Allerheiligenlitanei nach dem alten, tridentinischen Ritus der katholischen Kirche. Sie ist Teil einer Bittprozession, wie sie im Frühjahr in Zaitzkofen immer wieder stattfinden. Dort in der kleinen, verschlafenen Gemeinde, unweit von Regensburg entfernt, befindet sich die theologische Hochschule und das Priesterseminar der Pius-Bruderschaft für den deutschsprachigen Raum.
Das weiße Chorhemd mit Spitzenrand über die schwarze Soutane geworfen folgen die jungen Kandidaten der Prozession durch den Park. Dort im ehemaligen Schloss des Grafen Montgelas scheint die Zeit beinahe stehen geblieben zu sein, wenn die jungen Männer in ihren schwarzen Röcken über die Flure wandeln, durch den Park prozessieren oder im Speisesaal einer im leiernden tonus rectus vorgetragenen Lesung lauschen. Bohnerwachs vermischt mit Kerzenruß und abgestandenem Weihrauch dringt in die Nase: Tradition ist hier mit Händen greifbar.
"Also die Anzahl der Seminaristen war im Verlauf der Jahre gewissen Schwankungen unterworfen, wir hatten schon 45 Seminaristen, zurzeit bewegen wir uns tatsächlich am unteren Rand."
Der Schweizer Stephan Frey ist Regens, also Chef des Priesterseminars in Zaitzkofen. In den vergangenen 30 Jahren wurden dort etwa 100 Priester geweiht. Doch die Zahlen sind rückläufig, nicht nur bei den Priesteramtskandidaten. Deutschland sei eben ein besonders schwieriges Land für die erzkonservative Gruppierung, fügt Frey an. Rund 500.000 Anhänger soll die Gemeinschaft weltweit haben. Für Papst Benedikt XVI. keine zu verachtende Größe, sodass er im März 2009 erklärte:
"Kann uns eine Gemeinschaft ganz gleichgültig sein, in der es 491 Priester, 215 Seminaristen, sechs Seminare, 88 Schulen, zwei Universitätsinstitute, 117 Brüder und 164 Schwestern gibt? Sollen wir sie wirklich beruhigt von der Kirche wegtreiben lassen?"
Bereits 2007 hatte Papst Benedikt die alten tridentinischen Messen wieder zugelassen mit ihrer judenfeindlichen Fürbitte an Karfreitag und damit auf eine der Forderungen der Pius-Brüder reagiert. Im Januar 2009 hob er dann auch noch die Exkommunikation gegen vier Bischöfe der Gemeinschaft auf. Deren unerlaubte Weihe im Juni 1988 hatte Benedikt - damals noch als Kurienkardinal Ratzinger - verhindern wollen und war gescheitert. Kardinal Karl Lehman:
"Da gab es lange Gespräche in Paris, das war sehr weit gediehen gewesen, und am Schluss hat Marcel Lefebvre dann doch nicht unterzeichnet. Das hat sicher den Heiligen Vater aus dieser persönlichen Erfahrung sehr bewogen, noch einmal alles zu versuchen, um zu einer Versöhnung zu kommen. Das ist eigentlich der innere Antrieb dieser Dinge."
Dank des Entgegenkommens von Papst Benedikt fühlen sich die Pius-Brüder im Aufwind. Mit Rom wird darüber verhandelt, wie die Priestergemeinschaft wieder in der katholischen Kirche eingegliedert werden kann. Der Distriktobere für Deutschland, Pater Franz Schmidberger:
"Wir stellen keine Forderungen, sondern wir bitten darum, dass wir diese Punkte, die die Kirche schwer belastet haben, seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, dass die besprochen und beseitigt werden. Es ist also eine Frage der Wahrheit des Glaubens. Es muss die Kirche wieder zu ihrem Glaubensverständnis zurückfinden."
Nach Ansicht der Priestergemeinschaft Pius X. und ihres Gründers Marcel Lefebvre hat das Zweite Vatikanische Konzil Mitte der 60er-Jahre den Untergang der katholischen Kirche eingeläutet. Konkret verteufeln sie die Religionsfreiheit, den Ökumenismus und die Kollegialität, kurz alle "liberalistischen" und weltzugewandten Tendenzen des Konzils. Festhalten an der Tradition heißt deshalb das Credo der Gemeinschaft und auch an dem damit verbundenen Antisemitismus. Diesen hatte die katholische Kirche schließlich bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil propagiert. Den jüngsten Besuch von Papst Benedikt XVI. in einer römischen Synagoge beispielsweise bedauerte der deutsche Distriktobere Schmidberger als eine falsche Geste. Worten des Papstes, wie Juden und Christen beteten zu dem gleichen Gott, erteilte er in einem Interview eine klare Absage. Wörtlich heißt es da:
Wir Christen verehren nämlich die Allerheiligste Dreifaltigkeit und beten unseren Herrn Jesus Christus als den dem Vater wesensgleichen Sohn an. Die heutigen Juden dagegen nehmen weder die eine noch die andere dieser beiden Fundamentalwahrheiten unserer heiligen Religion an. Da es keinen anderen Gott gibt als die Allerheiligste Dreifaltigkeit, keinen anderen Herrn als Jesus Christus, beten wir mit den Juden nicht zum selben Gott.
