Heute Abend will Ammar Salah wieder rausfahren. Im Stehen paddelt der Fischer dann auf seinem blauen Boot, das eher wie ein klobiges Surfbrett aussieht, einen Halbkreis, gleich vor dem Strand von Gaza und legt das Netz aus. Mit zwei Freunden zieht er es dann wieder an Land. Ein mühseliges Geschäft, die Beute ist minimal, so nah vor der Küste.
Zwei Dutzend Krebse und drei, vier Kilo kleine Meeräschen hat er heute früh aus dem Wasser gezogen. Das reicht nicht zum Leben, sagt Ammar Salah. Und jetzt, da die Leute von World Vision den Fischern nicht mehr helfen - wird es noch schlimmer werden:
"Wir haben von World Vision mindestens zwei Mal im Jahr neue Netze bekommen. Und wenn es nötig war, haben manche Fischer auch ein neues Boot bekommen. Und außerdem hat World Vision Leute bezahlt, die unsere Netze repariert haben."
El Halabi war zehn Jahre Mitarbeiter von World Vision
World Vision ist mit einem Spendenaufkommen von über zweieinhalb Milliarden US-Dollar eine der größten Hilfsorganisationen der Welt. Seit den 1970er-Jahren engagierte sich die evangelikale christliche NGO im Gazastreifen. Bis sie vor ein paar Wochen ihre 120 Mitarbeiter dort entließ und jegliche Hilfsarbeit einstellte. Der Grund für dieses abrupte Ende hat einen Namen. Er lautet: Mohammed el Halabi. Ammar Salah, der Fischer, weiß, wer das ist:
"Mohammed el Halabi? Ich kenne Mohammed el Halabi! Er ist der beste Mensch. Er hat den Fischern und Bauern immer geholfen. Und seit er verhaftet ist, ist unsere Lage katastrophal. Wir alle, alle Fischer und Bauern, wissen, dass er unschuldig ist. Ich rufe die ganze Welt auf, mit Mohammed el Halabi solidarisch zu sein, damit die Israelis ihn freilassen."
Mohammed el Halabi war Mitarbeiter von World Vision, seit zehn Jahren. Seit 2014 war er sogar der Direktor der Hilfsorganisation im Gazastreifen, ihr Chef. Ein bulliger Glatzkopf, der 2014 von den Vereinten Nationen als "humanitarian hero" - als "Held der Mitmenschlichkeit" - ausgezeichnet worden ist. Die Israelis halten Mohammed el Halabi für einen Maulwurf, für ein Mitglied der Hamas, das von der Terrororganisation bei World Vision eingeschleust wurde, um die Hilfsorganisation zu unterwandern und auszuplündern.
Zu Mohammed el Halabis Job gehörte es, den Kontakt zu halten zum Hauptquartier von World Vision in Jerusalem. Regelmäßig fuhr er deshalb dorthin zu Besprechungen. Auch am 15 Juni. An diesem Tag aber kam er nicht nach Hause zurück, erzählt sein Vater Halil el Halabi:
"Wir haben hier gesessen und gewartet, und wir haben ihn immer wieder angerufen, aber sein Telefon war ausgeschaltet. Erst um Mitternacht haben uns die Israelis gesagt, dass er verhaftet ist."
Im Gefängnis verschwunden
Die Öffentlichkeit erfährt zu diesem Zeitpunkt nichts davon, dass Mohammed el Halabi festgenommen worden ist. Er verschwindet einfach im Schikma-Gefängnis in Aschkelon, wo der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet ein Verhörzentrum betreibt. Das, was dort mit palästinensischen Gefangenen geschieht, steht seit Langem in der Kritik. In regelmäßig erscheinenden Berichten fasst zum Beispiel die Menschenrechtsorganisation B'Tselem zusammen, was palästinensische Häftlinge dort erwartet:
"Die Häftlinge werden in eine schäbige, kleine, stinkende, dreckige Zelle ohne Fenster und Frischluft eingesperrt. Da drinnen können sie nicht mal sagen, ob es gerade Tag oder Nacht ist. Die Zelle ist voller Ungeziefer und die hygienischen Bedingungen sind schrecklich. Es gibt keine Dusche, keine saubere Kleidung und das Essen ist nahezu ungenießbar," sagt Sarit Michaeli von B´Tselem. Sie spricht von routinemäßiger Misshandlung, die sogar zuweilen, wenn auch noch physische Gewalt angewendet wird, allen Kriterien der Definition von Folter entspricht.
