"Ich schäme mich dafür, dass ich das Unrecht sehend geschehen lassen und dem nichts entgegengesetzt habe", sagte der 94-Jährige Reinhold Hanning am Freitag vor dem Detmolder Landgericht in einer persönlichen Erklärung. Er bereue zutiefst, einer verbrecherischen Organisation angehört zu haben, die für den Tod vieler Unschuldiger und für die Zerstörung unzähliger Familien verantwortlich sei.
Bis zu diesem dreizehnten Prozesstag hatte Hanning vor Gericht geschwiegen. Die Entschuldigung las der im Rollstuhl sitzende Mann von einem Blatt Papier ab. Seine kurze Erklärung schließt er mit den Worten "Es tut mir aufrichtig leid."
Zuvor hatten seine Verteidiger einen 23-seitigen persönlichen Bericht über dessen Jugend und den Einsatz in Auschwitz verlesen. Darin räumt der Angeklagte ein, von den Massenmorden gewusst zu haben. Er zeichnet gleichzeitig das Bild eines eher unpolitischen Mannes, der sich gegen seine Einberufung und den späteren Wachdienst nicht habe wehren können. In dem Prozess geht es um die Jahre 1943/44, da war Hanning Anfang 20.
Enttäuschte Reaktionen
Dass er selbst das Wort ergreifen und nicht nur seine Anwälte reden lassen würde, damit hatte kaum jemand gerechnet. Stumm, oft regungslos und den Blick zu Boden gerichtet, hatte der 94-jährige bislang den Prozess verfolgt. Obwohl überlebende Zeitzeugen ihn mehrfach zur Aussage bringen wollten, schwieg er beharrlich. Er solle die historische Wahrheit erzählen, hatte ihm gleich zum Prozessauftakt der nahezu gleichaltrige KZ-Überlebende Leon Schwarzbaum aus dem Zeugenstand zugerufen.
Die Opfer und ihre Vertreter reagierten spontan allerdings eher enttäuscht auf Hannings heutige Erklärung. Dass er sich geäußert habe, sei anzuerkennen, er habe aber nur eine Zuschauerrolle beschrieben, sagte Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz Komitee: "Er hat gesehen, er hat gewusst, aber er hat nichts gemacht". Leon Schwarzbaum war regelrecht empört über Hannings Erklärung: "Es mag sein, dass er heute ein anderer Mensch ist, aber für das was war, dafür gibt es keine Entschuldigung."
Auch Nebenkläger-Anwalt Cornelius Nestler bezeichnete die Erklärung als "dünn und inhaltsarm", dennoch sei eine Entschuldigung zu respektieren. "Dass sich Herr Hanning nach so langem Schweigen endlich seiner Verantwortung stellt, zeigt doch, wie sinnvoll solche Strafverfahren noch sind".
Beihilfe zum Mord in 170.000 Fällen
Der 94-jährige frühere SS-Mann aus dem nordrhein-westfälischen Lage ist wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 170 000 Fällen angeklagt.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, in seiner Rolle als Wachmann in dem Konzentrationslager Auschwitz Teil der Vernichtungsmaschinerie gewesen zu sein.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, in seiner Rolle als Wachmann in dem Konzentrationslager Auschwitz Teil der Vernichtungsmaschinerie gewesen zu sein.
Der spätere Unterscharführer war in Auschwitz, als dorthin zügeweise Juden aus Ungarn deportiert wurden, um sie in den Gaskammern zu ermorden. Er bewachte ein System, das darauf ausgelegt war, zu töten, so formuliert es die Staatsanwaltschaft.
Ein Urteil könnte schon bald fallen. Das Gericht hat bislang drei weitere Prozesstage angesetzt.
(rm/tzi)