In Ferguson wird ein Junge von der Polizei erschossen. In New York stirbt ein Familienvater im Würgegriff eines Beamten. Beide Opfer sind schwarz. Beide sind Opfer rassistischer Gewalt.
Ein Problem, mit dem die USA nicht alleine sind. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gibt es überall. Ein Problem, das in unseren Köpfen und mit unseren Körpern beginnt, erklärt Manos Tsakiris, Professor für Psychologie an der Royal Holloway University of London:
"Anscheinend hängt das, was wir über andere denken, entscheidend davon ab, als wie ähnlich oder fremd wir eine Person empfinden. Die physische Erscheinung ist dafür ein wichtiges Kriterium. Wir vergleichen unsere Wahrnehmungen anderer Personen ständig mit dem Bild, das wir von uns selbst haben."
Körpertausch per Gummihand
Je fremder uns ein Mensch erscheint, desto schneller haben wir ihm gegenüber Vorurteile. Was aber würde passieren, wenn wir für einen Moment in der Haut dieses anderen steckten? Würden wir dann auch unsere Vorurteile ablegen?
Um diese Frage zu beantworten, ließen Manos Tsakiris und seine Kollegen weiße Versuchspersonen in Körper mit anderen Hautfarben schlüpfen. Eine erstaunlich einfache Operation:
"Man nimmt eine Gummihand und legt sie einfach vor jemanden hin. Dann beginnt man, die wirkliche Hand und die Gummihand im gleichen Rhythmus zu streicheln. Dabei sehen die Leute ihre Hand nicht. Sie sehen nur die Gummihand. Und was dann geschieht, ist, dass die Leute das Gefühl bekommen, die falsche Hand wäre ein Teil ihres Körpers! Das funktioniert auch mit Videoaufnahmen von Gesichtern oder mit Avataren in virtuellen Umgebungen. Das haben viele Experimente belegt."
Indirekte Rassismus-Messung
Mithilfe einer schwarzen Hand gelang es den Wissenschaftlern tatsächlich, den Versuchspersonen vorzugaukeln, sie hätten eine andere Hautfarbe. Auch nach dem Körpertausch schätzten die Versuchspersonen ihren Teint dunkler ein, als er tatsächlich war. Das Gefühl, selber ein anderer zu sein und damit einer anderen Gruppe anzugehören, veränderte auch die innere Haltung gegenüber dieser Gruppe.
"Natürlich fragen wir die Leute nicht direkt Wie rassistisch bist du? Da würde ja jeder antworten: Überhaupt nicht! Wir messen deshalb unterschwellige Vorurteile. Alles was die Leute dafür tun müssen, ist Stimuli zu kategorisieren. Die Reaktionszeit zeigt, wie leicht es ihnen fällt, negative beziehungsweise positive Dinge etwa schwarzen Gesichtern zuzuordnen. So können wir sehen, wie stark eine unterschwellige negative Assoziation ist."
Im Vorher-Nachher-Vergleich zeigten die Versuchspersonen durch den Körpertausch weniger Vorurteile. Zumindest für einen kurzen Zeitraum:
"Ich denke nicht, dass wir so zum Beispiel Rassismus kurieren können. Aber es ist ein Weg, wie wir Menschen ermöglichen können, die Perspektive eines anderen einzunehmen."
Als Hilfsmittel zur Toleranzförderung etwa an Schulen oder bei der Polizei sieht Manos Tsakiris durchaus Potenzial für Gummihände und virtuelle Körper. Das beste Mittel gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist für den Wissenschaftler aber ein anderes: echte Menschen treffen und kennenlernen.