Mit Blick auf die Kreuzigung Jesu vor 2000 Jahren werden diejenigen Juden, die sich von diesem Ereignis nicht eindeutig distanzieren, weiterhin des Gottesmordes bezichtigt. Für einen antisemitischen Höhepunkt hat der inzwischen degradierte Bischof der Gemeinschaft, Richard Williamson, im Januar 2009 gesorgt. Nahezu zeitgleich mit der Aufhebung der Exkommunikation durch den Papst wurde im schwedischen Fernsehen ein Interview ausgestrahlt, in dem Williamson den Holocaust leugnet. Aufgenommen am Rande einer Diakonweihe im oberpfälzischen Zaitzkofen.
"Ich glaube, die historischen Beweise zeigen eindeutig, dass keine sechs Millionen Juden in Gaskammern umgekommen sind infolge der Politik Adolf Hitlers."
Vielleicht zwei- bis dreihunderttausend, aber keine sechs Millionen, fügt er hinzu, und keinesfalls in Gaskammern. Zwar distanzierte sich die Pius-Gemeinschaft offiziell von den Worten ihres Bischofs. Dennoch erhält Williamson weiterhin Beifall für seine Ansichten - auf Internetplattforen, die seiner Gemeinschaft nahestehen. Jetzt muss er sich wegen Volksverhetzung und Leugnung beziehungsweise Verharmlosung des Holocausts in Regensburg verantworten. Denn hierzulande ist so etwas strafbar und kann mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden. Einen entsprechenden Strafbefehl in Höhe von 12.000 Euro hatte Williamson nicht akzeptiert. Sollte er jetzt dennoch verurteilt werden, dann muss er nicht nur die Prozesskosten bezahlen, sondern das Gericht könnte die Strafe auch noch deutlich erhöhen.
Das weiße Chorhemd mit Spitzenrand über die schwarze Soutane geworfen folgen die jungen Kandidaten der Prozession durch den Park. Dort im ehemaligen Schloss des Grafen Montgelas scheint die Zeit beinahe stehen geblieben zu sein, wenn die jungen Männer in ihren schwarzen Röcken über die Flure wandeln, durch den Park prozessieren oder im Speisesaal einer im leiernden tonus rectus vorgetragenen Lesung lauschen. Bohnerwachs vermischt mit Kerzenruß und abgestandenem Weihrauch dringt in die Nase: Tradition ist hier mit Händen greifbar.
"Also die Anzahl der Seminaristen war im Verlauf der Jahre gewissen Schwankungen unterworfen, wir hatten schon 45 Seminaristen, zurzeit bewegen wir uns tatsächlich am unteren Rand."
Der Schweizer Stephan Frey ist Regens, also Chef des Priesterseminars in Zaitzkofen. In den vergangenen 30 Jahren wurden dort etwa 100 Priester geweiht. Doch die Zahlen sind rückläufig, nicht nur bei den Priesteramtskandidaten. Deutschland sei eben ein besonders schwieriges Land für die erzkonservative Gruppierung, fügt Frey an. Rund 500.000 Anhänger soll die Gemeinschaft weltweit haben. Für Papst Benedikt XVI. keine zu verachtende Größe, sodass er im März 2009 erklärte:
"Kann uns eine Gemeinschaft ganz gleichgültig sein, in der es 491 Priester, 215 Seminaristen, sechs Seminare, 88 Schulen, zwei Universitätsinstitute, 117 Brüder und 164 Schwestern gibt? Sollen wir sie wirklich beruhigt von der Kirche wegtreiben lassen?"
