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Psychologie in Corona-Zeiten
"Das Wichtigste ist ein Gefühl der Kontrolle"

Viele Entwicklungen der Corona-Pandemie liegen nicht in unserer Macht. Dennoch ist es ein wesentlicher Faktor, dass Menschen das Gefühl haben, sie können selbst etwas für den Schutz für sich und andere tun, erklärte Birgit Spinath im Dlf, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie.

Birgit Spinath im Gespräch mit Michael Böddeker |
Mund-Nase-Masken zum Schutz vor dem Coronavirus in einem Schaufenster in Erfurt (Thüringen). Die bunt gemusterten Masken sind an einer Wäscheleine aufgehängt.
Alltagsmaske tragen - eine Möglichkeit, den eigenen Schutz nicht anderen zu überlassen. (dpa/Martin Schutt)
Wie wirkt sich die Pandemie psychisch aus? Und was sollten Entscheidungsträger in Zukunft berücksichtigen? Mehrere Fachgesellschaften für Psychologie haben dazu jetzt ein Papier verfasst. Eine der Autorinnen ist Birgit Spinath, sie ist Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychologie.
Michael Böddecker: Wir Menschen seien eher schlecht darin, Risiken zu bewerten, heißt es in diesem Papier. Frau Spinath, was ist, wenn jetzt die Infektions-Zahlen wieder steigen? Werden die Menschen dann das Risiko wahrnehmen und sich entsprechend wieder vorsichtig verhalten?
Birgit Spinath: Ich glaube, dass sie das tun werden. Ein wesentlicher Faktor dafür ist, dass die Menschen das Gefühl haben, sie können selber etwas tun, um sich und andere zu schützen. Sie können das als Gemeinschaft erreichen. Wir sind nicht Spielball einer Pandemie, sondern wir können sehr genau hinschauen, wir können Daten sammeln, beobachten und dort, wo etwas passiert, schnell handeln. Dafür ist es natürlich wichtig, ein gutes Krisenmanagement zu haben, dass man sehr genau weiß, was sind die wirksamen Maßnahmen und diese dann auch konsequent anwendet.
28.01.2020, Nordrhein-Westfalen, Oberhausen: Eine Frau trägt vor einer Apotheke eine Mund- und Nasenmaske.
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Böddecker: Dass man die Maßnahmen anwendet, ist das eine, andererseits muss das Ganze ja auch kommuniziert werden von den Verantwortlichen, von der Regierung, von den Gesundheitsämtern, dem Robert Koch-Institut. Haben Sie da in dem Papier Ideen, was da noch verbessert werden könnte?
Spinath: Ja, darauf geht unser Papier im Besonderen ein, denn die Kommunikation dessen, was passiert gerade, und was müssen wir tun, um es gut zu bewältigen, ist ein sehr wesentlicher Baustein in allem. Wir merken das an uns selber, wenn uns etwas gut erklärt wird, nachvollziehbar kommuniziert wird, gerne auch widerspruchsfrei, was ja manchmal etwas schwierig ist, dann sind wir eher bereit, dem zu folgen, als wenn es vage, widersprüchliche Aussagen gibt. Insofern ist das Management von Information: Wem werden welche Informationen wie dargeboten, damit sie auf fruchtbaren Boden fallen. Dieses Kommunizieren ist ganz, ganz wesentlich.
"Die Ansprache muss zielgruppengerecht sein"
Böddecker: Und wie ließe sich das möglichst optimal gestalten?
Spinath: Zum einen muss es zielgruppengerecht sein. Es gibt Personengruppen, die wollen es vielleicht aus einer Fachperspektive heraus erklärt haben. Wir hören ja jetzt auch sehr viel von den Virologen, aber auch von Wirtschaftswissenschaftlern, also von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, die es auf einem sehr hohen Niveau erklären, sehr detailgetreu dann auch. Dann gibt es aber auch Zielgruppen, die wollen es eher auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten, die interessieren nur bestimmte Aspekte, oder sie wollen vielleicht auch in einfacher Sprache – das ist ja jetzt auch ein Trend, dass man Nachrichten auch in einfacher Sprache kommuniziert –, also das ist das Wesentliche, dass es wirklich adressatengerecht ausgesandt wird.
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Böddecker: In dem Positionspapier geht es auch noch um das Thema Verschwörungserzählungen, Verschwörungsmythen, und da heißt es, dass die psychologische Forschung zeige, dass Menschen anfälliger für Verschwörungsmythen werden, wenn wichtige Bedürfnisse unerfüllt sind. Welche psychologischen Bedürfnisse sind das denn, die jetzt gerade in der Krise unerfüllt bleiben?
