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Prozesse gegen „Cumhuriyet“-Journalisten
“Wir haben uns schon daran gewöhnt"

Zwei Tage nach der Verurteilung von acht führenden Ex-Mitarbeitern der türkischen Zeitung "Cumhuriyet", wird am Donnerstag ein weiterer Prozess gegen eine ehemalige "Cumhuriyet"-Journalistin fortgeführt. Pelin Ünker steht unter anderem für ihre Paradise Papers-Recherchen vor Gericht.

Von Christian Buttkereit |
Vor der Zentrale der "Cumhuriyet" in Istanbul protestieren Menschen gegen den Prozess gegen Mitarbeiter der Zeitung.
Seit Jahren gibt es Proteste gegen das Vorgehen der türkischen Justiz gegen Mitarbeiter von "Cumhuriyet" - hier 2017 vor der Zentrale der Zeitung in Istanbul (AFP / OZAN KOSE)
Es ist die Fortsetzung einer absurd erscheinenden Justizposse. Denn obwohl auch die Kläger nicht behaupten, dass die Berichte von Pelin Ünker falsch seien, muss die ehemalige "Cumhuriyet"-Journalistin vor Gericht. Eigentlich könne sie entspannt sein, meint die Mittdreißigerin.
"Wenn meine Artikel falsch wären, dann wüsste ich, dass ich einen Fehler begangen habe. Da ich aber weiß, dass diejenigen, um die es in den Berichten geht, das inhaltlich bestätigt haben, habe ich keine Bedenken."
Doch es gehe nicht um die Richtigkeit ihrer Recherchen sondern darum, wer darin verwickelt sei, sagt die Journalistin.
Der türkischer Finanzminister ist einer der Beschwerdeführer
Während im ersten Prozess die Söhne des späteren Parlamentspräsidenten und heutigen Istanbuler Oberbürgermeisterkandidaten Binali Yildirim wegen Steuervermeidung in großem Stil im Mittelpunkt standen, ist es nun das Umfeld von Staatspräsident Erdogan, erklärt Pelin Ünkers Anwalt Yalcin Abbas.
"Meine Mandantin wird der Verleumdung beschuldigt. Die Beschwerdeführer sind Serhat Albayrak, Berat Albayrak und Ahmet Calık."
Alle drei Namen sind pikant. Berat Albayrakt ist heute türkischer Finanzminister. Außerdem Schwiegersohn von Staatspräsident Erdogan und er gilt als dessen Kronprinz. Serhat Albayrak ist sein Bruder, ein Geschäftsmann unter anderem im Bereich der regierungstreuen Medien. Beide Brüder haben früher in Führungspositionen beim Mischkonzerns Calik gearbeitet, dessen Inhaber ebenfalls in den Paradise Papers auftaucht.
Alle drei werden dort mit dutzenden Offshore Firmen auf Malta in Verbindung gebracht. Deren einziges Ziel sei es, Steuern zu vermeiden, sagt die Journlistin Pelin Ünker, das sei auch nicht illegal und das habe sie auch nie behauptet.
Parallelen zu anderen Prozessen
"Wie in der ganzen Welt, so gibt es auch in der Türkei eine Diskussion darüber, ob Steueroasen ethisch vertretbar sind. Hierzulande zahlen alle Menschen hohe Steuern. Und diese Steuern entrichten wir aufgrund der Politik der Regierung. Und dann gibt es für manche Leute die Möglichkeit Offshore weniger Steuern zu zahlen."
Dass diese Menschen ausgerechnet aus dem Umfeld der Regierung kommen, hält Ünker für problematisch. Vor Gericht geht es also allein um die Diffamierung bekannter Persönlichkeiten.
"Wir haben uns schon daran gewöhnt aber es ist komisch, aufgrund einer Nachricht zu einer Strafe verurteilt zu werden, auch wenn die Nachricht stimmt."
Ünkers Anwalt Yalcin Abbas sieht nicht nur Parallelen zum Prozess um die Beleidigung und Diffamierung der Söhne des ehemaligen Ministerpräsidenten und späteren Parlamentspräsidenten Yildirim. Ünker war im Januar zu dreizehneinalb Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt worden.
"Dieser Prozess wird vor dem gleichen Gericht sattfinden, es geht um den gleichen Zeitungsartikel und deshalb denke ich, sie werden annähernd die gleiche Entscheidung treffen. Natürlich sind die Kläger andere und die Beschwerden nicht hundertprozentig deckungsgleich. Aber um sich selbst nicht zu widersprechen denke ich, wird das Gericht ein ähnliches Urteil fällen."
Mehr als 100 Anwälte protestieren
Die Entscheidung vom Januar ist noch nicht rechtskräftig, aber dass es überhaupt dazu gekommen ist, bezeichnet Pelin Ülker als symptomatisch für den Umgang der Regierung aber auch der Justiz mit kritischen Journalisten.
"Es ist, als würde die Regierung sagen, ja wir haben Fehler gemacht. Aber diejenigen, die darüber berichtet haben, wurden ihrer gerechten Strafe zugeführt."
Pelin Ünker arbeitet nicht mehr für die Cumhurriyet, seit die Zeitung eine neue Leitung bekommen und ihren regierungskritischen Kurs ein Stück weit verlassen hat. Jetzt ist sie unter anderem für das türkische Programm der Deutschen Welle tätig. Viele ihrer ehemaligen Kollegen treffe sie aber bei Anwälten oder im Gericht, sagt Ünker.
So wird es auch dieses Mal sein. Während im Istanbler Justizpalast der Fall Ünker gegen Albayrak verhandelt wird, werden draußen mehr als 100 Anwälte protestieren. Grund sind die Urteile aus einem Berufungsprozess von 14 ehemaligen Mitarbeitern der "Cumhuriyet" Anfang dieser Woche. Das Gericht hatte sämtliche Haftstrafen aus erster Instanz bestätigt.
Die Hälfte der Verurteilten muss nun zurück ins Gefängnis. Weitere sieben Angeklagte bleiben vorerst auf freiem Fuß. Weil sie zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt wurden, haben sie die Möglichkeit, sich an das höchste Berufungsgericht zu wenden.
Prozess gegen Can Dündar wird im Mai fortgesetzt
Die Journalisten und der Herausgeber der national-säkularen Zeitung wurden wegen Unterstützung verschiedener Terrororganisationen verurteilt, darunter die islamische Gülen-Bewegung und die kurdische PKK.
Die Verfahren gegen zwei weitere Angeklagte waren schon vor Monaten abgetrennt worden. Unter anderem das gegen den ehemaligen Chefredakteur Can Dündar, der im Exil in Deutschland lebt. Sein Prozess wird im Mai fortgesetzt.