Egal ob sie an Depression, bipolarer Störung, Schizophrenie oder einer anderen psychischen Erkrankung leiden: Professorin Steffi Riedel-Heller von der Universität Leipzig weiß, was viele der Betroffenen sich wünschen:
"Die meisten psychisch Kranken, auch schwer psychisch Kranken, wünschen sich Arbeit, insbesondere 'normale Arbeit'. Übersetzt heißt das: Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt. Das muss nicht Vollzeit sein, das kann Teilzeit sein, aber wichtig ist: normale Arbeit, Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt."
Für die Betroffenen ist es zwar leichter, auf dem sogenannten zweiten Arbeitsmarkt unterzukommen, also in speziellen Behinderten-Werkstätten. Doch manche fühlen sich dort unterfordert, der Verdienst ist gering - und der Wechsel in den ersten, den "normalen" Arbeitsmarkt, ist fast unmöglich. Aber gerade dort bringt die Arbeit viele positive Aspekte mit sich, sagt Professorin Riedel-Heller:
"Strukturgebung, Identitätsfindung, Sinnstiftung und Einkommen zu generieren, um Zugang zu Möglichkeiten zu haben."
Auch für die soziale Anerkennung und das Selbstwertgefühl spielt eine "normale" Arbeit eine wichtige Rolle. Das stellt die Professorin für Sozialmedizin in einer aktuellen Analyse zu dem Thema fest. Da geht es auch darum, auf welche Weise psychisch kranke Menschen am erfolgreichsten sich auf dem ersten Arbeitsmarkt integrieren können:
"Es gibt grundsätzlich zwei Strategien: Die erste: Dass also Betroffene quasi rasch auf dem Arbeitsmarkt vermittelt werden und dort zeitlich unbefristet durch Jobcoaches begleitet werden. Die andere Strategie folgt mehr dem Stufenleiter-Prinzip: Wo also eine Vorbereitungsphase stufenweise über Praktika bis zur Hinführung in den Arbeitsmarkt erfolgt."
Internationale Studien, aber auch Studien aus dem deutschsprachigen Raum zeigen, dass die erste Strategie erfolgreicher ist: Die Betroffenen kommen schnell zu ihrem Arbeitsplatz, ohne lange Vorbereitung - werden dafür aber unbefristet von kompetenten Ansprechpartnern begleitet. Das können zum Beispiel regelmäßige Gespräche sein, sagt Katrin Zeddies:
"Eine Möglichkeit ist, dass es regelmäßige Reflexionsgespräche gibt, dass wöchentlich wirklich jemand der Ansprechpartner ist und sagt 'Wie läuft es? Wie sieht es aus?', Rückmeldung gibt, Mut macht, sich zu äußern und so weiter."
Wenn über die Arbeitssituation von schwer psychisch kranken Menschen in Deutschland gesprochen wird, dann kann Katrin Zeddies gleich doppelt mitreden: Denn erstens arbeitet sie mit Menschen, die psychisch schwer erkrankt sind - und mit ihren Angehörigen. Und zweitens war sie selber psychisch krank:
"Ich bin Rehabilitationspsychologin und systemische Familientherapeutin und trockene Borderlinerin."
Mit dem Begriff "trockene Borderlinerin" meint Katrin Zeddies ihre psychische Erkrankung.
"Das heißt, dass ich viele Jahre zu tun hatte mit einer seelischen Erkrankung, aber die Kriterien nicht mehr erfülle. Und da bin ich sehr stolz drauf, weil ich mir das selber erarbeitet habe."
Auf ihrem Weg in die Berufstätigkeit hat Katrin Zeddies dabei von Anfang an auf Offenheit gesetzt und ihren Arbeitgebern gleich mitgeteilt, was ihr Problem ist. Und so konnten sie gemeinsam planen für Krisenzeiten, wenn es der Psyche mal so richtig schlecht geht:
"In dem man präventiv sagt: Okay, was passiert, wenn? Kann die Zeit nachgearbeitet werden? Kann eine Zeit lang zu Hause gearbeitet werden? Dass man so was einfach bespricht. Und ich leg meine Hand dafür ins Feuer, dass es dann zur Hälfte nicht mehr passiert, dass überhaupt jemand in eine Krise geht."
Nicht immer funktioniert das, doch sicher ist: Einen Versuch ist es wert, denn es ist nicht nur ökonomisch sinnvoller, psychisch kranke Menschen arbeiten zu lassen - es ist auch gesundheitlich sinnvoller. Denn Arbeit tut der Seele gut.