"Die Hamas hat die rote Linie übertreten"
21 Tage, drei Wochen also, dauert es, bis Mohammed el Halabi zum ersten Mal einen Anwalt sehen darf. 50 Tage dauert es, bis die israelischen Behörden Anklage erheben. Das geschieht am 4. August. Und genau jetzt erfährt die ganze Welt vom Fall Mohammed el Halabi.
"Ich möchte heute mit Ihnen über die Terrororganisation Hamas sprechen, die Ihr Geld gestohlen hat, um ihre Terroragenda voranzutreiben. Dieses Mal hat die Hamas dabei die rote Linie übertreten."
Um seine Botschaft weltweit zu verbreiten, hat sich Generalmajor Yoav Mordechai in Erez aufgebaut. Am Grenzübergang zwischen Israel und dem Gazastreifen. Er ist der Chef von COGAT, jener israelischen Militärbehörde, die für die besetzten Gebiete und den Gazastreifen zuständig ist. Ein Kamerateam hat die Worte des Generalmajors aufgezeichnet und einen eineinhalbminütigen Film daraus produziert. Am 4. August, dem Tag der Anklageerhebung, postet die israelische Regierung diesen Clip bei Youtube, er geht um die Welt.
Netanjahu: "Hamas stiehlt Hilfe von palästinensischen Kindern"
Am selben Tag machen alle israelischen Medien mit dem Fall el Halabi auf. Ihre Reporter waren in den Tagen zuvor vom israelischen Geheimdienst Schin Beth zu Hintergrundbriefings eingeladen worden. Genauso wie Diplomaten aus den Botschaften befreundeter Länder. Und das israelische Außenministerium weist zeitgleich seine Diplomaten in aller Welt an, den Fall el Halabi bekannt zu machen, um so Druck auf die Geldgeber von World Vision auszuüben. Eine globale Medienkampagne wird da gestartet, in die kurz drauf auch der Ministerpräsident persönlich eingreift:
"Ich sage jetzt etwas, was einige von Ihnen nicht glauben werden", sagt der israelische Ministerpräsident. Und weiter: "Aber ich sage es trotzdem, weil es wahr ist. Ich, der Ministerpräsident von Israel, sorge mich mehr um die Palästinenser als es deren eigene Führer tun."
Benjamin Netanjahu sitzt an einem Schreibtisch, hinter sich die israelische Flagge. Zu diesem Zeitpunkt kennt die Weltöffentlichkeit bereits die Vorwürfe, die die israelischen Ermittler gegen Mohammed el Halabi erheben. Netanjahu schreitet deshalb gleich zum Urteil:
"Unschuldigen und verarmten Palästinensern wurde die lebenswichtige Hilfe verweigert, die Nationen aus aller Welt gespendet hatten. Hamas benutzte das Geld, um eine Kriegsmaschine aufzubauen und Juden zu töten. Das muss man sacken lassen: Hamas stiehlt Hilfe von palästinensischen Kindern, damit sie damit unsere Kinder töten können."
60 Prozent der Hilfmittel soll el Halabi weitergeleitet haben
Die wohlvorbereitete Kampagne zeigt Wirkung. Großbritannien, Australien, Österreich und dann auch Deutschland frieren ihre Spenden an World Vision für die Projekte in Gaza ein. In der Kasse der Hilfsorganisation tut sich ein gewaltiges Loch auf. Und was die israelischen Ermittler angeblich zusammengetragen haben, macht tatsächlich fassungslos.
60 Prozent der gesamten Hilfsmittel, die World Vision im Gazastreifen eingesetzt hat, soll Mohammed el Halabi an die Hamas und ihren militärischen Arm, die Kassam-Brigaden, umgeleitet haben. Bis zu sieben Millionen US-Dollar jährlich. Seit 2005 seien der Hamas so bis zu 50 Millionen US-Dollar zugeflossen. So lauten die Vorwürfe, die mit vielen Details untermauert werden. Mohammed el Halabi soll putzmuntere Kinder von Hamas-Kämpfern als behinderte Hilfsbedürftige ausgegeben haben. Angebliche Hilfen für Fischer seien in Wahrheit Taucheranzüge für Hamas-Kämpfer gewesen. Gewächshäuser hätten nicht der Gemüsezucht, sondern der Tarnung von Tunnelbauten gedient, durch die Kassam-Brigadisten nach Israel eingeschleust werden sollten.
