Die Leipziger Universitätsbibliothek. Obwohl noch Semesterferien sind, ist viel Betrieb auf den breiten Gängen. Auch Katja Hofmann verbringt viel Zeit hier, derzeit feilt sie an ihrem Studienabschluss in Psychologie.
"Ich schreib gerade an meiner Bachelorarbeit, die liegt in den letzten Zügen und muss die in den nächsten Wochen auch abgeben. Das sind jetzt noch ein paar Formatierungssachen, ganz so stressig ist es jetzt zum Glück nicht mehr."
Eigentlich könnte sichKatjaHofmann also entspannt aufs nächste Semester vorbereiten, doch ihre Zukunft ist unsicher. An drei Universitäten bewarb sie sich auf einen Masterplatz, nach der ersten Bewerbungsphase steht für sie fest: Ihre Ausbildung in Leipzig ist vorerst beendet:
"Wir kriegen ja so einen vorläufigen NC, weil das ja allen Bachelorstudenten so geht, weil die ja alle noch nicht fertig sind, und mein vorläufiger NC war 1,53. Und damit bin ich halt in Leipzig nicht reingekommen."
900 Bewerber auf 64 Masterplätze
Dabei lag Katja Hofmann nur knapp daneben. Ein Notendurchschnitt von 1,47 mussten Studierende vorweisen, um sich einen der 64 Masterplätze in Leipzig zu sichern. Die Konkurrenz aber ist in ganz Deutschland groß. Über 900 Bewerber meldeten ihr Interesse an einem Masterstudienplatz in Leipzig an. Das Fach gehört heute zu den am meisten nachgefragten Studiengängen überhaupt. In den letzten zehn Jahren hat sich die Anzahl der Psychologie-Studierenden verdoppelt:
"Jemand, der seinen Bachelorabschluss mit 1,4 macht, ist nicht zwangsläufig besser geeignet für den Masterstudiengang oder die spätere Berufstätigkeit als jemand, der ihn mit 1,6 macht. Und jemand, der seinen Abschluss mit 1,6/ 1,7 macht, ist natürlich geeignet für unseren Masterstudiengang. Aber es gibt eben nicht genug Plätze und der Bewerberdruck ist eben so hoch, dass diese Grenzen sich ergeben, die nicht sinnvoll sind am Ende."
Sagt Andreas Mädebach, promovierter Psychologe und Studienfachberater an der Uni Leipzig. Auch im kommenden Jahr vergrößert sich die Chance, einen Platz zu finden, kaum. Der Numerus clausus steigt stetig an. Jedes Jahr kommen zu den Masterbewerbern, die keinen Studienplatz bekommen haben, neue Bewerber dazu - plus Fachhochschulanfänger und jene deutschen Absolventen, die in Österreich oder Holland ihren Bachelor machen, um den hohen Einstiegs-NC zwischen 1,0 und 1,4 zu umgehen.
Nach der Bologna-Reform schossen Bachelor-Studiengänge wie Pilze aus dem Boden, der Master zog nicht in gleichem Maße nach. Im Wintersemester 2013 studierten nur rund ein Viertel aller Psychologen in Deutschland im Masterstudiengang. Der Kampf um die wenigen Plätze fordert auch persönliche Kompromisse, sagt Roland Deutsch, Psychologie-Professor und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychologie:
"Und oft ist es so, dass sie dann wegziehen müssen. Dass sie es können, war Plan der Bologna-Reform, dass sie es müssen, eben nicht. Wahlfreiheit heißt eben auch, wählen zu können, dazubleiben. Das ist für die Studierenden zunehmend schwierig geworden. Was auch systemische Ineffizienzen verursacht. Stellen Sie sich vor, alle Psychologiestudierenden, die einen Bachelor-Abschluss machen, bewerben sich an allen Hochschulen um Masterstudienplätze. Es ist ein extremer Verwaltungsaufwand, der dadurch entstanden ist."
Therapeutenausbildung ohne Master ist unmöglich
Mittlerweile haben viele Unis reagiert und die Anzahl der Masterstudienplätze erhöht. Doch selbst bei gleicher Anzahl von Bachelor- und Masterplätzen, gehen viele Bewerber leer aus. Deshalb fordert die Deutsche Gesellschaft für Psychologie, dass jeder, der ein Bachelorstudium begonnen hat, auch die Möglichkeit haben sollte, den Master dranzuhängen. Denn allein der Bachelor bietet kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt, die Therapeutenausbildung ist ohne Master unmöglich.
Claudia Köppe will Therapeutin werden. Sie hat gerade ihren Bachelor mit der Note 1,8 beendet. Drei Universitäten verweigerten ihr einen Masterplatz. Das Leben geht natürlich weiter, sagt sie, auch in guter Hoffnung, weil die Nachrückverfahren noch nicht abgeschlossen sind:
"Was ich kritisch finde, wenn man sich überlegt, was dieser Notendruck für einen Rattenschwanz mit sich zieht, wo es auch darum geht immer sehr gute Leistungen zu erbringen, dass wir später im therapeutischen Kontext ja auch mit Leuten zusammen sind, die entweder Lernstörungen haben oder Angststörungen und dem Leistungsdruck auch nicht gewappnet sind, inwiefern man diesen dann auch adäquat auf einer menschlichen Basis gegenübertreten kann."