Die Istanbuler Richter gaben dem Antrag von Verteidigung und Staatsanwaltschaft auf Haftentlassung statt. Die Vorwürfe gegen Asli Erdogan und die anderen Anklagten bleiben allerdings bestehen. Ein weiterer Angeklagter bleibt nach dem Beschluss des Gerichts in Istanbul in Untersuchungshaft. Der Prozess soll am 2. Januar fortgesetzt werden. Ihm wurde am ersten Tag große Aufmerksamkeit zuteil. Vor dem Gerichtsgebäude Caglayan drängten sich die Interessierten, so dass der Richter nur einen Teil der Menschen als Beobachter zur Verhandlung zugelassen hatte.
Die Autorin Asli Erdogan, 1967 in Istanbul geboren, ist international bekannt. Ihre Bücher sind unter anderem im Züricher Unionsverlag erschienen. Erdogan hatte wie die anderen Angeklagten für die inzwischen geschlossene pro-kurdische Zeitung "Özgür Gündem" gearbeitet. Sie hatte Kolumnen für das Blatt verfasst und saß seit einer Razzia im August in Untersuchungshaft.
Angeklagten droht lebenslang
Die türkischen Behörden halten "Özgür Gündem" für ein Sprachrohr der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. So wird den Angeklagten dann unter anderem auch Mitgliedschaft in der PKK sowie versuchter Umsturz der staatlichen Ordnung vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft fordert 15 Jahre Haft, die Verteidigung spricht von haltlosen Anschuldigungen. Oppositionspolitiker sind über das Vorgehen der Behörden entsetzt.
Baris Yarkadas, Abgeordneter der Partei CHP, nannte den Prozess einen "Skandal". Der Fall hätte nie vor Gericht gebracht werden dürfen. "Die Türkei ist vollständig zur Hölle für Journalisten geworden." Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hatte der türkische Justiz vor Beginn des Prozesses vorgeworfen, das Strafrecht auf Kosten der freien Meinungsäußerung zu missbrauchen.
Weitere Festnahme eines regierungskritischen Journalisten
Unterdessen hat die türkische Polizei erneut einen prominenten Journalisten abgeführt. Dem Regierungskritiker Ahmet Sik wird Propaganda für die PKK und Beleidigung von Staatsorganen vorgeworfen. Dabei geht es offenbar um seine Artikel in der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" sowie seine Nachrichten auf Twitter.
Sik kritisiert in seinen Büchern unter anderem die jahrelange Förderung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen durch die Regierungspartei AKP und vor allem durch den Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Erdogan macht Gülen für den gescheiterten Putschversuch Mitte Juli verantwortlich.
(tj/fwa)