Bereits 2007 hatte Papst Benedikt die alten tridentinischen Messen wieder zugelassen mit ihrer judenfeindlichen Fürbitte an Karfreitag und damit auf eine der Forderungen der Pius-Brüder reagiert. Im Januar 2009 hob er dann auch noch die Exkommunikation gegen vier Bischöfe der Gemeinschaft auf. Deren unerlaubte Weihe im Juni 1988 hatte Benedikt - damals noch als Kurienkardinal Ratzinger - verhindern wollen und war gescheitert. Kardinal Karl Lehman:
"Da gab es lange Gespräche in Paris, das war sehr weit gediehen gewesen, und am Schluss hat Marcel Lefebvre dann doch nicht unterzeichnet. Das hat sicher den Heiligen Vater aus dieser persönlichen Erfahrung sehr bewogen, noch einmal alles zu versuchen, um zu einer Versöhnung zu kommen. Das ist eigentlich der innere Antrieb dieser Dinge."
Dank des Entgegenkommens von Papst Benedikt fühlen sich die Pius-Brüder im Aufwind. Mit Rom wird darüber verhandelt, wie die Priestergemeinschaft wieder in der katholischen Kirche eingegliedert werden kann. Der Distriktobere für Deutschland, Pater Franz Schmidberger:
"Wir stellen keine Forderungen, sondern wir bitten darum, dass wir diese Punkte, die die Kirche schwer belastet haben, seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, dass die besprochen und beseitigt werden. Es ist also eine Frage der Wahrheit des Glaubens. Es muss die Kirche wieder zu ihrem Glaubensverständnis zurückfinden."
Nach Ansicht der Priestergemeinschaft Pius X. und ihres Gründers Marcel Lefebvre hat das Zweite Vatikanische Konzil Mitte der 60er-Jahre den Untergang der katholischen Kirche eingeläutet. Konkret verteufeln sie die Religionsfreiheit, den Ökumenismus und die Kollegialität, kurz alle "liberalistischen" und weltzugewandten Tendenzen des Konzils. Festhalten an der Tradition heißt deshalb das Credo der Gemeinschaft und auch an dem damit verbundenen Antisemitismus. Diesen hatte die katholische Kirche schließlich bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil propagiert. Den jüngsten Besuch von Papst Benedikt XVI. in einer römischen Synagoge beispielsweise bedauerte der deutsche Distriktobere Schmidberger als eine falsche Geste. Worten des Papstes, wie Juden und Christen beteten zu dem gleichen Gott, erteilte er in einem Interview eine klare Absage. Wörtlich heißt es da:
Wir Christen verehren nämlich die Allerheiligste Dreifaltigkeit und beten unseren Herrn Jesus Christus als den dem Vater wesensgleichen Sohn an. Die heutigen Juden dagegen nehmen weder die eine noch die andere dieser beiden Fundamentalwahrheiten unserer heiligen Religion an. Da es keinen anderen Gott gibt als die Allerheiligste Dreifaltigkeit, keinen anderen Herrn als Jesus Christus, beten wir mit den Juden nicht zum selben Gott.
Mit Blick auf die Kreuzigung Jesu vor 2000 Jahren werden diejenigen Juden, die sich von diesem Ereignis nicht eindeutig distanzieren, weiterhin des Gottesmordes bezichtigt. Für einen antisemitischen Höhepunkt hat der inzwischen degradierte Bischof der Gemeinschaft, Richard Williamson, im Januar 2009 gesorgt. Nahezu zeitgleich mit der Aufhebung der Exkommunikation durch den Papst wurde im schwedischen Fernsehen ein Interview ausgestrahlt, in dem Williamson den Holocaust leugnet. Aufgenommen am Rande einer Diakonweihe im oberpfälzischen Zaitzkofen.
"Ich glaube, die historischen Beweise zeigen eindeutig, dass keine sechs Millionen Juden in Gaskammern umgekommen sind infolge der Politik Adolf Hitlers."
Vielleicht zwei- bis dreihunderttausend, aber keine sechs Millionen, fügt er hinzu, und keinesfalls in Gaskammern. Zwar distanzierte sich die Pius-Gemeinschaft offiziell von den Worten ihres Bischofs. Dennoch erhält Williamson weiterhin Beifall für seine Ansichten - auf Internetplattforen, die seiner Gemeinschaft nahestehen. Jetzt muss er sich wegen Volksverhetzung und Leugnung beziehungsweise Verharmlosung des Holocausts in Regensburg verantworten. Denn hierzulande ist so etwas strafbar und kann mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden. Einen entsprechenden Strafbefehl in Höhe von 12.000 Euro hatte Williamson nicht akzeptiert. Sollte er jetzt dennoch verurteilt werden, dann muss er nicht nur die Prozesskosten bezahlen, sondern das Gericht könnte die Strafe auch noch deutlich erhöhen.