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Provenienz-Ausstellung in Bremen
"Bekenntnis zur Aufarbeitung deutscher Geschichte"

Die Herkunft vieler vor allem im Nationalsozialismus gehandelter Bilder in deutschen Museen ist ungeklärt. Die Kunsthalle Bremen zeigt nun in einer Ausstellung den Weg dreier Sammlungen durch den Nationalsozialismus. Die stellvertretende Direktorin Dorothee Hansen erklärt, warum sie das Wagnis eingeht, dadurch Bilder ihrer Sammlung zu verlieren.

Dorothee Hansen im Gespräch mit Katja Lückert |
    Die Kunsthalle Bremen mit neuem Anbau
    Die Kunsthalle Bremen mit neuem Anbau (dpa/picture alliance/Ingo Wagner)
    Katja Lückert: "Drei Kunstsammler aus Bremen und die Wege ihrer Bilder im Nationalsozialismus" - die Bremer Kunsthalle präsentiert jetzt die Ergebnisse eines dreijährigen Forschungsprojekts zur Provenienzgeschichte von rund 120 Bildern ihrer Sammlung, darunter Werke von Max Beckmann, Otto Dix, Max Liebermann und vielen anderen Künstlern. Das Unternehmen wurde vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gefördert. - Dorothee Hansen, Sie leiten dieses, wie zu lesen war, "mutige Projekt". Mutig, weil Sie ja in Kauf nehmen, Werke Ihrer Sammlung zu verlieren, oder?
    Dorothee Hansen: Ja, ganz genau. Das Risiko geht man natürlich bewusst ein, denn es handelt sich um die Aufarbeitung der historischen Bestände und ein Bekenntnis zur Aufarbeitung der deutschen Geschichte.
    Lückert: Wie ist denn das vorläufige Ergebnis Ihrer Recherchen? Wie vielen Bildern kann Unbedenklichkeit bescheinigt werden?
    Hansen: Das ist bei den drei Sammlern unterschiedlich. Das größte Konvolut kam von Arnold Blome. Wir haben ungefähr die Hälfte seiner Werke vollständig erforschen können, und da war die Provenienz in Ordnung. Aber ein Werk, eine Zeichnung, die über ihn in die Kunsthalle kam, wurde restituiert und anschließend wiedererworben. Die übrigen Bilder sind in der Provenienz teilweise offen. Das heißt, wir können nicht sagen bis ins letzte Detail, ob sie jetzt belastet sind oder nicht. Bei den anderen beiden Sammlern sind die Prozentzahlen ein wenig anders. Bei Heinrich Glosemeyer sind es 30 Prozent, die eindeutig unbelastet sind; die anderen haben Lücken. Bei Hugo Oelze - das ist das kleinste Konvolut, das sind nur acht Werke - konnten nur zwei vollständig ausrecherchiert werden und bei den anderen gibt es Lücken.
    "Wir stehen für eine gewisse Transparenz"
    Lückert: Es sind drei Sammler, deren Wege Sie nachzeichnen. Sie haben die Namen schon erwähnt: Arnold Blome, der selbst künstlerische Arbeiten schuf, und Heinrich Glosemeyer und Hugo Oelze, die Verkäufe an Händler, die für das geplante Führermuseum in Linz arbeiteten, getätigt hatten. Wenn Sie jetzt Bilder ausstellen, ordnen Sie sie strikt nach Herkunft?
    Hansen: Ja. Wir haben in der Ausstellung jeweils den einzelnen Sammlern beziehungsweise Händlern Räume zugeteilt und das Ganze eingerahmt durch einen Raum, in dem wir den Besucher einführen in die Fragestellung, denn das ist ja nicht so einfach. Wie funktioniert Provenienzforschung? Warum dauert sie so lange? Was haben die "Monuments Men" mit Heinrich Glosemeyer zu tun? Solche Fragen stellen wir, um einfach mal die Probleme auch darzustellen, mit denen ein Provenienzforscher zu kämpfen hat.
    Lückert: Dann steigen wir doch mal ein in diese Materie. Welche Erkenntnisse kann denn der Besucher über die Techniken der Provenienzforschung in der Ausstellung gewinnen?
    Hansen: Zunächst mal wird ihm erzählt, wie die Rückseiten der Bilder wichtige Hinweise enthalten, aus denen die Provenienzforscher ihre Schlüsse ziehen können: Stempel, Beschriftungen, etc. Dann wird exemplarisch die Provenienz eines Werkes vorgestellt, und zwar eines Werkes mit einer Lücke. Das machen wir ganz bewusst, denn wir stehen auch zu diesen Lücken. Wir können bei manchen Dingen nicht alles herauskriegen. Aber wir veröffentlichen ja diese Provenienzen auch. Wir stehen auch für eine gewisse Transparenz, das ist auch unser Ziel. Wir erklären bei diesem Werk, das wir da vorstellen, dass uns 30 Jahre fehlen, und das ist eine entscheidende Zeit, weil 1940 dieses Werk in Berlin versteigert wurde und wir nun einmal nicht wissen, wer dieses Bild eingeliefert hat.
    "Zufall der Überlieferung"
    Lückert: Vielleicht haben sie noch ein Beispiel für so eine Geschichte eines Bildes, die jetzt heute mit unseren Augen erstaunlich aussieht. Haben Sie so eine Geschichte?
    Hansen: Ein Werk, das für unsere Sammlung eine besonders große Bedeutung hat, ist die "Papageienallee" von Max Liebermann. Bei dem Bild stand im Raume, dass es in der berühmten Sammlung Eduard Arnhold war, einem jüdischen Sammler in Berlin, und wir wussten nicht, wo es in den 30er-Jahren gewesen ist. Arnhold war 1925 gestorben. Unsere Provenienzforscherin hat nun herausgefunden, dass Arnhold das Bild seiner Tochter vererbt hat und dass dies die Adoptivtochter von Eduard Arnhold war, dass sie Christin war und geblieben ist und dass sie während der Nazi-Zeit über ihr Erbe frei verfügen konnte und dass sie es aus freien Stücken 1942 verkauft hat, und zwar an Heinrich Glosemeyer in Bremen, der es dann später in den 50er-Jahren an die Kunsthalle verkaufte. Das ist tatsächlich sensationell, dass das so genau recherchiert werden konnte, denn wenn man sich das mal so spontan anguckt, dann würde man sagen, Eduard Arnhold, ein jüdischer Sammler, das Werk wurde in den 40er-Jahren verkauft, das muss ja belastet sein. Und es ist der reine, sagen wir auch, Zufall der Überlieferung, dass so präzise Daten zu dieser Familie heute erhalten sind und dass Frau Reuter die dann auch noch ausfindig gemacht hat.
    Lückert: Wir haben schon am Anfang über das Verlieren gesprochen. Erwarten Sie denn nun Ansprüche auch von verschiedenen Familien, die gestellt werden könnten?
    Hansen: Natürlich ist das möglich und darauf sind wir sozusagen auch letztlich dann eingestellt.
    Lückert: Dorothee Hansen, die Projektleiterin und stellvertretende Direktorin der Bremer Kunsthalle, über die Ausstellung "Eine Frage der Herkunft".
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.