Dafür sprechen die Aussagen von Markus Cramer. Der deutsche Skilanglauf-Trainer arbeitet seit 2015 für Russland, trainiert 11 russische Athleten, von denen fünf wegen Dopings ins Sotschi lebenslang für Olympia gesperrt sind. Zu Unrecht, sagt Cramer: "Wenn dort irgendwas gemacht worden ist, dann ist es ohne Wissen der Sportler passiert."
Und auch jetzt ist Cramer felsenfest davon überzeugt, dass sein Athleten sauber sind: "Also ich vertraue denen nicht nur 100-prozentig sondern 1000-prozentig. Weil wir sehr, sehr oft da drüber reden und es gab speziell in den letzten zwei Jahren, so viele zusätzliche Kontrollen für russische Sportler."
Kann man den Russen jetzt trauen? Dafür spricht auch, dass der Kopf des russischen Dopingsystems, nicht mehr da ist. Grigori Rodschenkov, der ehemalige Leiter des Moskauer Doping-Kontroll-Labors. Er ist in die USA geflüchtet und befindet sich im Zeugenschutzprogramm des FBI.
Und auch andere maßgeblich beteiligte Funktionäre im russischen Sportsystem sind enttarnt. Das die jetzt einfach ausgetauscht wurden, und weiter gedopt wird, hinter seinem Rücken, kann sich Skilanglauf-Trainer Markus Cramer nicht vorstellen.
Mangelnde Aufklärung der Russen
"Ich hab mit meiner Aufgabe hier mit meiner Gruppe absolute Freiheit. Ich kann auswählen, wo ich meine Trainingskurse machen will, wie lange. Es gibt keinerlei vorgaben vom Skiverband oder sonstigen Ministerien: Du darfst nur das oder jenes machen. Oder Du darfst vielleicht im Interview nur das sagen, also das gibt es alles nicht."
Kann man den Russen also trauen? Dagegen spricht, dass von russischer Seite bei der Aufklärung und Aufarbeitung nach wie vor gemauert wird. Die Russen wollen die entscheidenden Daten aus dem Moskauer Doping-Kontrolllabor nicht rausrücken, sagt Günter Younger, der Chef-Ermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA.
Der Staat hat die Hand drauf
"Wir haben ja immer noch nicht den Zugang zu den Labordaten. Wir haben kein Zugang zu den Proben, die in Moskau nach wie vor gestapelt sind. Das heißt, es sind so viele Ankerpunkte, wo wir hoffen, dass irgendwann Russland nachgibt und uns die Daten auch aushändigt. Bisher machen sie das aber nicht."
Die brisanten Daten aus dem Moskauer Labor wurden sichergestellt von einer eigenen, russische Ermittlungskommission, die von oben eingesetzt worden war. Der Staat hat also die Hand drauf – und nicht einmal die russische Anti-Doping-Agentur RUSADA soll Zugang haben.
Die RUSADA hat sich zwar neu aufgestellt, sei aber noch nicht so weit, richtig ernst genommen zu werden, sagt Rune Andersen, Chef der externen Anti-Doping-Task-Force für die russische Leichtathletik: "Solange die RUSADA nicht wieder voll anerkannt ist, wird es für mich keine ausreichenden und aussagekräftigen Dopingtests bei russischen Sportlern geben."
Fehlendes Eingeständnis
Dazu kommt, dass Russland die Untersuchungsergebnisse des sogenannten McLaren-Berichts immer noch nicht anerkennt. Es fehlt also nach wie vor das Eingeständnis, dass es ein staatlich gestütztes Dopingsystem im eigenen Land gegeben hat.
Fazit: Dass in Russland ein Dopingsystem wie in der Vergangenheit nach wie vor existiert, ist unwahrscheinlich. Aber, solange die Russen nicht reinen Tisch machen und bei der Aufarbeitung nicht voll kooperieren, fällt es schwer, ihnen zu trauen.