Middelhoff habe sich der Untreue und der Steuerhinterziehung schuldig gemacht, sagte Richter Jörg Schmitt. Er habe sich in seinen Aussagen im Prozess in zahlreiche Widersprüche verstrickt. "Es ist leider so gewesen, dass wir überzeugt sind, dass an entscheidenden Stellen des Prozesses (...) ihre Einlassung nicht vom Willen des ehrlichen Umgangs, sondern von verteidigungstaktischen Motiven geprägt war", unterstrich Schmitt.
Zum Teil seien "abenteuerliche Erklärungen" abgegeben worden. Es habe eine unglückselige Verquickung von beruflichen und privatem Interesse bei Middelhoff gegeben. Das Gericht blieb nur geringfügig unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Diese hatte für den früheren Chef des inzwischen pleitegegangenen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verlangt. Für Prozessbeobachter war die Höhe des Urteils überraschend.
Middelhoff im Gerichtssaal festgenommen - Revision möglich
Sie warf dem 61-Jährigen vor, den Konzern in insgesamt 44 Fällen zu Unrecht mit Kosten von insgesamt mehr als 800.000 Euro belastet zu haben. Middelhoffs Verteidiger plädierten dagegen auf Freispruch. Der Manager wies die Vorwürfe im Prozess entschieden zurück. In seinem Schlusswort hatte er gesagt, er habe sich kein Fehlverhalten vorzuwerfen. Würde das Urteil rechtskräftig, müsste Middelhoff ins Gefängnis. Doch können seine Verteidiger gegen die Entscheidung noch Revision beim Bundesgerichtshof einlegen.
Der Haftbefehl wurde noch im Gerichtssaal gegen Thomas Middelhoff ausgesprochen. Das Gericht sehe derzeit Fluchtgefahr bei dem früheren Top-Manager, sagte Schmitt. Ausschlaggebend dafür seien die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe, der Wohnsitz im Ausland und die unklare berufliche Situation des Managers. Ein Haftprüfungstermin kurz nach der Urteilsverkündung habe ergeben, dass der Haftbefehl nicht unter Auflagen außer Vollzug gesetzt werde, sagte ein Sprecher des Landgerichts Essen am Freitag.
Arcandor war 2009 mitsamt seiner Tochterfirmen wie Karstadt und Quelle in die Pleite gerutscht. Middelhoff hatte seinen Posten einige Monate zuvor aufgegeben. In dem Prozess ging es hauptsächlich um Flüge in Charterjets, die nach Auffassung der Anklagebehörde ganz oder teilweise privat veranlasst waren, aber von Arcandor bezahlt wurden.
Das Essener Verfahren war einer der spektakulärsten Wirtschaftsprozesse der vergangenen Jahre und gab ungewöhnliche Einblicke in das Leben eines Topmanagers, für den die Nutzung eines Charterjets selbstverständlich war. Middelhoff selbst berichtete im Prozess, er habe in seiner Zeit beim Handelskonzerns Arcandor 610 Mal Privatjets genutzt. Er selbst habe 201 Flüge bezahlt, die übrigen seien Arcandor in Rechnung gestellt worden.
Charterjets und Hubschrauberflüge auf Firmenkosten
Im Prozess wurden nur 48 dieser Flüge thematisiert, bei denen die Staatsanwaltschaft die dienstliche Veranlassung bezweifelte. Das waren zum Teil teure Flüge mit Charterjets nach London und New York, deren Kosten sich im Einzelfall auf mehr als 90.0000 Euro summierten. Es ging aber auch um vergleichsweise billige Hubschrauberflüge zwischen seinem Wohnsitz in Bielefeld und der Arcandor-Zentrale in Essen zum Stückpreis von etwas mehr als 3.000 Euro, mit denen Middelhoff auf dem Weg zur Arbeit dem Stau auf der Autobahn entgehen wollte.
Der Vorsitzende Richter Jörg Schmitt sagte in der Urteilsbegründung, ohne die Arcandor-Insolvenz hätte es das Verfahren wohl nicht gegeben. Denn letztlich sei erst durch "Erbsenzählerei des Insolvenzverwalters" der Prozess ins Rollen gekommen. Doch gehe es nicht um die Insolvenz, sondern um den Umgang Middelhoffs etwa mit den Reisekosten-Regelungen des Unternehmens.
(fwa/tzi/bor/nch/ach)