Dieser Heimatbesuch kurz Weihnachten dürfte für die Chefin des Internationalen Währungsfonds nicht von der angenehmsten Sorte sein: Am Nachmittag wird Christine Lagarde, die laut "Forbes-Magazin" zu den Top Ten der mächtigsten Frauen der Welt gehört, in Paris vor Gericht erscheinen. Vergeblich hatte sie versucht, den Prozess zu verhindern. Doch nun gibt sie sich zuversichtlich. Sie sei gelassen und entschlossen, sagte die 60-Jährige bereits im November einem französischen Radiosender:
"Ich fürchte mich nicht vor dem Prozess. Ich bin froh, dass die Angelegenheit nun zu einem Abschluss kommt. Es dauert nun schon fünf Jahre. Der Vorwurf gegen mich ist, dass ich fahrlässig gewesen sein soll. Dazu werde ich mich nun äußern können."
Tatsächlich liegt die Affäre, die in Frankreich weite Kreise gezogen hat, bereits einige Zeit zurück. Alles dreht sich um den windigen französischen Geschäftsmann Bernard Tapie. Tapie hatte in den 90ern seine Anteile am deutschen Sportartikelhersteller Adidas an die damals staatseigene französische Bank Crédit Lyonnais verkauft. Die wiederum veräußerte die Aktien für nahezu das Doppelte.
Tapie fühlte sich über den Tisch gezogen. Ein privates Schiedsgericht sprach dem Unternehmer 2008 schließlich eine Entschädigung von über 400 Millionen Euro zu.
Vorwurf der Fahrlässigkeit
Christine Lagarde wird vorgeworfen, als damalige Finanzministerin unter Präsident Sarkozy die inzwischen kassierte Entscheidung des Schiedsgerichts ohne Einspruch hingenommen zu haben. Durch ihre Fahrlässigkeit habe sie die Veruntreuung öffentlicher Gelder ermöglicht. Lagarde drohen ein Jahr Gefängnis und 15.000 Euro Geldstrafe. Auch auf ihre Position beim Internationalen Währungsfonds könnte eine Verurteilung Auswirkungen haben.
Kritik an der Justiz
Laurent Mauduit von der Internetzeitung "Mediapart" kritisiert, dass der Prozess vor dem sogenannten Gerichtshof der Republik stattfindet und nicht vor einem herkömmlichen Gericht:
"Leider ist in Frankreich die Justiz nicht wirklich unabhängig. Die Minister werden von einer speziellen Gerichtsbarkeit gerichtet. Es gibt einen Gerichtspräsidenten, zwei Beisitzer, sechs Abgeordnete und sechs Senatoren. Und wenn man von seinesgleichen gerichtet wird, dann ist die Rechtsprechung immer viel milder. Das ist ziemlich ungerecht."
Die sozialistische Senatorin Bariza Khiari, die als Richterin mit über den Fall Lagarde entscheidet, versichert, parteipolitisch unabhängig zu urteilen.
"Es geht nicht um die Person, die einem gegenüber sitzt und ein politischer Gegner sein könnte. Wir beurteilen nicht Madame Lagarde, wir beurteilen die Fakten."
Die sollen nun im Fall Lagarde bis zum 20. Dezember geklärt werden. Bis dahin wird Frankreichs frühere Finanzministern in Paris auf der Anklagebank sitzen.