Nachrichtensperre nach der Festnahme
Bis ins kleinste Detail geben alle israelischen Medien diese Vorwürfe wieder. Allerdings ohne Konjunktiv, ohne Unschuldsvermutung. Sondern im Tonfall der Gewissheit. Und immer wieder heißt es, Mohamed el Halabi habe in der Haft alles gestanden. Was den entschlossenen Widerspruch von Lea Tsemel hervorruft:
"Mein Klient bestreitet alles. Das darf ich Ihnen klar und deutlich sagen, weil ich ihn schon vor der Schweigeverordnung getroffen habe: Er bestreitet alles."
Lea Tsemel ist eine Anwaltslegende in Israel, sie verteidigt Mohamed el Halabi, so wie sie seit Jahrzehnten Palästinenser verteidigt. Die Schweigeverordnung, von der die Rechtsanwältin spricht, ist auf Anordnung des Schin Beth erlassen worden. Aus Sicherheitsgründen. Mehr noch: Der Geheimdienst hat über den Fall eine komplette Nachrichtensperre verhängt. Niemand, der etwas weiß, darf darüber sprechen. Die Anwältin des Angeklagten darf nicht einmal alle Akten einsehen. Der Prozess findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor einem Zivilgericht in Beerscheba statt. Weder Diplomaten noch ein Vertreter von World Vision werden zum Prozess zugelassen. Eine solch lückenlose Nachrichtensperre habe sie in 45 Berufsjahren noch nicht erlebt, sagt Lea Tsemel. Über die Gründe dafür kann sie nur Mutmaßungen anstellen:
"Vielleicht, um zu verbergen, wie Israel mit internationalen Hilfsorganisationen umgeht. Vielleicht schämen sie sich ja auch einfach. Über den Fall selbst. Ich jedenfalls würde mich schämen, wenn ich jemanden mit so einer Anklage überziehen würde. Aber die haben die Werkzeuge dafür und sie nutzen sie."
World Vision: "Sind an Aufklärung interessiert"
Die Community der internationalen Hilfswerke, die von Israel aus ihre Projekte im Westjordanland und im Gazastreifen betreiben, geht nach Bekanntwerden der Vorwürfe auf Tauchstation. Niemand möchte dazu Stellung nehmen, niemand will Mutmaßungen darüber anstellen, ob es der Hamas tatsächlich gelungen sein könnte, eine NGO zu unterwandern. Und niemand will öffentlich das Vorgehen der israelischen Regierung kritisieren, obwohl hinter vorgehaltener Hand durchaus Kritik zu hören ist. Da wird ein Vergleich gezogen zum Umgang der Regierung mit Bürgerrechtsorganisationen, die wegen der Unterstützung, die sie aus dem Ausland erhalten, erst kürzlich mit den restriktiven Regeln eines NGO-Gesetzes belegt worden sind.
Was also ist dran an den Vorwürfen gegen Mohammed el Halabi und World Vision? Wochen dauert es, bis sich die Hilfsorganisation zu einem Interview durchringt. World Vision steht unter Schock:
"Wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst und sind an einer Aufklärung interessiert," beteuert Ekkehard Forberg, ein Mitarbeiter der deutschen Sektion von World Vision.
"Summen sind nur schwer mit der Realität zusammenzubringen"
In einer dürren Pressemitteilung hatte die Organisation zuvor wissen lassen, dass sie bislang keinen Grund sehe, den Vorwürfen Glauben zu schenken. Und das hat, so Ekkehard Forberg, Gründe:
"Die vorgeworfene Summe, die Mohammed el Halabi hinterzogen haben soll in Höhe von 50 Millionen US-Dollar, ist aus unserer Sicht nur sehr schwer mit der Realität in Übereinstimmung zu bringen. Sie steht um Gegensatz zu der Summe von 22,5 Millionen US-Dollar, die World Vision in den letzten zehn Jahren im Gazastreifen umgesetzt hat."
