30 Milliarden Euro – so viel musste Volkswagen bisher für die Folgen des Abgas-Skandals hinlegen. Den Großteil dieser Summe in den Vereinigten Staaten – dort wurden Kunden großzügig entschädigt. In Deutschland wurden von VW und Tochterunternehmen Bußgelder bezahlt.
Insbesondere mit der Beilegung der Verbraucheransprüche in den USA galt der Großteil der finanziellen Risiken als beseitigt, weil besonders die amerikanische Form der Sammelklage Konzerne teuer zu stehen kommen kann.
Aber in den USA gibt es noch weitere Rechtsrisiken: Einige Bundesstaaten und Kommunen haben VW wegen der vermeintlichen Verletzung lokalen Umweltrechtes verklagt.
Anleger machen 9,6 Milliarden Euro geltend
Zudem hat die Börsenaufsicht SEC Mitte März 2019 einen weiteren Rechtsstreit angefangen: Volkswagen soll während der Abgas-Manipulation am Kapitalmarkt 13 Milliarden Dollar mit Anleihen eingesammelt haben, wie die SEC sagt: unter Vorspiegelung falscher Tatsachen.
Auch andere Kapitalmarkt-Prozesse drohen teuer zu werden. Sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern laufen Anlegerklagen. Dem letzten VW-Geschäftsbericht zufolge machen die Anleger außerhalb Nordamerikas Ansprüche in Höhe von 9,6 Milliarden Euro geltend.
Das heißt nicht, dass VW das Geld wird zahlen müssen, die Risiken sind dennoch enorm. Umso überraschender ist der Umgang des Konzerns damit: Für die Anlegerklagen hat VW keine Rückstellungen gebildet, weil – so hieß es im Geschäftsbericht – der Konzern der Auffassung ist, seine Pflichten gegenüber den Anlegern erfüllt zu haben.
Dennoch weist der Konzern - gewissermaßen fürs Protokoll - aus, was eventuell noch an Kosten anfallen könnte. Eventualverbindlichkeiten heißt das im Finanz-Jargon. Diese beziffert der Konzern allein für die Anlegerklagen in Deutschland mit 3,4 Milliarden Euro.
Betriebsgewinn um zehn Prozent gesteigert
VW rechnet nicht damit, das Geld je zahlen zu müssen. Und wenn doch wäre es wohl kein allzu großes Problem: Im Gegensatz zur Konkurrenz steht VW finanziell gut da. Im ersten Halbjahr hat das Unternehmen seinen Betriebsgewinn um zehn Prozent gesteigert, auf knapp neun Milliarden Euro, obwohl weniger Autos verkauft wurden. Das heißt, an anderer Stelle wurde Geld gespart.
Unterdessen kämpfen Daimler und BMW in diesem Jahr mit Verlusten und selbst große Zulieferer stampfen ihre Prognosen ein und kündigen den Abbau von Arbeitsplätzen an.
Die ganze Branche kämpft mit dem Konjunkturabschwung und dem Umbau zur Elektromobilität, und ausgerechnet VW steckt das bisher mit am besten weg. Dabei hat der Konzern diesen Umbau, beziehungsweise dessen Dynamik, mit ausgelöst.
Auch die strenger werdenden CO2-Grenzwerte in Europa oder Elektro-Auto-Quoten in China treiben die Entwicklung von E-Autos voran, aber unbestreitbar versucht Volkswagen aktuell, sich neu zu erfinden – vom Krisenkonzern zum Elektrovorreiter.
Dabei kann sich der Konzern sicher sein, dass der Staat ihm beispringt: Der niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) verteidigte im Deutschlandfunk die staatliche Unterstützung der Branche.