Gabriele Frehse wehrt sich. Wenn einzelne Turnerinnen ihre Kommunikation als "psychische Misshandlung" wahrgenommen hätten, täte ihr das aufrichtig leid. Ihre Absicht sei das aber nicht gewesen, schreibt die Turntrainerin in einem offenen Brief. Darin hatte sie vor der heutigen Sitzung des Sportausschusses dem Deutschen Turner Bund vorgeworfen, ihr ein gerechtes Verfahren zu verweigern. Auch André Hahn, sportpolitischer Sprecher der Linken, kritisiert die Forderung des DTB, dass der Olympiastützpunkt Chemnitz Frehse entlassen solle.
"Solange dort nichts bewiesen ist und arbeitsrechtlich nicht geklärt ist, dass die Trainerin dort nicht arbeiten darf und die verbleibenden Athleten mit ihr trainieren wollen, sollte sie aus meiner Sicht dort weitermachen können, ich würde im Interesse der Athleten ihnen weiter die Möglichkeit geben, dort sich auf die großen Sportereignisse vorzubereiten."
Vorfälle sind Teil der Turn-Realität
Zumal bei einem verlorenen Arbeitsgerichtsprozess gegen die Trainerin dem Olympiastützpunkt in Sachsen die Insolvenz drohe, so der Abgeordnete weiter. Für die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen kommt eine Weiterbeschäftigung von Gabriele Frehse jedoch nicht in Frage. Eine gute Stunde lang diskutierte der Sportausschuss des Bundestages heute über die Vorwürfe gegen sie. Mehrere Turnerinnen, darunter Ex-Weltmeisterin Pauline Schäfer, hatten ihr vorgeworfen, sie im Training schikaniert und Medikamente ohne ärztliche Verordnung zugelassen zu haben. Besonders beeindruckt ist die Sportausschussvorsitzende Dagmar Freitag, SPD, von den Ausführungen der Athletensprecherin des Deutschen Turnerbundes, Kim Bui.
"Weil sie den Zwiespalt so deutlich gemacht hat. In dem sich junge Menschen, die ja auch in ihrer Entwicklungsphase sind, befinden. Und welche Ängste beispielsweise solche junge Menschen begleiten, und dass zusammenzubringen: die eigenen Hoffnungen, vielleicht auch die Hoffnungen des Umfeldes nicht enttäuschen zu wollen, mit den eigenen Ängsten, der eigenen Verzweiflung und auch der eigenen Hilflosigkeit."
Vorfälle wie die in Chemnitz seien leider Teil der Turn-Realität. Der Sportausschuss hat daher auch über Wege diskutiert, Kinder besser zu schützen. Der Präsident des Deutschen Turnerbundes, Alfons Hölzl, schlägt vor: Es sollte mehr als nur drei Bundesstützpunkte geben.
"Drei Bundesstützpunkte im Turnen Frauen bedeutet konkret, dass eine Turnerin aus Kiel beispielsweise nach Chemnitz, nach Mannheim oder nach Stuttgart fahren müsste. Hier muss man nochmal nachdenken, ob im Hochleistungssport mit Minderjährigen unser Stützpunktsystem, so wie wir es jetzt haben, zukunftsweisend ist."
Britta Dassler: Kinder sollen heimatnah trainieren
Findet auch Britta Dassler, sportpolitische Sprecherin der FDP.
"Ich hätte mir drei Mal überlegt, ob ich meine Jungs in so einem jungen Alter schon Hunderte von Kilometern weggebe. Und ich finde es richtig und wichtig, dass man darüber nachdenkt, eben die Anzahl der Stützpunkte zu vergrößern, damit Kinder heimatnah trainieren können und nicht alle drei Wochen vielleicht mal ein Wochenende zu ihren Eltern dürfen."
Die Diskussion im Sportausschuss über die möglichen Lehren aus dem Chemnitzer Fall hat also gerade erst begonnen.
Die Abgeordneten hatten noch einen zweiten Punkt auf der Tagesordnung: die schwierige Situation in der Deutschen Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft. Deren neuer Präsident Matthias Große erstattete Bericht. Lehnte aber hinterher ein Interview ab mit den Worten: er habe nichts zu sagen, er müsse seinen Verband retten. Auch schon in der Sitzung habe er nichts zu sagen gehabt, kommentierte die Vorsitzende des Ausschusses, Dagmar Freitag.