Mit anderen Worten: World Vision hat nach eigenen Angaben nicht einmal halb so viel Geld im Gazastreifen ausgegeben, wie Mohammed el Halabi nach Angaben der israelischen Regierung an die Hamas umgeleitet haben soll. El Halabi sei vor seiner Einstellung bei World Vision zudem von externen Experten auf etwaige Verbindungen zum Terrorismus überprüft worden. So, wie das mit jedem Mitarbeiter internationaler Hilfsorganisationen geschieht. Zudem habe er überhaupt erst seit zwei Jahren, so Ekkehard Forberg, über nennenswerte Geldbeträge im Gazastreifen verfügen können:
"Also, Mohammed el Halabi war zehn Jahre bei uns angestellt im Gazastreifen, zunächst als einfacher Mitarbeiter. Und er hat seit Oktober 2014 dann unsere Projekte dort geleitet im Gazastreifen. Und seit Oktober 2014 hatte er eine Zeichnungsberechtigung von 15.000 US-Dollar, um Rechnungen innerhalb der genehmigten Projektanträge zu begleichen. Für alle Summen, die darüber hinausgingen, ab Oktober 2014, musste ein weiterer Vorgesetzter eine Unterschrift leisten. Davor hatte er gar keine Zeichnungsberechtigung, das heißt, davor konnte er selbstständig gar keine Rechnung begleichen."
World Vision hat eine externe Agentur zur Recherche beauftragt
Nicht nur deshalb hegt man bei World Vision massive Zweifel an den erhobenen Vorwürfen. Gleichzeitig beteuert die Organisation: Falls es der Hamas gelungen sein sollte, World Vision trotz der internen Sicherheitsvorkehrungen zu unterwandern, würde die Hilfsorganisation gern verstehen, wie das geschehen konnte. Das aber sei angesichts der Tatsache, dass der Prozess gegen Mohammed el Halabi hinter verschlossenen Türen stattfindet, nicht möglich. World Vision hat sich deshalb auch selbst auf Spurensuche begeben. Eine externe Agentur ist mit einer sogenannten forensischen Prüfung beauftragt worden. Alle Abrechnungen und der gesamte Emailverkehr der World-Vision-Niederlassung in Gaza aus den letzten zehn Jahren werden kontrolliert. Ergebnisse liegen noch nicht vor.
Der Schin Beth, der israelische Inlandsgeheimdienst, allerdings verfügt bereits über Erkenntnisse, sonst gäbe es ja keinen Prozess gegen Mohammed el Halabi. Die israelischen Ermittler haben möglicherweise vor allem aus einer Quelle geschöpft.
Wurde el Halabi aus Rache angeschwärzt?
Diese Quelle sei ein früherer Kollege seines Sohns, erzählt Halil el Halabi, Mohammeds Vater, als wir ihn besuchen. Der Mann ist von World Vision entlassen worden und hat dann offensichtlich versucht, sich zu rächen. Er hat einen Bericht geschrieben, in dem er Mohammed el Halabi vorwirft, die Fatah zu unterstützen. Die Partei von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas. Diesen Bericht habe der Entlassene bei der Hamas abgeliefert, bei den erbittertsten Feinden der Fatah also, erzählt uns Mohammed el Halabis Vater.
Als daraufhin nichts geschah, erzählt Halil el Halabi weiter, habe der Mann denselben Bericht bei der Hauptverwaltung von World Vision in Jerusalem abgeliefert. Geändert nur in einem Punkt: Jetzt hieß es, Mohammed el Halabi unterstütze die Hamas, nicht die Fatah. Die Hilfsorganisation schickte daraufhin Prüfer in den Gazastreifen, die die Sache unter die Lupe nahmen. Das Ergebnis der Prüfung: An den Vorwürfen war nichts dran. Der gefeuerte Ex-Kollege hatte ganz offensichtlich versucht, mit seinem Bericht Mohammed el Halabi bei verschiedenen Stellen grundlos anzuschwärzen. Und dann erzählt uns Mohammeds Vater noch:
"Die Anwälte haben mir berichtet, dass die Israelis meinen Sohn auf der Basis der Anschuldigungen aus dem Bericht des entlassenen World Vision-Mitarbeiters verhören. Aber wie die Israelis an den Bericht gekommen sind, das weiß ich nicht. Fest steht aber: Der Mann, der meinen Sohn angeschwärzt hat, hat hier im Gazastreifen sein Haus und sein gesamtes Hab und Gut verkauft und ist von hier verschwunden."
