Nach knapp fünf Stunden war die erste Verhandlung im Fall Felicitas Rohrer gegen den Pharmakonzern Bayer aus Leverkusen vorbei. Das Landgericht Waldshut-Tiengen vertagte den Prozess auf das kommende Jahr - eine außergerichtliche Einigung zwischen den beiden Parteien sei nicht möglich.
Felicitas Rohrer lehnt einen Vergleich ab. Sie wolle erreichen, dass die Anti-Baby-Pille "Yasminelle" vom Markt genommen wird. In dem Prozess geht es trotzdem um mindestens 200.000 Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld für die 31-Jährige.
Sachverständige müssen gehört werden
Der Vorsitzende Richter Johannes Daun spricht von "Neuland", das man mit dem Verfahren betrete. Jetzt müssten mindestens zwei Sachverständige gehört werden, die erst im nächsten Jahr benannt werden sollen. Schon im Jahr 2011 hatte Rohrer Klage gegen Bayer eingereicht, aber erst jetzt trafen sich beide Parteien zum ersten Mal vor Gericht.
Rohrer hatte die Pille selbst mehrere Monate lang eingenommen, bis sie im Juni 2009 eine schwere Lungenembolie erlitt. Daran wäre sie beinahe gestorben. Sie sei nun stark eingeschränkt und könne zum Beispiel keine Kinder bekommen, weil sie blutdrucksenkende Medikamente einnehmen müsse, sagt sie. Rohrer wirft Bayer vor, damals nicht ausreichend vor dem erhöhten Thrombose-Risiko gewarnt zu haben.
Der Konzern gibt in einer aktuellen Produktinformation das "Risiko für die Bildung eines Blutgerinnsels pro Jahr" wie folgt an:
Als Faktoren, die das Risiko für eine Thrombose erhöhen, werden unter anderem Übergewicht und fortgeschrittenes Alter (ab 35 Jahren) angegeben.
Rohrer beklagt, dass die Yasminelle ein mindestens doppelt so hohes Thrombose-Risiko habe wie andere Präparate. Dabei geht es vor allem um den Wirkstoff Drospirenon, der in Pillen der 3. und 4. Generation vorkommt.
Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte äußerte im Jahr 2014 Bedenken wegen des Wirkstoffs, der das Thrombose-Risiko erhöhe. Vom Markt genommen werden müssten die Produkte aber nicht, so das Bundesinstitut.
Auch in den USA Ärger wegen "Yasminelle"
Der Pharmakonzern sieht sich dagegen zu Unrecht angegriffen: Durch wissenschaftliche Daten sei bestätigt, dass von der Anti-Baby-Pille und dem Wirkstoff bei korrekter Einnahme keine Gefahr ausgehe. Bereits in drei Prozessen in Deutschland, in denen es um den umstrittenen Wirkstoff gegangen sei, habe Bayer gesiegt, betonte das Unternehmen.
Allerdings hat das Unternehmen in den USA rund 1,9 Milliarden US-Dollar an Frauen gezahlt, die Bayer wegen des Medikaments verklagt hatten. Weil es sich dabei um Vergleiche handelte, kann dies nicht als Schuldeingeständnis von Bayer gewertet werden.
Die Techniker Krankenkasse warnt vor der Einnahme von Pillen der 3. und 4. Generation, die vor allem bei jungen Mädchen und Frauen im Trend sei. Die Krankenkasse ruft dazu auf, Pillen der früheren Generationen zu verwenden und kritisiert auch das Marketing der Pharma-Konzerne. Bei der Pille handele es sich nicht um ein Lifestyle-Produkt, das die Haut schöner mache, sondern um ein verschreibungspflichtiges Medikament mit Risiken, warnte die TK noch Anfang des Monats in einem neuen Bericht.
(pr/tj)