Wie finden wir zu einer gerechten und pluralistischen Debattenkultur, in der jede und jeder sprechen darf und auch gehört wird? In der wir einander nicht mit Hass, sondern mit Respekt und auf Augenhöhe begegnen? Diese Frage beschäftigt die Publizistin Kübra Gümüşay. Sie schrieb darüber unter anderem in ihrem Buch "Sprache und Sein".
Miteinander denken
Zwar beobachte sie in der deutschen Öffentlichkeit durchaus eine Pluralität an Stimmen, sagte die Autorin im Dlf. Ihr fehlten aber Orte, an denen diese verschiedenen Stimmen und Perspektiven zusammengeführt werden können. Orte, an denen "diese Stimmen nicht präsentiert werden, um um die Gunst des Publikums zu buhlen", sondern an denen "wir öffentlich miteiander denken können". Solche Orte seien wichtig für die Gesellschaft, denn "Perspektivvielfalt ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, um die Herausforderungen und Probleme unserer Gesellschaft zu erkennen und zu lösen."
Gümüşay kritisierte, dass im öffentlichen Diskurs denjenigen Menschen zu viel Raum und Aufmerksamkeit gewährt werde, die mit einem "Absolutheitsanspruch durch die Welt gehen, also mit dem Irrglauben, ihre Perspektive sei die einzig richtige". Als Beispiele nannte Gümüşay islamistische Extremisten, rechte Denker und Menschen, die Verschwörungsmythen verbreiten, die häufig "leider unwidersprochen" blieben.
Mehr Demut und Besonnenheit
Gümüşay plädierte für eine Kultur des öffentlichen Zweifelns und wünschte sich mehr Bereitschaft, die eigenen Ansichten zu hinterfragen und anderen zuzuhören. Dass eine andere Debattenkultur tatsächlich möglich sei, habe sie im Frühjahr auf dem ersten Höhepunkt der Corona-Pandemie erlebt: Damals hätten Personen des öffentlichen Lebens mit Demut und Besonnenheit reagiert und eingeräumt, dass "keine Person eine abschließende Antwort darauf hat, welche Strategie die absolut richtige ist." Das habe ihr gezeigt, dass es "durchaus möglich ist, abstrakte Herausforderungen gemeinschaftlich und verantwortungsbewusst zu bewältigen." Die Frage sei nur: "Warum können wir das nicht bei Rassismus, Sexismus oder der Klimakrise?"