Regierung hinterlässt selbst Hinweis auf Ex-Kollegen als Quelle
Ist es denkbar, dass der entlassene World-Vision-Mitarbeiter, der Mohammed Halil heißt, mit seinem Bericht in der Hand auch noch an einer dritten Stelle, beim Schin Beth, angeklopft hat? Es gibt einen Hinweis darauf, dass es so war. Einen Hinweis, den die israelische Regierung selbst hinterlassen hat. Dafür muss man sich noch einmal den kurzen Filmclip anschauen, mit dem die israelische Regierung am 4. August die Weltöffentlichkeit alarmiert hat. Da steht also Generalmajor Yoav Mordechai vor der Kamera und sagt, dass der Direktor von World Vision gestanden habe, Geld an die Hamas umgeleitet zu haben. Und er nennt auch dessen Namen, verspricht sich dabei aber aus Versehen:
"Der Direktor von World Vision im Gazastreifen - Mohammed Halil - Mohammed Halabi - hat gestanden, dass er Geld, das für World Vision gedacht war, an die Hamas weitergeleitet hat."
Mohammed Halil, so nennt Generalmajor Mordechai den World Vision-Direktor also im ersten Anlauf. Das aber ist der Name des entlassenen Mitarbeiters. Erst im zweiten Anlauf bekommt er den richtigen Namen raus: Mohammed Halabi. Durchaus möglich also, dass die israelischen Ermittler den spurlos aus dem Gazastreifen verschwundenen Mohammed Halil als Informanten gewonnen haben. Aber warum soll dann Mohammed el Halabi etwas gestanden haben, das durch die internen Überprüfungen von World Vision schon als gegenstandslos erwiesen worden ist?
In einem Gefängnisflügel mit Kollaborateuren?
Israelische Medien berichten darüber, dass Mohammed Halabi im Laufe seiner Haft in den sogenannten Asafir-Flügel des Shikma-Gefängnisses in Ashkelon verlegt worden ist. Asafir, das ist das arabische Wort für Vögel. So werden die palästinensischen Kollaborateure des Schin Beth bezeichnet. Sie nehmen im Auftrag des Geheimdienstes ihre Mithäftlinge systematisch in die Mangel, um an Informationen zu gelangen. Auch dieses Vorgehen des israelischen Inlandsgeheimdienstes hat die Bürgerrechtsbewegung B´Tselem schon vielfach dokumentiert. Sarit Michaeli:
"Sogar die Häftlinge, die genau wissen, dass sie im Gefängnisflügel mit den Kollaborateuren stecken, erzählen und gestehen alles Mögliche, nur um aus der Situation rauszukommen, in der sie stecken. Der physische, psychologische und emotionale Druck ist so groß, dass sie den Schin Beth-Vernehmern sagen, dass sie bereit sind alles zu gestehen, um nur diese Qual zu beenden."
Ermittler geben Belege nicht preis
Ist Mohammed el Halabi unschuldig? Das lässt sich nicht beurteilen ohne Zugang zu dem Prozess, der auf Anordnung der israelischen Sicherheitsbehörden hinter verschlossenen Türen stattfindet. Der Gazastreifen ist sicherlich ein extrem schwieriges Umfeld für humanitäre Hilfe, und die Hamas ist eine Organisation, die das Palästinensergebiet mit brutalsten Methoden regiert. Die Islamisten leiden unter Geldnot, ein tiefer Griff in die Kassen von Hilfsorganisationen wäre ihnen zuzutrauen. Vereinzelte bewaffnete Übergriffe von Hamas-Milizionären auf Depots mit Hilfsgütern sind belegt.
Andererseits ist die Stabilität der Hamas-Regierung auch davon abhängig, dass NGOs die grundlegenden Bedürfnisse der zwei Millionen Gazaner stillen. Welche Belege haben die israelischen Ermittler also im Fall Mohammed el Halabi? Haben sie möglicherweise nur eine Gelegenheit beim Schopf gepackt, die ihnen ein Informant aus dem Gazastreifen präsentiert hat? Eine Gelegenheit, um eine Hilfsorganisation bloßzustellen, die im vergangenen Sommer noch gemeinsam mit dutzenden anderen internationalen NGOs Israels Blockade des Gazastreifens massiv kritisiert hat?
Fragen, die wir, wenn schon eine Beobachtung des Prozesses nicht möglich ist, gern der israelischen Regierung gestellt hätten. Nach mehreren Anfragen haben schickte uns das Büro des Ministerpräsidenten diese Antwort:
"Über die Informationen hinaus, die wir bereits zur Verfügung gestellt haben, werden die israelischen Sicherheitsbehörden keine weiteren Erläuterungen geben."