland fegt, hielt die IG-Metall das für zu gefährlich.
Thomas Hasel war mit drei Kollegen von der Saarstahl das Team für die letzte Etappe. Nach 18 Kilometer Wanderung durch den Sturm kamen sie gestern Nachmittag ziemlich durchnässt an einem Parkplatz am Rand von Brüssel an, allesamt mit schwarzen Kapuzenjacken - auf dem Rücken in weißer Schrift "Walk of Steel".
Überproduktion, US-Zölle, Strukturwandel belasten die Branche
Hasel erzählt, was ihn bewogen hat, bei dem Marsch mitzumachen.
"Da sind schon ganz schön viele Emotionen im Spiel. Wenn ich an meine jungen Kollegen denke, die haben schon Ängste. Die kennen halt Saarstahl als Arbeitgeber, der auch sehr sozial ist und ein beliebter Arbeitgeber ist, und dem geht's jetzt auf einmal nicht mehr gut. Da kommen natürlich Ängste hoch."
Die Stahlindustrie steckt in der Krise. Auf dem Weltmarkt herrscht Überproduktion, gerade aus Ländern wie China kommen große Mengen billiger Importe. Außerdem sind da die Stahlzölle in den USA und die Strukturprobleme in der Autoindustrie drücken auf die Nachfrage. Gleichzeitig bedeutet das Ziel, bis 2050 in der EU und Deutschland klimaneutral zu sein, dass sich die extrem CO2-intensive Stahlbranche komplett umstellen muss.
Viele Stahlhersteller haben Stellenstreichungen angekündigt. Auch im Saarland bei Dillinger Hüttenwerke und Saarstahl sollen in den kommenden drei Jahren rund 1.500 Stellen wegfallen.
"Eins ist ganz klar: Wenn die Stahlbranche kaputt geht, dann werden wir in diesem Land ein Problem kriegen, weil dann fallen Arbeitsplätze weg, gut bezahlte Arbeitsplätze weg und es gibt nichts Vergleichbares. Wir wollen halt die Politik dahinbringen, dass sie uns Zeit gibt und auch die nötigen finanziellen Mittel, um den Stahl ökologisch zu finanzieren. Dafür brauchen wir halt Zeit und Geld."
Weil die Branche Teil des europäischen Emissionshandels ist, wird das Emittieren von CO2 in Zukunft noch teurer. Bisher bekommt die Stahlindustrie zwar den Großteil der Zertifikate kostenlos zugeteilt, aber zukünftig werden die Zertifikate verknappt und der CO2-Ausstoß damit teurer.
Arbeiter sind für mehr Klimaschutz
Den Arbeitern der Saarstahl ist es aber wichtig zu betonen, dass sie den Kampf gegen den Klimawandel nicht blockieren wollen. Im Gegenteil.
"Wir sehen uns nicht als Hindernis oder als Gegner von Fridays for Future. Ganz im Gegenteil. Ohne sauberen deutschen oder saarländischen Stahl ist eine Energiewende nicht möglich."
An mehreren Standorten wird in Deutschland an Techniken zur CO2-freien Stahlproduktion geforscht. Auch im Saarland. Dabei wird vor allem auf Wasserstoff gesetzt. Aber um den herzustellen, braucht es enorme Mengen Strom, der in Deutschland ziemlich teuer ist.
Ihre Forderungen übergaben die Arbeiter am Vormittag dem Vizepräsidenten der Kommission, Frans Timmermans, in Form eines Staffelstabs. Timmermanns versprach, dass es im Rahmen des New Green Deal ein Investitionsprogramm für Wasserstofftechnologien geben werde. Außerdem sagte er:
"Viele Länder haben sich festgelegt auf das Pariser Abkommen. Wenn das so ist, müssen die auch Maßnahmen ergreifen, so wie wir auch. Wenn das aber nicht geschieht, dann hat Europa auch das Recht, unsere Industrie zu beschützen und die Europäische Kommission wird das auch machen, wenn das notwendig ist."
Zum Beispiel durch CO2-Zölle. Für die Gewerkschafter eine gute Nachricht. Wirklich beruhigt sei man aber erst, wenn den Bekenntnissen Taten folgten.