Für seine Propagandavideos posierte Ahamad Abdulaziz Abdullah A. stets mit dem Rücken zur Kamera. Das wirkte geheimnisvoll – und brachte dem gebürtigen Iraker in Ermittlerkreisen einen Spitznamen ein. Youtube, Facebook, eine eigene App: Im Internet verbreitete der "Prediger ohne Gesicht" beinahe täglich neue Botschaften.
Inzwischen glauben die Sicherheitsbehörden eine klare Vorstellung von dem Mann zu haben, der als Prediger unter dem Namen Abu Walaa auftrat. Laut Anklageschrift ist der Imam die zentrale Führungsfigur der Terrormiliz IS in Deutschland. Neben ihm sitzen vier weitere Männer im Alter zwischen 27 und 51 Jahren auf der Anklagebank. Verhandelt wird im besonders gesicherten Schwurgerichtssaal, sagt die Sprecherin des Oberlandesgerichts Celle, Jessica Laß.
"Die Bundesanwaltschaft wirft dem Angeklagten A. im wesentlichen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor, den anderen vier Angeklagten die Unterstützung dieser ausländischen terroristischen Vereinigung. Im Wesentlichen richtet sich der Anklagevorwurf dahin, dass die Angeklagten ein Netzwerk gebildet haben sollen, um Personen in den IS zu vermitteln."
Unverhohlener Aufruf zum Kampf
Ahmad A. soll der Kopf dieses Netzwerks mit besten Verbindungen in den Irak und nach Syrien gewesen sein. In der Moschee des inzwischen verbotenen deutschsprachigen Islamkreises in Hildesheim predigte der 33-Jährige eine besonders extreme Lesart des Islam. Auch in seinen Videoclips übte sich der Prediger nicht länger nur in frommer Nabelschau – sondern rief unverhohlen zum Kampf auf. Die Bundesanwaltschaft listet in ihrer Anklage gleich zwei Dutzend junge Männer auf, die mit Hilfe der Angeschuldigten in die Kriegsgebiete gereist sein sollen – einer von ihnen soll bei einem Sprengstoffanschlag im Irak 140 Regierungssoldaten mit sich in den Tod gerissen haben. In Deutschland hat es mehrere Anschläge mit islamistischem Hintergrund gegeben, für die jugendliche Täter unter Anleitung des IS verantwortlich gemacht werden. Auch der Attentäter Anis Amri, der vor der Berliner Gedächtniskirche 12 Menschen totfuhr, soll die Moschee in Hildesheim besucht haben.
"Diese Personen, die sind für uns unter anderem verantwortlich dafür, dass es hier in Deutschland eine solche Radikalisierungsszene gebildet hat, auf diesen Boden sich erst Leute bereitfinden konnten, in den Bürgerkrieg zu ziehen", sagte Generalbundesanwalt Peter Frank kurz nach der Festnahme der Beschuldigten im November vorigen Jahres.
Abu Walaa fungierte als Autorität für junge Islamisten
Die Behörde stützt ihre Beweisführung auf die belastenden Aussagen von zwei in die Szene eingeschleusten V-Leuten sowie eines Kronzeugen. Anil O., ein Medizinstudent, war im August 2015 als selbst ernannter Gotteskrieger in den Dschihad aufgebrochen, dann aber vor der Gewalt im Kalifat zurückgeschreckt. Inzwischen ist der geständige Rückkehrer in einem Strafprozess in Düsseldorf verurteilt worden. Reporter von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung trafen Anil O. im vergangenen Jahr in der Türkei - noch bevor dieser vor den Behörden auspackte. Schon damals beschrieb der Belastungszeuge die besondere Anziehungskraft, die von Abu Walaa als entscheidender Autorität für junge Islamisten ausgegangen sei.
"In der Szene weiß jeder, dass Abu Walaa einer von wenigen Predigern in Deutschland ist, der den IS auch unterstützt. Und der auch mitunter die Reise nach Syrien organisiert für Jugendliche, die tatsächlich die Absicht haben, zum IS zu gehen und sich dem anzuschließen."
Der Anwalt von Ahmad A. bestreitet die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen und stuft die Aussagen der beiden nicht namentlich genannten Vertrauenspersonen als rechtlich wertlos ein. Bis Januar kommenden Jahres sind zunächst 29 Verhandlungstage angesetzt.