Gewaltig sind die Ausmaße der Hagia Sophia, die der oströmische Kaiser Justinian in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul errichten ließ: Über der annähernd quadratischen Grundfläche mit siebzig Meter langen Seiten erhebt sich in mehr als fünfzig Meter Höhe eine Kuppel von 31 Metern Durchmesser. Die Kirche muss, als sie am 27. Dezember 537 nach nur fünf Jahren Bauzeit geweiht wurde, einschüchternd gewirkt haben.
Für den Bauherrn nämlich galt es, mit dem Neubau Stärke zu demonstrieren: Schließlich war die Vorgängerkirche 532 in Brand gesteckt worden – bei einem gegen den Kaiser gerichteten Aufstand:
"Gott jedoch hat diese Freveltat zugelassen, weil er voraussah, in welcher Pracht er dieses Heiligtum wiedererstehen lassen würde."
schrieb Prokopius von Cäsarea, Justinians Hofchronist. Justinian selbst soll damals unter der Kuppel der neuen Kirche ausgerufen haben:
"Salomo, ich habe dich übertroffen."
Am biblischen Erbauer des ersten Tempels in Jerusalem wollte der byzantinische Kaiser sich messen lassen – und das war nicht zu hoch gegriffen: Weil die tragende Konstruktion in den seitlichen Anbauten versteckt lag, schien die Kuppel wie ein künstlicher Himmel schwerelos über den Kirchenbesuchern zu schweben. Die raffinierte Lichtführung über einen Kranz von Fenstern direkt unter dem Kuppelrand tat ein Übriges. Selbst Prokopius, der nüchterne Chronist, zeigte sich überwältigt:
"Glanz und Harmonie der Maße schmücken sie, kein Zuviel und kein Zuwenig ist an ihr festzustellen, da sie prunkvoller als das Gewohnte und zuchtvoller als das Maßlose ist; an Licht und Sonnengefunkel aber hat sie Überfluß. Man könnte nämlich meinen, der Innenraum werde nicht von außen her durch die Sonne erleuchtet, sondern empfange seine Helligkeit von sich aus, eine solche Lichtfülle ist über das Heiligtum ausgegossen."
Die Proportionen der Hagia Sophia gleichen den überlieferten Maßen von Salomos Tempel, denn auch bei diesem sagenumwobenen Bauwerk verhielten sich Grundriss und Höhe wie 3 zu 1 zu 1,5. Die vierzig Fenster in der Kuppel stehen für die vierzig Jahre Wanderschaft der Israeliten durch die Wüste, insgesamt 365 Türen symbolisieren die Tage eines Jahres.
Diese Magie der Zahlen hatte Justinian vermutlich bei der Auswahl seiner Architekten im Sinn: Anthemios von Tralles und Isidoros von Milet waren Statiker und Geometer, eher Ästheten in der Theorie als erfahrene Baumeister in der Praxis. Und so konnten sich Zeitgenossen die Umsetzung ihrer unerhörten, im Wortsinne hochfliegenden Konstruktionspläne nur vorstellen mittels Verwendung ungewöhnlicher Materialien.
Wer heute auf eine Hagia Sophia schaut, die nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken von vier Minaretten umstellt wurde, der mag sich wundern, wie unübersichtlich dieses architektonische Weltwunder von außen wirkt, mit ineinandergeschachtelten Halbkuppeln und einem Gewirr von Seitenstreben, die die Last der Zentralkuppel abfangen.
Durch diese ästhetisch nicht sehr überzeugende, aber für die Statik notwendige Gestaltung von Fassade und Außenansicht wird die Aufmerksamkeit um so mehr auf das Innere gelenkt, auf einen Sakralraum, in dem die Pracht der Marmorsäulen und der Glanz goldener Mosaikbilder vom Schwung der Bögen und einer schwebenden Kuppel überflügelt werden. Diese spirituelle Dimension der byzantinischen Zentralbasilika hat im 20. Jahrhundert ein Künstler der Moderne wiederentdeckt, der Bildhauer Eduardo Chillida:
"Klangfülle entsteht in Innenräumen, wie etwa in den Kirchen. Wenn man die Hagia Sophia betritt, auch wenn keine Musik gespielt wird, wird man davon geblendet. Als ich vor ein paar Jahren diesen fantastischen Raum betrat, da hatte ich den starken Eindruck, die Lungen Bachs zu betreten."