Spinath: Auch da geht es einerseits wieder um so ein Sicherheitsbedürfnis. Wenn ich mir eine Verschwörungserzählung …, wenn ich die glaube, dann habe ich eine Erklärung und reduziere damit meine Unsicherheit. Häufig kommen in solchen Verschwörungserzählungen ja mächtige Akteure zu Wort. Bill Gates macht das, der ist so mächtig, der kann das machen – das ist eine sehr einfache Erklärung, und wenn ich daran glaube, fühle ich mich wieder sicher, ich habe verstanden, was da passiert und werde meine Konsequenzen daraus ziehen.
Verschwörungsgläubige erhöhen sich über andere
Böddecker: Das heißt, das gibt einem ein bisschen Sicherheit zurück?
Spinath: Das ist sicherlich ein ganz wesentlicher Punkt. Ich erhöhe mich natürlich auch über andere, die Dinge glauben, an die ich nicht glaube. Wenn jemand an einer Verschwörungserzählung hängt, wird er wahrscheinlich die wissenschaftlichen Erklärungen zurückweisen und sagen, ihr seid ja dumm, wenn ihr daran glaubt, ich bin einer der Wenigen, der es wirklich verstanden hat. Auch solche Bedürfnisse stecken da natürlich dahinter.
Böddecker: Jetzt ist es in Deutschland so, dass wir im Vergleich mit vielen anderen Ländern bisher relativ gut durch die Pandemie gekommen sind, aber das kann sich auch wieder ändern. Lokal ändert sich das ja auch schon. Es gibt Ausbrüche aktuell im Kreis Gütersloh in Nordrhein-Westfalen. Das heißt, die Lage ist nicht deutschlandweit gleich, sondern es gibt große Unterschiede auch lokal. Wie ist das psychologisch zu bewerten? Wie ist das für die Menschen, die in so einem Kreis leben? Empfinden die das unfair, als ungerecht, führt das dazu, dass die weniger Lust haben, sich an die Maßnahmen vielleicht zu halten?
Spinath: Ja, das ist eine neue Herausforderung, die aus den neuen Regeln jetzt erwächst. Die Regel, zu sagen, ein Lockdown wird nicht mehr national gemacht, sondern er wird dort vollzogen, wo ein Kreis betroffen ist. Das ist ja erst mal sehr sinnvoll. Jetzt muss man aber dann sagen, es ist ja nicht der ganze Kreis, ob es jetzt Gütersloh oder Warendorf ist, betroffen, sondern manche Orte sind mehr betroffen als andere, und schon kommt es wieder zu Ungerechtigkeitswahrnehmungen. Man kann aber natürlich diese Lockdown-Maßnahmen auch jetzt nicht immer kleiner schnüren, sondern man muss schon vorher definieren, wie will ich das anwenden, und dann ist es schwierig, zu sagen, im Kreis Warendorf werden jetzt nur bestimmte Regionen dem Lockdown unterzogen. Also auch dafür gibt es keine ganz einfachen Lösungen, die man sich wahrscheinlich wünschen würde.
"Gefühl der Kontrolle" ist wichtig für uns
Böddecker: Jetzt geht es in dem Positionspapier um viele verschiedene Punkte aus psychologischer Sicht. Was würden Sie sagen, was wäre die wichtigste Maßnahme, die wir in Deutschland ergreifen sollten?
Spinath: Ich glaube, die wichtigste Maßnahme ist, dass wir weiterhin das Gefühl haben, wir können diese Krise gut bewältigen. Das hat was mit dem Gefühl der Kontrolle zu tun. Da können Politiker einiges für tun, da können die Medien einiges für tun und auch wir selber, indem wir uns dabei beobachten, wie sprechen wir denn über die Dinge, die passieren, was sind die Dinge, die wir realistischerweise tun können, tun wir sie auch, sprechen wir darüber, und nicht zu viel Aufmerksamkeit auf Dinge zu fokussieren, die nicht gut funktionieren, es sei denn, wir sehen eine Chance, sie zu verbessern. Dann sollten wir natürlich auch an diesen Dingen arbeiten, aber ich glaube, mit dem Hebel, zu sagen, es gibt eine Menge, was wir selber tun können, mit diesem Hebel können wir, glaube ich, am meisten bewirken.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.