Für den Bauherrn nämlich galt es, mit dem Neubau Stärke zu demonstrieren: Schließlich war die Vorgängerkirche 532 in Brand gesteckt worden – bei einem gegen den Kaiser gerichteten Aufstand:
"Gott jedoch hat diese Freveltat zugelassen, weil er voraussah, in welcher Pracht er dieses Heiligtum wiedererstehen lassen würde."
schrieb Prokopius von Cäsarea, Justinians Hofchronist. Justinian selbst soll damals unter der Kuppel der neuen Kirche ausgerufen haben:
"Salomo, ich habe dich übertroffen."
Am biblischen Erbauer des ersten Tempels in Jerusalem wollte der byzantinische Kaiser sich messen lassen – und das war nicht zu hoch gegriffen: Weil die tragende Konstruktion in den seitlichen Anbauten versteckt lag, schien die Kuppel wie ein künstlicher Himmel schwerelos über den Kirchenbesuchern zu schweben. Die raffinierte Lichtführung über einen Kranz von Fenstern direkt unter dem Kuppelrand tat ein Übriges. Selbst Prokopius, der nüchterne Chronist, zeigte sich überwältigt:
"Glanz und Harmonie der Maße schmücken sie, kein Zuviel und kein Zuwenig ist an ihr festzustellen, da sie prunkvoller als das Gewohnte und zuchtvoller als das Maßlose ist; an Licht und Sonnengefunkel aber hat sie Überfluß. Man könnte nämlich meinen, der Innenraum werde nicht von außen her durch die Sonne erleuchtet, sondern empfange seine Helligkeit von sich aus, eine solche Lichtfülle ist über das Heiligtum ausgegossen."
Die Proportionen der Hagia Sophia gleichen den überlieferten Maßen von Salomos Tempel, denn auch bei diesem sagenumwobenen Bauwerk verhielten sich Grundriss und Höhe wie 3 zu 1 zu 1,5. Die vierzig Fenster in der Kuppel stehen für die vierzig Jahre Wanderschaft der Israeliten durch die Wüste, insgesamt 365 Türen symbolisieren die Tage eines Jahres.
Diese Magie der Zahlen hatte Justinian vermutlich bei der Auswahl seiner Architekten im Sinn: Anthemios von Tralles und Isidoros von Milet waren Statiker und Geometer, eher Ästheten in der Theorie als erfahrene Baumeister in der Praxis. Und so konnten sich Zeitgenossen die Umsetzung ihrer unerhörten, im Wortsinne hochfliegenden Konstruktionspläne nur vorstellen mittels Verwendung ungewöhnlicher Materialien.
Wer heute auf eine Hagia Sophia schaut, die nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken von vier Minaretten umstellt wurde, der mag sich wundern, wie unübersichtlich dieses architektonische Weltwunder von außen wirkt, mit ineinandergeschachtelten Halbkuppeln und einem Gewirr von Seitenstreben, die die Last der Zentralkuppel abfangen.
Durch diese ästhetisch nicht sehr überzeugende, aber für die Statik notwendige Gestaltung von Fassade und Außenansicht wird die Aufmerksamkeit um so mehr auf das Innere gelenkt, auf einen Sakralraum, in dem die Pracht der Marmorsäulen und der Glanz goldener Mosaikbilder vom Schwung der Bögen und einer schwebenden Kuppel überflügelt werden. Diese spirituelle Dimension der byzantinischen Zentralbasilika hat im 20. Jahrhundert ein Künstler der Moderne wiederentdeckt, der Bildhauer Eduardo Chillida:
"Klangfülle entsteht in Innenräumen, wie etwa in den Kirchen. Wenn man die Hagia Sophia betritt, auch wenn keine Musik gespielt wird, wird man davon geblendet. Als ich vor ein paar Jahren diesen fantastischen Raum betrat, da hatte ich den starken Eindruck, die Lungen Bachs zu betreten."